Google hat im Laufe der Jahre sehr viele Produkte auf den Markt gebracht, von denen viele längst wieder verschwunden sind, weil sie aus den unterschiedlichsten Gründen nicht mehr in das Portfolio passen. Darunter sind auch Produkte, die zwar längst vergessen sind und von denen viele Nutzer noch nie gehört haben, die aber dennoch zu ihrer Zeit eine wichtige Bedeutung hatten. Dazu gehört ein Produkt, das auch heute noch sinnvoll sein könnte: Google Desktop.
Bei Google gilt seit vielen Jahren „mobile first“, das zwar schon vor langer Zeit durch „AI first“ ersetzt wurde, aber dennoch nach wie vor beachtet wird. Aber es gab bekanntlich auch eine Zeit vor dem Smartphone, die wir Computer-Dinosaurier noch sehr gut in Erinnerung haben. Drei Jahre vor der Vorstellung des ersten iPhones und vier Jahre vor Android 1.0 wurde Ende 2004 Google Desktop vorgestellt, mit dem die Suchmaschine aus dem Browser ausbrechen und sich erstmals tiefer in das Betriebssystem integrieren wollte.
Google dominierte schon damals den Suchmaschinenmarkt, drang in immer mehr Bereiche vor und hatte erst wenige Monate zuvor GMail gestartet – womit die Nutzer erstmals einen echten Grund hatten, sich bei Google zu registrieren und auch dauerhaft eingeloggt zu bleiben. Zu dieser Zeit wurde bereits deutlich, dass das Browserfenster für Google zu klein wurde und man unbedingt näher an den Alltag des Nutzers heranrücken wollte – und das eben noch nicht auf Smartphones, sondern auf dem guten alten und damals noch dominierenden Desktop.
Google Desktop war nur eine einzige Anwendung, deckte aber sehr viele Bereiche ab und brachte einen neuen Komfort in die Desktop-Betriebssysteme Windows, Linux und Mac OS, was zu einer schnellen Verbreitung geführt hat. Es war zwar nur eine kurze Zeit, aber wenige Jahre lang war Google Desktop gar ein Standardwerkzeug, das auf einigen Geräten vorinstalliert oder in zahlreichen App-Bundles vorhanden war.
Google als starke Desktop-Suchmaschine
Google Desktop verfolgte in erster Linie das Ziel, den Index der Suchmaschine um die lokalen Dateien des Nutzers zu erweitern und gleichzeitig das Suchfeld direkt auf den Desktop zu bringen. Die App indexierte im Hintergrund alle Dateien des Nutzers, so wie der Googlebot das Web indexiert und bot dem Nutzer dieses Archiv zum Durchsuchen an. Gesucht werden konnte sowohl nach Dateiname als auch nach Stichwörtern aus dem Inhalt der Datei. Dabei wurden viele Dokumentformate unterstützt, die so im Volltext durchsucht werden konnten.
Im Hintergrund kam die starke Google-Technologie zum Einsatz, sodass sich der eigene Rechner in unter einer Sekunde vollständig durchsuchen ließ, was vor allem unter Windows damals gut und gerne mehrere Minuten dauern konnte und keine Volltext-Unterstützung hatte. Gleichzeitig fungierte das Suchfeld, das sich sowohl als Widget frei verschieben ließ, als auch in die Startleiste integriert werden konnte, aber auch als Tor zur Google-Suchmaschine und brachte die Websuche direkt auf den Desktop des Nutzers.
Aber die Suche verlief nicht nur lokal, denn der Suchindex wurde in die Cloud hochgeladen (der Begriff wurde damals noch nicht verwendet), sodass auch andere Computer nach Dateien durchsucht werden konnten – wenn sie über das gleiche Google-Konto angemeldet waren. Dadurch war es auch möglich, dass die Dateien direkt aus dem Browser heraus durchsucht werden konnten. Hatte man Google Desktop aktiviert, gab es in der normalen Websuche den Tab „Desktop“, unter dem dann in den eigenen Dateien nach Treffern gesucht wurde.
Es wurden aber nicht nur Dateien und Dokumente in den Index aufgenommen, sondern die App konnte auch einige weitere Apps anzapfen. So wurden automatisch die Posteingänge von Outlook und Thunderbird mit gescannt, sodass die E-Mails ein Teil der Suchergebnisse wurden. Tatsächlich war es schneller, mit Google Desktop nach einer E-Mail zu suchen, als die Suchfunktion der Anwendungen zu verwenden.
Eine solch starke Verknüpfung von Online- und Offline-Dateien, ohne dass die reinen Dateien in der Cloud liegen müssen, hat es leider seit Google Desktop nicht mehr gegeben.
Google Desktop brachte neue Funktionen in das Betriebssystem
Google Desktop fungierte aber nicht nur als Suchmaschine, sondern führte in einer späteren Version die Sidebar ein, die an einer beliebigen Seite des Desktops fixiert werden und beliebig angepasst werden konnte. In dieser Seitenleiste konnten Widgets frei platziert, angepasst, in der Größe verändert und natürlich auch ausgetauscht werden. War kein Platz mehr in der Leiste, ließen sich Widgets auch einfach frei auf dem Desktop platzieren und schwebten, je nach Einstellung, global über allen anderen Fenstern.
Die Galerie der Widgets war sehr umfangreich und reichte von der Uhrzeit über das Wetter und einem Kalender bis hin zu News-Streams, dem Google Talk Messenger und vielen weiteren Apps. Das Highlight war es später, dass sich einige Widgets sowohl im Web auf der Startseite iGoogle als auch in Google Desktop verwenden ließen. Erneut hatte man so eine Brücke geschaffen, die es heute in der Form leider nicht mehr gibt.
Zur Auswahl standen auch Widgets in Form von Fotostreams, sodass der Nutzer erstmals ohne eine separate App (Google Desktop gehörte ja fast schon zum Standard) den Desktop vollständig personalisieren konnte. Die von Microsoft zur ungefähr gleichen Zeit eingeführten Widgets waren deutlich weniger flexibel und standen nicht so umfangreich zur Verfügung. Die Widgets selbst kann man sich so vorstellen wie die heutigen Android-Widgets, die ihre beste Zeit aber mittlerweile auch schon hinter sich haben.
Google erreichte es mit den Widgets ganz nebenbei, dass die gesamte Desktop-App noch sichtbarer wurde und natürlich hatte man so auch ein nettes Alibi dafür, die Suchleiste ständig präsent im Vordergrund zu haben – denn natürlich war sie fest verankert und ließ sich nicht entfernen. Ob Google Desktop seinen Anteil daran hat, dass Android schon sehr frühzeitig Widgets auf dem Homescreen unterstützte, lässt sich heute natürlich nicht mehr sagen, aber damals hatte man den Zahn der Zeit sehr gut getroffen, da vielen Menschen der Desktop im Vergleich zu den damaligen neuen Web-Möglichkeiten zu langweilig geworden ist.
Leider wurde Google Desktop bereits Ende 2011 eingestellt und konnte nicht mehr ganz den siebten Geburtstag erleben. In den acht Jahren seit der Einstellung hat sich natürlich gewaltig viel geändert und ein Großteil der digitalen Zeit wird heute mit dem Smartphone verbracht, was sich damals schon abzeichnete und wohl zur Einstellung geführt hat. Dennoch ist es sehr schade, dass Google den Desktop vollständig vernachlässigt und in diesem Bereich praktisch nicht existent ist – von ChromeOS bzw. dem Chrome-Browser selbst einmal abgesehen. Aber vielleicht wird sich das mit dem kommenden Google Essentials ändern.
Der Desktop ist nach wie vor der Mittelpunkt in der Bürowelt und würde sicher auch heute noch ein Tool wie Google Desktop vertragen. Mit modernen Oberflächen, vielleicht einer Integration der Online-Dateiverwaltungen von Drive bis Fotos und weiteren Funktionen könnte Google weiter dafür sorgen, den Desktop und das Web zu verschmelzen – etwas, an dem selbst Microsoft und Apple bis heute knabbern und noch keine umfassenden Lösungen geliefert haben.
Ich bin mir sicher, dass einige unserer Leser das Tool damals sicherlich sehr gerne verwendet haben. Ich persönlich wäre vor allem aufgrund der starken Suchfunktion auch heute sicher noch ein Nutzer. Allein die Möglichkeit der plattformübergreifenden Dateisuche ist ein starkes Feature, für das man sonst (ohne internes Netzwerk) mehrere Spezialtools bräuchte.