Google hat im Laufe der über 26-jährigen Unternehmensgeschichte unzählige Produkte geschaffen und leider auch sehr viele schon nach recht kurzer Zeit wieder eingestellt. Dazu gehören auch Produkte, die ein großes Potenzial gehabt hätten, wenn man etwas mehr Durchhaltevermögen gezeigt hätte. Heute möchten wir euch ein längst vergessenes Produkt vorstellen, das mit großen Ambitionen gestartet ist: Googles Wikipedia-Konkurrent Knol.
Die Online-Enzyklopädie Wikipedia gilt bei sehr vielen Menschen als wichtige Anlaufstelle auf der Suche nach (großteils) zuverlässigen und umfangreich ausgearbeiteten Informationen. Das im Januar 2021 gestartet Online-Lexikon konnte in den ersten Jahren kometenhaft wachsen und hat auch heute trotz aller Konkurrenz seine dominierende Stellung in diesem Bereich nicht verloren. Ganz im Gegenteil, denn Wikipedia ist heute auch ein wichtiger Bestandteil der Basis für KI-Informationen, die von den ChatBots fleißig abgerufen und verarbeitet werden.
Wikipedia war damals wie heute eine der ersten Anlaufstellen für Informationen und hatte sich schnell etabliert. Grundlegend war das aber eigentlich Googles Rolle, sodass es nicht verwunderlich ist, dass man damals darauf reagieren musste. Hinzu kam, dass Wikipedia-Gründer Jimmy Wales mit Wikia auch noch eine eigene Suchmaschine starten wollte. Googles Reaktion auf Wikipedia wurde Ende 2007 erstmals vorgestellt: Knol.
Knol, dessen Bezeichnung sich vom englisch „Knowledge“ ableitet, war als offenes Lexikon konzipiert, an dem jeder Nutzer mitarbeiten und eigene Artikel einstellen kann. Diese Artikel konnten zu beliebigen Themen verfasst werden, sollten aber einen Enzyklopädie-Charakter haben und entsprechend aufgebaut sein, sowie natürlich auch eine gewisse Qualität voraussetzen. Das klingt im ersten Moment stark nach Wikipedia und war mit Sicherheit auch als Konkurrenz geplant, hat aber einige Dinge und Konzepte von Wikipedia grundsätzlich anders gehandhabt.
Aufgrund der Ausrichtung und einiger eingebrachter Konzepte wurde Knol nicht nur als Wikipedia-Konkurrent gesehen, sondern auch als eine Art Blogging-Plattform, nur eben mit hochwertigem Content. Aber auch als Lieferant für die Suchmaschine hätte es wohl eine große Rolle spielen sollen. Interessant an Knol war übrigens auch, dass das Produkt stets „Knol“ und niemals „Google Knol“ hieß.
Sowohl die Plattform als auch einzelne Artikel trugen die Bezeichnung „Knol“, womit schon deutlich wurde, dass jeder Artikel im besten Fall ein für sich abgeschlossenes Thema behandeln soll. Anders als bei Wikipedia, sollten Artikel allerdings nur von einer Person geschrieben werden, die aber bis zu 10 weitere Autoren einladen kann. Ein einzelner Knol wurde also von höchstens 10 Personen verfasst und konnte nicht von jedem Leser bearbeitet werden. Das hat sowohl Vorteile als auch Nachteile.
Bei Knol hatte jeder Autor somit die volle Freiheit und musste sich weder von anderen Nutzern reinreden lassen, noch endlose Diskussionen führen. Zugleich gab es keine der berühmten Relevanz-Diskussionen, denn bei Knol war grundsätzlich ALLES relevant. Ich persönlich habe (zu Testzwecken) eine Anleitung zum Basteln eines Papierfliegers erstellt und konnte gute Aufrufzahlen, Bewertungen und auch einen geringen Verdienst erzielen. Da Knol keine geschlossene Enzyklopädie war, haben solche Inhalte auch nicht gestört – musste ja keiner lesen.
Jeder Artikel konnte von anderen Lesern kommentiert werden, sodass im Kommentarbereich dennoch eine Diskussion entstehen konnte. Es wurde also glücklicherweise nicht unterbunden, sodass auch Leser auf Fehler hinweisen oder Zusatzinformationen einfügen konnten. Natürlich konnten sie dann über den Kontakt zum Autor auch Zugriff auf den Artikel beantragen und eventuell doch selbst etwas zu dem Knol beitragen.
Zusätzlich zur Motivation der Wissensverbreitung, die auch bei Wikipedia ausreichen muss, gab es auch finanzielle Anreize. Jeder Nutzer konnte die eigenen Knols monetarisieren und mit AdSense-Werbebannern versehen – allerdings nur dann, wenn mindestens 50 Prozent des Inhalts in der Form bisher nicht im Web (oder sprich in der Wikipedia) zu finden war. Wurde ein Artikel von Wikipedia kopiert (was laut Wikipedia faktisch nicht erlaubt ist, bei Knol aber grundsätzlich nicht verboten war), wurde die Monetarisierung nicht erlaubt.
Den letzten großen Unterschied zur Wikipedia seht ihr auf folgendem riesigen Screenshot eines gesamten Knol-Artikels: Das Design. Heute wirkt es natürlich altbacken, aber es war schon damals besser als das Wikipedia-Design – wobei das aber auch Geschmackssache sein kann.
Ein vollständiger Knol-Artikel
Obwohl Knol sehr breit aufgestellt war und viele attraktive Möglichkeiten geboten hat, allen voran natürlich auch die Monetarisierung, konnte sich die Plattform von Beginn an nicht durchsetzen. Google hatte einiges probiert und teilweise auch Autoren-Wettbewerbe veranstaltet, aber das meiste verlief im Sand. Der Grund war wieder mal darin zu suchen, dass es insgesamt viel zu wenig Marketing rund um Knol gegeben hat. Eine tiefe Integration als Fakten-Datenbank in der Websuche, so wie man es später mit anderen Quellen umgesetzt hat, hätte sicherlich geholfen.
Und so hat es kaum gewundert, als dann Ende 2011 das Aus verkündet wurde – schon damals dürften die meisten Nutzer kaum noch gewusst haben, was Knol überhaupt ist. Google hat das Ende aber nicht geschadet, denn kurz darauf wurde der Knowledge Graph in der Websuche gestartet, der heute bei sehr vielen Suchanfragen erscheint und viele Fakten und Informationen strukturiert in die Websuche bringt. Anders als Knol, das auf die Mitarbeit der Nutzer angewiesen war, bezieht der Knowledge Graph seine Daten automatisch aus vielen Quellen – die Hauptquelle ist Wikipedia.
Heute sind Google und Wikipedia längst versöhnt und Google ist eines der wenigen Unternehmen, das nicht nur Informationen aus der Online-Enzyklopädie bezieht, sondern diese auch regelmäßig finanziell unterstützt. Zwar hat Wikipedia nach eigenen Angaben durch Googles Knowledge Graph einiges an Traffic verloren, aber auf der anderen Seite erfüllt die Enzyklopädie mit den vielen dort aufbereiteten Auszügen und Fakten genau ihre eigentliche Aufgabe.