Google-Sterne ohne Strahlkraft? Warum so viele gute Dienstleister im Web kaum sichtbar sind
Egal ob es der Bäcker, der Reparaturdienst oder das Yogastudio mit herausragendem Service ist – in vielen deutschen Städten gibt es sie noch: die kleinen Unternehmen, die ihre Arbeit mit Sorgfalt, Erfahrung und Verlässlichkeit erledigen.
Doch wer sie nicht kennt oder empfohlen bekommt, wird sie in der digitalen Welt kaum finden. Denn: Die Online-Sichtbarkeit hängt heute − anders als viele denken − nicht in erster Linie von Qualität ab, sondern vor allem von Bewertungen.
Besonders die Google-Bewertungen sind dabei von Bedeutung. Unternehmen, die in diesen schlecht oder zumindest nicht auffallend positiv abschneiden, verschwinden im digitalen Schatten ihrer Konkurrenz. Die Folgen sind besonders für kleinere Anbieter deutlich spürbar.
Das Local Pack und die Mechanik der Sichtbarkeit
Seit Jahren ist bekannt, dass Google bei lokalen Suchanfragen eine Art Schaufenster eröffnet: das sogenannte Local Pack. Bei diesem handelt es sich um eine Box mit drei hervorgehobenen Unternehmen in den Google-Suchergebnissen, inklusive Karte, Öffnungszeiten und Sternebewertung.
Dieses Local Pack erhält laut Analysen rund 44 Prozent aller Klicks bei den lokalen Suchen – weit mehr also als die klassischen organischen Suchergebnisse. Unternehmen, die es nicht in das Local Pack schaffen, werden deutlich seltener geklickt, selbst wenn die eigene Leistung objektiv besser ist.
Entscheidend für den Einzug in dieses Local Pack sind laut offizieller Google-Richtlinie drei Faktoren, nämlich Relevanz, Entfernung zum Nutzerstandort und Bekanntheit. Letztere wird unter anderem durch die Anzahl und Qualität der Google-Bewertungen bestimmt. Und genau hier beginnt das strukturelle Problem − besonders für kleine, lokale Anbieter.
Warum viele gute Unternehmen kaum Bewertungen bekommen
Zufriedene Kundinnen und Kunden sagen oft „Danke“ – aber sie tun dies selten öffentlich. Laut einer YouGov-Studie aus dem Jahr 2023 geben nur 13 Prozent der Befragten an, regelmäßig positive Bewertungen bei Google abzugeben.
Negative Erfahrungen hingegen werden wesentlich häufiger öffentlich gemacht. Diese Verzerrung betrifft vor allem lokale Dienstleister, die in der Regel keine standardisierten Feedback-Prozesse nutzen. Große Ketten setzen im Gegensatz dazu inzwischen immer häufiger auf ein aktives Bewertungsmanagement. Kleinere Betriebe sind bei diesem Thema meist auf sich allein gestellt.
Dabei geht es nicht um Lob aus Eigeninteresse − es geht schlichtweg um faire Bewertungen, die eine realistische Darstellung der Dienstleistungsqualität ermöglichen. Doch genau diese Fairness fehlt im System: Wer keine Bewertung hat, wirkt für die Nutzer schnell uninteressant – unabhängig davon, wie gut er in der Realität arbeitet.
Die unausgesprochene Bewertungsungerechtigkeit
Große Plattformanbieter fordern mittlerweile oft systematisch Bewertungen ein – teils sogar mit Hilfe von automatisierten Mails oder Incentives. Inhabergeführte Betriebe sind dagegen auf den Goodwill ihrer Kundschaft angewiesen. Das Ergebnis besteht in einer verzerrten Online-Wirklichkeit. In vielen Fällen zeigt Google also gar nicht den besten Anbieter, sondern nur den mit den aktivsten Bewertungsprozessen.
Ein Beispiel: Zwei Sanitärbetriebe in Köln. Der eine hat über 250 Google-Rezensionen, der andere 11. Beide bieten ähnliche Leistungen, vergleichbare Preise – aber nur einer taucht regelmäßig im Local Pack auf. Die Ursache dafür besteht nicht in Qualitätsunterschieden, sondern in dem ungleichen Verhältnis der Bewertungen.
Review-Richtlinien: Spielregeln mit Lücken
Google hat klare Richtlinien, was Bewertungen dürfen – und was nicht. Verboten sind etwa bezahlte Rezensionen, organisierte Massenbewertungen oder falsche Behauptungen.
In der Praxis ist die Durchsetzung dieser Regeln allerdings schwierig. Immer wieder kommt es zu sogenannten Review Bombings – also konzertierten negativen Bewertungen – von Konkurrenzunternehmen oder zu offensichtlich gefälschten positiven Rezensionen.
Zwar können Unternehmen solche Einträge melden, jedoch erfolgt nicht immer eine Löschung beziehungsweise nur nach einer langwierigen Prüfung. Diese Unsicherheit erschwert es besonders kleinen Anbietern, Vertrauen in das Bewertungssystem zu entwickeln – geschweige denn, es aktiv für ihre Zwecke zu nutzen.
Strategien für mehr Sichtbarkeit – ohne Manipulation
Trotz dieser Hürden gibt es durchaus Möglichkeiten, die eigene Präsenz bei Google zu verbessern – auch ohne aggressive Bewertungsstrategien. Dazu zählen:
- Aktive, aber ehrliche Kundenansprache: Nach einem gelungenen Auftrag kann freundlich auf die Möglichkeit einer Bewertung hingewiesen werden – persönlich oder per E-Mail.
- Google-Unternehmensprofil vollständig pflegen: Hochwertige Fotos, aktuelle Öffnungszeiten, direkte Buchungs- oder Kontaktmöglichkeiten erhöhen nicht nur die Glaubwürdigkeit, sondern verbessern auch die Rankingchancen.
- Reaktion auf bestehende Rezensionen: Google wertet es positiv, wenn Unternehmen auf Kundenfeedback reagieren. Sie zeigen damit Nähe und Engagement – und stärken so indirekt ihr Ranking.
- Zeitnahe Bewertungssignale: Google bevorzugt aktuelle Einträge. Es ist daher hilfreich, über das Jahr hinweg regelmäßig neue Bewertungen zu generieren, statt nur punktuell.
Kultur: Warum Deutsche kaum loben – aber viel kritisieren
Ein weiterer Faktor besteht in der zugrundeliegenden Mentalität der Nutzerinnen und Nutzer in Deutschland.
Untersuchungen des Instituts für Demoskopie Allensbach zeigen, dass viele Deutsche Lob eher für selbstverständlich halten. Kritik sehen sie hingegen als eine „nötige Korrektur“ an. Dies schlägt sich auch im digitalen Verhalten nieder: Wer zufrieden ist, schweigt. Wer unzufrieden ist, handelt.
In einem Markt, der stark von Algorithmen bestimmt wird, ist dieses Verhalten jedoch fatal. Es benachteiligt jene Anbieter, die ihre Arbeit wirklich gut machen, aber keine aktive Bewertungsstrategie verfolgen. Zwar sind bei einigen guten Dienstleistern die Google-Sterne sichtbar – aber durch die fehlende weitere Ausführung nur wenig aussagekräftig.
Google als Mitverantwortlicher?
Die Frage, ob Google selbst hier aktiver eingreifen müsste, ist berechtigt. Denkbar wären zum Beispiel:
- Hinweise an Nutzerinnen und Nutzer, nach bestimmten Interaktionen, beispielsweise einer Google Maps Navigation, zu senden. Sie könnten häufiger zur Bewertung eingeladen werden – auch ohne Kauf.
- Bessere Erkennung von Musterbewertungen durch KI, um Missbrauch und Fake-Bewertungen schneller zu filtern.
- Mehr Transparenz im Ranking-Algorithmus, damit Unternehmen besser nachvollziehen können, wie sie ihre Sichtbarkeit verbessern können, ohne auf unfaire Methoden zurückgreifen zu müssen.
Google unternahm bereits Schritte in diese Richtung, etwa mit der Möglichkeit, Bewertungen direkt im Unternehmensprofil zu verwalten oder mit den erweiterten Insights zu Nutzeraktionen. Angesichts der immensen wirtschaftlichen Bedeutung von Rezensionen wäre in Zukunft jedoch ein noch größerer Fokus auf Fairness und Gleichbehandlung wünschenswert.
Qualität braucht Sichtbarkeit
Die Bewertungssysteme von Google sind nicht per se schlecht – aber sie bevorzugen Unternehmen, die aktiv, strategisch und regelmäßig mit ihnen arbeiten. Für viele kleine Dienstleister in Deutschland ist das ein Nachteil, der reale wirtschaftliche Folgen hat: Qualität allein reicht nicht aus, wenn sie nicht sichtbar wird.
Es braucht also ein Umdenken, sowohl bei Google, das seine Bewertungsmechanismen weiterentwickeln muss, als auch bei den Nutzerinnen und Nutzern, die lernen sollten, auch gute Erfahrungen öffentlich zu teilen. Nicht zuletzt sind auch die Unternehmen gefragt, trotz wenig Zeit und Ressourcen Wege zu finden, ihre individuellen Stärken digital besser sichtbar zu machen.
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