Viele Google-Abteilungen stecken derzeit große Kräfte in die Entwicklung des ChatBot Bard, der sowohl als eigenständiges Produkt als auch als Integration in viele populäre Plattformen genutzt werden soll. Das gilt auch für das Team des Google Assistant, das sich in diese Entwicklung einbringen muss. Das dürfte kein einfaches Verhältnis zwischen den internen Konkurrenten sein.
Bei Google gibt es alle paar Jahre Fokus-Produkte, die man für sehr bedeutsam hält und große Kräfte in die Entwicklung und Verbreitung steckt. Die bekanntesten Beispiele dürften das damalige soziale Netzwerk Google+ sowie der Google Assistant sein. Beide wurden intensiv beworben, mussten in alle Produkte integriert werden und als Nutzer kam man einige Zeit kaum drumherum. Doch Google+ ist längst Geschichte und auch das Google Assistant-Team dürfte schon bessere Zeiten gesehen haben.
Heute ist es Bard, das im Mittelpunkt aller Anstrengungen steht und DAS Flaggschiff-Produkt der Google-KI sein soll. Über das Potenzial der Technologie müssen wir uns wohl nicht unterhalten und auch über die Erfolgsaussichten des Produkts kann man frühestens nach der Google I/O Anfang Mai, besser aber erst nach den ersten breiten Rollouts urteilen. Man kann aber schon jetzt sagen, dass Bard trotz einer völlig anderen Technologie ein großer interner Konkurrenten des Google Assistant ist, der in den letzten Monaten spürbar zurückgefahren wurde.
Bard bietet das, was wir vom Google Assistant erwartet hatten. Doch statt den Google Assistant mit der starken Sprach-KI aufzuwerten, hat man sich für eine Neuentwicklung entschieden und betreibt nun beide Produkte parallel zueinander. Rein thematisch gibt es noch keine Überschneidungen, aber das wird sich schnell ändern. Eine Zusammenführung von Bard und dem Assistant-Netzwerk dürfte mittelfristig unausweichlich sein.
Bard und Google Assistant – ein schwieriges Verhältnis
Ich hatte schon vor einigen Wochen darüber philosophiert, dass Bard langfristig das Aus für den Google Assistant bedeuten könnte. Denn spätestens wenn Bard die Schnittstellen des Assistant enthält, wird dieser nicht mehr benötigt. Niemand muss seine Smart Speaker oder Smart Displays entsorgen, denn wenn meine Prognose eintrifft, wird es einfach nur einen Engine-Wechsel im Hintergrund geben, den die Nutzer abseits des gewachsenen Funktionsumfangs nicht mitbekommen.
In den Wochen nach meinem Artikel gab es eine Reihe interessanter Entwicklungen, die in ein ähnliches Horn stoßen, die ich hier kurz zusammenfassen möchte:
- Google Assistant sollte schon 2020 die Sprach-KI erhalten: Schon vor gut drei Jahren hatte man im Google Assistant-Team Pläne, die starke Sprach-KI zu integrieren und somit ähnliches zu bieten, wie wir es heute bei Bard und ChatGPT sowie dem Bing ChatBot sehen. Ein solch früher Start hätte vieles ändern können, doch man hat sich damals dagegen entschieden. Offenbar aus den Gründen, die man auch heute noch anführen kann, aber aufgrund der veränderten Konkurrenzsituation zur Seite wischt: Die ChatBots sind nicht zuverlässig. Mehr Infos dazu findet ihr in diesem Artikel.
- Google Assistant-Team arbeitet an Bard: Beim Google Assistant gab es in den letzten Monaten keine spürbare Weiterentwicklung, sondern nur Einstellungen von Funktionen. Das könnte auch daran liegen, dass die Entwickler mittlerweile an Bard arbeiten. Diese sollen dem neuen Star-Produkt wichtige Dinge wie die natürliche Konversation mit Nutzern sowie die Chat-Darstellung implementieren. Ein deutliches Zeichen, dass Bard mittelfristig die Rolle des Assistant einnehmen kann. Mehr Informationen dazu findet ihr in diesem Artikel.
- Bard und Assistant werden zusammengelegt – sagt Bard: Wenn das nicht ein Wink mit dem Zaunpfahl ist. Fragt man Bard nach der Zukunft des Google Assistant, plaudert dieser munter aus dem Nähkästchen. Es wird beschrieben, dass die beiden Produkte zusammengeführt werden, um den Nutzern das beste Erlebnis zu bieten. Die Aussagen klingen 1:1 wie aus einer Google-Pressemitteilung, basieren aber tatsächlich nur auf Nutzermeinungen aus dem Internet. Es sollte daher keine Substanz haben, aber dennoch ist ein Omen für das, was schon bald kommen könnte. Denn abseits von halbgaren Dementis gibt es von Google bisher keine Infos. Mehr Infos dazu findet ihr in diesem Artikel.
Ist der Google Assistant ein Auslaufmodell?
Ich denke, dass das Assistant-Team sehr genau weiß, dass man mit Bard an der Zukunft schraubt, während das eigene Projekt in der heutigen Form nicht mehr all zu lange Bestand haben wird. Der Google Assistant müsste schon einen sehr sehr großen Sprung machen, um mit Bard mitzuhalten. Der Assistant ist stark in der Vernetzung von Geräten und Produkten, doch für echte faktenbasierte Antworten und Aufgaben ist dieser einfach „zu dumm“. Klar, auch Bard hat noch sehr viele fragwürdige Aussagen auf Lager, aber das wird sich durch intensives Training sehr schnell verbessern.
Der Google Assistant ist seit Jahren dazu in der Lage, Fragen abzugeben und Antworten aus anderen Quellen zu holen. Zwar wurde dieser Bereich deutlich beschnitten, aber warum sollte man nicht einfach spezielle Anfragen an Bard abgeben? Auch die Google Websuche dürfte, wenn Bard erst einmal integriert ist, die Anfragen an Bard durchreichen. Das macht die Websuche aber nicht zum Auslaufmodell, sondern nur zu einer weiteren Tür für Bard. Ähnlich könnte es dem Assistant ergehen.
Hoffen wir, dass es schon in wenigen Wochen auf der Google I/O mehr Informationen in diese Richtung gibt. Ich lehne mich mal aus dem Fenster: Wird der Google Assistant auf der diesjährigen I/O keine Rolle spielen, dann wird dieser das auch in Zukunft nicht mehr tun.