Es stand gar nicht gut um den Google Assistant. Der Sprachassistent hatte schon weitaus bessere Zeiten gesehen und stand sprichwörtlich, unter anderem wegen Bard, mit dem Rücken zur Wand – aber daraus will man sich jetzt offenbar befreien. Wie vor wenigen Tagen bekannt wurde, steht der Sprachassistent vor einem großen Neustart, der das Sprachmodell und die Intelligenz deutlich verbessern soll. Das war absehbar und dürfte auch der Bard-KI bei der Verbreitung helfen.
Google war über mehrere Jahre sowohl bei den Sprachassistenten als auch bei der Künstlichen Intelligenz führend, doch trotz aller Ambitionen und Technologien hatte man sich wohl zu lange auf den Erfolgen ausgeruht. Das wurde vor allem zu Beginn dieses Jahres mehr als deutlich, denn Google Schwäche offenbarte sich sehr plötzlich, sodass das Unternehmen in einen regelrechten Panikmodus verfiel und die Künstliche Intelligenz in allen Bereichen zur absoluten Priorität erhob.
Vor allem der Strategie rund um den Google Assistant wurde eine Mitschuld dafür gegeben, dass man von der Konkurrenz temporär überrollt werden konnte und so ist es kein Wunder, dass es dort nun große Umbauten geben wird. Denn der angekündigte große Neustart der Plattform soll nicht nur das Produkt verbessern, sondern bringt auch Umstrukturierungen mit. Teams werden aufgelöst, Dutzende Posten gestrichen, das Produktmanagement wurde vollständig ausgetauscht und mehr. Alles Dinge, die wir als Endnutzer eher nicht zu sehen bekommen.
Doch schon vor den deutlich gewordenen Versäumnissen wurde es verdächtig ruhig um den Google Assistant. Erwähnenswerte neue Funktionen konnte man schon im vergangenen Jahr an einer Hand abzählen, qualitativ tat sich nichts, es gab keine neuen Geräte, Brücken zu anderen Systemen wurden abgebaut und Funktionen eingestellt. Man muss sich fragen, was das Assistant-Team (laut inoffiziellen Quellen besteht es aus mehr als 1.000 Mitarbeitern!) eigentlich die ganze Zeit getan hat.
Totgesagte leben länger
Nicht nur ich habe den Google Assistant nahezu totgeschrieben, sondern auch viele andere Medien, Beobachter und schlussendlich auch die Analysten. Doch wie sagt man so schön: Totgesagte leben länger – manchmal gilt das sogar für Google. Es ist sehr selten, dass sich ein Produkt aus der üblichen Abwärtsspirale befreit und dem Google-Friedhof entgeht, doch beim Assistant dürfte das der Fall sein. Kein Wunder, denn man hat keine echte Alternative zu dem Produkt.
Auch ich habe in meinem Beitrag nur den Google Assistant im aktuellen Zustand auf den Friedhof geschoben, aber eine mögliche Option zum Weiterbetrieb offengelassen. Nämlich als Brücke zwischen Nutzer und der Künstlichen Intelligenz, sei es nun Bard oder eine andere Plattform. Und genau so dürfte es nun auch kommen, denn tatsächlich ist der Assistant für Google trotz aller Schwäche konkurrenzlos und soll die Schnittstelle zum Nutzer bilden.
Der Google Assistant ist weit verbreitet
Denn der Google Assistant findet sich nach wie vor auf Milliarden Android-Smartphones, auf unzähligen Millionen Smart Speakern und Smart Displays, im Auto, auf der Smartwatch und an noch mehr Stellen. Ob dieser genutzt wird oder nicht, ist wieder ein anderes Thema. Es ist eine Reichweite, die mit anderen Produkten kaum machbar wären. Allen voran geht es bei Google natürlich darum, den KI-Chatbot Bard zu pushen, der eine solche Reichweite schon Konzept-bedingt niemals haben wird. Das wäre auch nicht im Sinne des Produkts.
Bard ist kein Produkt
Ich hatte schon vor einigen Tagen über die Zukunft von Bard philosophiert, denn im aktuellen Zustand wird man den ChatBot vermutlich nicht dauerhaft anbieten wollen. Bard ist experimentell und bietet mehr oder wenigen direkten Zugang zur KI. Das kostet viel Geld, lässt sich aber schlecht monetarisieren. Mit der Integration in Google Workspace zeigt man schon, wie eine KI sinnvoll integriert werden kann. Nämlich beim Schreiben von E-Mails, Zusammenfassen von Informationen, generieren von Medien oder in der Websuche mit dem schnellen Überblick über die Ergebnisse und wichtigsten Fakten.
Auf Consumer-Seite könnte man daher ein Produkt wie den Google Assistant sehr gut benötigen, der eine Schnittstelle bietet und den Nutzern die Ergebnisse aufbereitet. Zusätzlich gespickt mit weiteren Funktionen – wie etwa der Smart Home-Steuerung, Smartphone-Steuerung und Ähnlichem – etwas, das Bard nicht leisten kann.
Google Assistant + Bard = ?
Bard ist deutlich Fakten-basiert und nicht sympathisch. Der Google Assistant hingegen weiß kaum etwas (zitiert meist nur aus der Websuche) und sollte laut Googles Zielsetzung schon vor Jahren so menschlich und sympathisch wie nur möglich gemacht werden. Bard antwortet sehr ausführlich, liefert halbe Aufsätze, und der Assistant hingegen antwortet so knapp wie möglich. Doch den Google Assistant plötzlich zum Klugscheißer zu machen oder Bard eine Pseudo-Persönlichkeit zu verpassen, ist sicherlich nicht zielführend.
Daher scheint eine Integration (aber nicht Zusammenlegung!) der beiden Produkte sehr sinnvoll zu sein. Der Google Assistant bleibt die Schnittstelle, die von den Nutzern verwendet wird. Die Nutzer haben also plötzlich einen guten Freund, der etwas schlauer geworden ist und nur bei Bedarf auch mal etwas längere Antworten ausspuckt. Wie gut das funktionieren kann, muss sich erst noch zeigen. Erst einmal hat man das Ziel ausgegeben, dem Google Assistant ein modernes Sprachsystem zu spendieren und diesen mächtiger sowie deutlich klüger zu machen. Bis es soweit ist, dürfte es einige Monate dauern.
Dass der Google Assistant gerade erst in die Google Maps-Suche integriert wurde, kann man schon als ersten Schritt werten. Denn statt nur ein Ort zu suchen oder die Navigation zu starten, könnte es optional auch gleich umfangreiche Informationen zum Zielort oder zur Region geben.
» Google Bard: Wie sieht die Zukunft des KI-ChatBot aus? Monetarisierung, Reichweite und Integrationen