Der Start des Google Assistant liegt gerade einmal sieben Jahre zurück, aber dennoch dürfte das Produkt seine besten Zeiten längst hinter sich haben und den Weg aller nicht mehr benötigten Google-Produkte antreten. Schon in den letzten Monaten sah es für die Zukunft des Sprachassistenten nicht gut aus, doch gleich zwei Entwicklungen dieser Woche kann man eigentlich nur als Sargnagel betrachten.
Einige Nutzer werden sich vielleicht noch an den Start des Google Assistant im Jahr 2016 erinnern, der vom Unternehmen groß angekündigt und als Zugpferd für andere Produkte genutzt wurde. Das konnte man tun, weil sich rund um den Assistant ein großer Hype und ebenso große Begehrlichkeiten gebildet haben. Zuerst war der Assistant nur exklusiv im Allo-Messenger verfügbar (wer erinnert sich?), später exklusiv auf den aktuellen Pixel-Smartphones und erst im darauffolgenden Jahr hatten alle Nutzer Zugriff.
Ich hatte schon vor einigen Wochen einen kleinen Abgesang auf den Google Assistant verfasst und empfehle euch, diesen bei Interesse zu lesen, denn dieser Artikel baut darauf auf. In dieser Woche gab es gleich zwei aktuelle Entwicklungen, die an der Zukunft des Assistant zweifeln lassen: Zuerst wurde die Assistant-Funktion aus Google Messages entfernt, nur um durch alternative Funktionen unter anderen Namen ersetzt zu werden. Es ist offensichtlich, dass die Entfernung wegen des Produkts „Google Assistant“ und nicht wegen der Funktionen durchgeführt wurde.
Die zweite Entwicklung ist aber aus Assistant-Sicht noch viel bedenklicher, denn man hat einen internen Konkurrenten bekommen, der endlich das erfüllen soll, was sich Google schon vom Assistant versprochen und eigentlich auch gegenüber interessierten Nutzern angedeutet hat: Bard ist gestartet und soll die Google Websuche auf Augenhöhe mit ChatGPT und einem kommenden Microsoft-Produkt bringen. Dass „Google Assistant“ in der Ankündigung rund um KI, Sprachmodelle, Sprachassistent und Fragen beantworten keine Erwähnung gefunden hat, ist bezeichnend.
Wofür steht der Google Assistant eigentlich?
Aus meiner Sicht hat(te) der Google Assistant drei Kernaufgaben: Spracherkennung- und Ausgabe, Fragen beantworten und Aktionen ausführen. Google betreibt allerdings seit jeher eine vom Assistant unabhängige Spracherkennung und hat diese niemals begraben. Für Spracheingabe und Sprachbefehle braucht es den Assistant nicht. Der Bereich „Fragen beantworten“ hat sich spätestens mit dem breiten Start von Bard erledigt und war ohnehin nicht viel mehr als ein verlängerter Arm der Google Websuche. Es wäre zu erwarten, dass der Google Assistant diese Funktion in Zukunft verliert oder die Nutzern an Bard verweist.
Die dritte Funktion, Aktionen ausführen, bleibt als einzige ohne Konkurrenz bestehen. Die allermeisten Aktionen dürften sich allerdings auf das Smart Home bezogen haben und für dieses hat Google gerade erst eine runderneuerte und optimierte Oberfläche ausgerollt. Nicht ohne zu erwähnen, dass die Nutzer lieber tippen, wischen und klicken, statt zu sprechen. Beim heutigen Umfang eines Smart Homes ist es mit Sprachanweisungen auch nicht mehr ganz so einfach, zwischen Räumen und Geräten zu unterscheiden.
Halten wir also fest, dass der Google Assistant in allen drei Kernbereichen stark an Relevanz verloren hat und von Google schon im letzten Jahr auch nicht nennenswert weiterentwickelt wurde. Das Produkt hat sich einfach in einigen Bereichen selbst überlebt und in anderen die hoch gesteckten Ziele nicht erreicht.
Google Assistant ist noch in viele Produkte integriert
Wegen des Fokus der letzten Jahre ist der Google Assistant tief in einigen Produkten integriert, etwa auf Google TV-Fernbedienung, in den zahlreichen Smart Speakern und Smart Displays oder in Android Auto. Sollte das Produkt tatsächlich bald eingestellt werden, ist das ein Problem. Aber Google könnte das gut lösen.
Es gibt Situationen, in denen die Sprachsteuerung vielleicht die bequemere Wahl ist, etwa beim Fernsehen oder Autofahren. Doch viel mehr als eine Sprachsteuerung braucht es da nicht, denn das bisschen Logik für die Befehlserkennung kann man problemlos in Google TV / Android Auto integrieren. Bleiben eigentlich nur die Smart Speaker, die nicht viel mehr als das Assistant-Sprachrohr sind. Doch wirklich engagiert war Google in diesem Bereich eigentlich nie, die letzte echte Geräte-Generation liegt lange zurück (Nest Audio war nur ein Einzelprodukt) und gefühlt verschwinden die Geräte schon wieder aus immer mehr Haushalten.
Aber selbst wenn man den Assistant schnell entfernen möchte, könnte man mit einem kleinen Software-Update sicherlich den Assistant gegen den Bard-Zugang austauschen. Mit Fuchsia hat man schon gezeigt, dass sich ein komplettes Betriebssystem per Update und nahezu unbemerkt austauschen lässt. In diesem Fall wäre es wohl ähnlich.
Wird der Google Assistant zur Brückentechnologie?
Als Stärke bleiben die Google Assistant-Sprachausgabe, die vielen Menschen vertraut ist sowie die Anbindung an zahlreiche Apps und Plattformen. Das Label „works with Google Assistant“ ist noch heute zu finden, hat mit dem Industrie-Standard Matter aber schon etwas an Bedeutung verloren. Daher halte ich ein Szenario für möglich, in dem man den Assistant zwar als eigenständiges Produkt mehr oder weniger versteckt, aber die Technologien weiterhin nutzt.
Einige Produkte könnten somit ihre Befehle an die Assistant-Infrastruktur weitergeben, die Nutzer aber nur noch mit den jeweils anderen Produkten kommunizieren – mit Google TV, mit Android Auto, mit Android auf Smart Displays oder eben mit Bard. Das würde eine Kompatibilität für die nächsten Jahre sicherstellen und den anderen Tools gleichzeitig die Möglichkeit geben, eigene Wege und Alternativen zu entwickeln, ohne die Nutzer im Regen stehenzulassen.
Von Google wird man in diese Richtung sicherlich noch lange nichts hören, aber eine große Präsenz des Assistant sollte man auch nicht mehr erwarten. Es war ein gutes Produkt für die richtige Zeit, aber es konnte sich aus unbekannten Gründen nicht weiterentwickeln. Könnte daran liegen, dass das Interesse an den Sprachassistenten, das in den ersten Jahren wohl hauptsächlich aus Faszination und Neugier bestand, deutlich nachgelassen hat.
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