Google hat kürzlich mit dem Start des YouTube Werbeblocker-Blocker für viel Aufregung gesorgt und wird diesen trotz allem Gegenwind sicherlich nicht zurückziehen – ganz im Gegenteil. Nutzer mit aktivem Werbeblocker sind in heller Aufregung und fühlen sich angegriffen, doch faktisch gesehen verhält es sich andersherum. Denn man kann Google nicht vorwerfen, es nicht auf anderen Wegen versucht zu haben.
YouTube hat über mehrere Monate mit dem Werbeblocker-Blocker experimentiert und diesen erst vor wenigen Tagen global für fast alle Nutzer ausgerollt. Wenig überraschend gab es heftigen Gegenwind in Form von bösen Reaktionen, ersten Anläufen einer juristischen Keule sowie einer Bewegung am Werbeblocker-Markt. Doch damit wird man Google-intern natürlich gerechnet haben und sich nicht davon abbringen lassen. Ich habe bereits prognostiziert, dass das bei YouTube nicht enden wird und man eines Tages auch Werbeblocker bei Google Maps, Websuche und Co verbieten wird. An dieser Meinung halte ich fest.
Nachvollziehbarerweise sind Werbeblocker-Nutzer nicht gut auf YouTube/Google zu sprechen, doch diese sollten auch die andere Seite der Medaille betrachten. Denn es ist nicht so, dass man bei Google urplötzlich die Keule schwingt, sondern es ist eher als Notwehr zu betrachten. Obwohl Werbeblocker das Geschäft zerstören (obwohl die Nutzer die Leistung in Anspruch nehmen), hat man in Mountain View über viele Jahre darüber hinweg gesehen. Man ist nie dagegen vorgegangen und hat umgekehrt sogar Werbeblocker in den eigenen Stores ermöglicht.
Man wollte das Ganze nicht eskalieren lassen und hat im Laufe der Jahre eine ganze Reihe von Möglichkeiten ausgelotet, um einen Konsens zu schaffen. Das Ziel war es stets, den allergrößten Teil der Nutzer davon zu überzeugen, dass Leistung Geld kostet und diese irgendwie monetarisiert werden muss. Doch diese Versuche liefen ins Leere und der aktuelle Schritt ist die Konsequenz daraus, dass nichts anderes funktioniert hat. Hier findet ihr eine kurze Zusammenfassung über Googles frühere Bemühungen.
Coaltion for better Ads
Viele Werbeblocker-Nutzer haben ihre Tools wegen sehr aufdringlicher Werbung installiert. Das weiß man auch bei Google und hat daher vor vielen Jahren die Coalition for better Ads gegründet. Unter dem Dach dieser Organisation hat man beschlossen, welche Werbeformen akzeptabel sind und welche nicht. Es ist eine Art Industrie-Vereinigung, die Google mit der Macht des Chrome-Browsers durchdrücken wollte. Tatsächlich war es so, dass der Chrome-Browser die inakzeptablen Werbeformen blockierte.
Google Chrome blockiert Werbung
Google Chrome blockiert aber nicht nur Werbung, die gegen die „Better Ads“-Richtlinien verstoßen, sondern auch vollautomatisch andere Werbeformen. Sobald ein Werbebanner in jeglicher Form zu viele Ressourcen benötigt, wird dieser ausgeblendet. Das dürften viele Nutzer schon häufig gesehen haben, nehmen es aber vermutlich nicht als „Service“ von Google Chrome wahr.
Freikaufen von Werbung
Wer auch mit akzeptabler Werbung keine Freude hat, der konnte bei Google einige Jahre ein Angebot nutzen, mit dem auch diese weitestgehend entfernt wurde. Gegen eine monatliche Gebühr wurden bei Google Contributor bis zu 80 Prozent aller AdSense-Werbebanner und aller anderer Werbeformen aus dem Google-Netzwerk abgeschaltet. Das gilt zwar für sehr viele Webseiten, aber Google ist trotz Dominanz am Werbemarkt natürlich nicht allein. Die Anzeigen der Marktbegleiter konnte man damit nicht ausblenden, sodass dieses Programm nicht viel mehr als ein Testlauf gewesen sein kann.
Bei entsprechender Nutzer-Akzeptanz hätte es aber vielleicht Mittel und Wege gegeben, auch unter diesem Programm eine Organisation aufzubauen, der sich andere Werbenetzwerke anschließen. Wenn es ein Unternehmen geschafft hätte, ein werbefreies und bezahltes Web zu organisieren, dann ist es Google als dominierendes Werbenetzwerk, Browsermarktführer und dominierende Suchmaschine.
YouTube Premium
Speziell bei YouTube wird seit einigen Jahren das Premium-Abo angeboten, mit dem sich die Nutzer vollkommen von jeglicher Werbung (die nicht von den Uploadern in die Videos eingebettet wurde) freikaufen können. YouTube Premium ist natürlich ein zusätzliches Produkt, aber man kann es rückblickend jetzt auch als letzten Versuch von Google betrachten, einen Mittelweg in der gesamten Adblocker-Problematik zu finden. Doch auch das ging nicht auf, sodass man die Nutzer mit dem aktuellen Anlauf jetzt mit deutlichem Nachdruck überzeugen muss.
Sicherlich wird kein einziger Werbeblocker-Nutzer nach diesem Artikel die Einstellung zur genutzten Technologie überdenken, aber vielleicht sorgt es dennoch für ein wenig Verständnis für diesen Schritt. Persönlich betrachte ich das aufgrund meines Jobs aus einer anderen Sichtweise, aber dennoch kann eigentlich keiner mit der Entwicklung zufrieden sein. Denn während es vor noch gar nicht all zu langer Zeit nahezu alle redaktionellen Inhalte im Web kostenlos gab, finden sich heute überall Paywalls. Und auch diese versucht man wieder zu umgehen, ohne sich darüber Gedanken zu machen, dass die Redakteure und Webseitenbetreiber von dieser Arbeit leben. Wer den Wert nicht zu schätzen weiß, der sollte es auch nicht konsumieren.
Ich denke, dass Googles Werbeblocker-Maßnahme nach den ersten Monaten des großen Ärgers einen kleinen Anstoß zur Umkehr geben könnte. Vor allem wenn es auf das ganze Google-Netzwerk ausgeweitet wird. Vielleicht werden es dann langsam weniger Werbeblocker. Und vielleicht kann es dann auf vielen Webseiten der eine oder andere Banner weniger sein. Und jeder eingesparte Banner bringt vielleicht einen weiteren Nutzer zurück. Vielleicht lässt sich die gesamte Entwicklung der letzten 10-15 Jahre ein wenig umkehren.
Und erst dann kann man über Alternativen wie Googles oben aufgelistete Initiativen nachdenken, um eine erneute Eskalation zu verhindern. Man wird ja noch träumen dürfen…
» YouTube: Drosselung für Werbeblocker-Nutzer ist Absicht – bis zu fünf Sekunden zusätzliche Wartezeit
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