Google wird die Spieleplattform Stadia in wenigen Tagen einstellen und sich damit vorerst vollständig aus diesem Markt zurückziehen, in den man noch vor drei Jahren so große Hoffnungen gesetzt hat. So wie schon häufiger in anderen Bereichen, wollte Google keinen langen Atem beweisen und stattdessen nur den schnellen Erfolg – aber der kam nicht. Das ist sehr schade, denn die Plattform hätte riesiges Potenzial gehabt.
Die kurze Geschichte von Stadia wird am 18. Januar endgültig zu Ende gehen, denn Google wird der Spieleplattform nach etwas mehr als drei Jahren den Stecker ziehen – trotz damals völlig anderslautender Aussage. Man war sich schon 2019 bewusst, dass das eigene Image für das Produkt nicht unbedingt förderlich ist und hat einiges aufgefahren, um das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen. Der Frage, ob dem Produkt bei Misserfolg eine schnelle Einstellung drohen könnte, wich man durch starke Bekenntnisse zum neuen Fokusprodukt aus.
Dass Google bei Stadia kein Durchhaltevermögen zeigen wird, hatten viele erwartet und leider hat man erneut bewiesen, dass man dem Unternehmen nicht vertrauen kann, wenn es um neue Plattformen geht, die noch keine Milliarden Nutzer haben. Eigentlich zieht man Stadia nicht nach drei Jahren den Stecker, sondern hat das hinter den Kulissen schon sehr viel früher getan. Schon Anfang 2022 war spürbar, dass sich die Weiterentwicklung deutlich verlangsamt hat, dass man nichts Großes mehr anstößt, die Plattform nicht weiter integriert oder bewirbt und auch die versprochene Spiele-Anzahl nicht haltbar war.
Wenn ein Google-Produkt erst einmal ein solches Stadium erreicht hat, kommt es oft nicht mehr heraus. Stadia wäre eine Plattform gewesen, in die man in den ersten Jahren sehr viel hätte investieren müssen. Sie schon nach zwei Jahren sich selbst zu überlassen und hoffen, dass diese entweder abhebt oder von selbst in Vergessenheit gerät, war die völlig falsche Strategie. Dabei wäre das Potenzial riesig gewesen, wie sich schon jetzt zeigt.
Es ist sehr schade um Stadia
Stadia war vielleicht nicht perfekt, aber es war nicht weit davon entfernt. Technisch lief alles glatt und mit dem Konzept wären auch immer mehr Nutzer warmgeworden, wenn man durchgehalten hätte. Vielleicht hätte man die wichtigen Power-Gamer noch sehr lange umwerben müssen, aber die Masse der Casual-Nutzer zeigte sich durchaus interessiert, ab und an eine Zocker-Runde zu wagen. Mit dieser Gruppe ist nicht viel zu verdienen, aber sie sorgt für Verbreitung und langfristig für die kritische Masse, sodass Spieleentwickler und echte Gamer nicht mehr an der Plattform vorbeikommen.
Es ist völlig unverständlich, dass Google nach den Milliarden-Investitionen nicht das Durchhaltevermögen hatte, die Plattform weiter zu betreiben. Verglichen mit den vollkommen in Sand gesetzten Entwicklungskosten und den Entschädigungen wäre der Weiterbetrieb der Plattform locker finanzierbar gewesen. Warum man sich dennoch für die Einstellung nach so kurzer Zeit entschieden hat, werden wir wohl nie oder in ferner Zukunft erfahren.
Google hatte große Pläne im Spielemarkt
Für Google ging es eigentlich nicht nur um die Spieleplattform, denn an dem Produkt hingen viele weitere Aktivitäten, die mit eingestellt wurden oder einen gehörigen Dämpfer bekamen. Eigentlich war Stadia nur das Aushängeschild für ein neues Cloud-Angebot, mit dem man sich an Spieleentwickler richtete. Man wollte die großen Titel in die Google Cloud holen, sodass Publisher ihre Rechenzentren zu Google verlegen konnten. Man wollte Google Maps zur Basis für Spielekarten machen und andere Produkte des Ökosystems mit den Cloudspielen verbinden.
Wenn man bedenkt, welch große Bedeutung der Spielemarkt hat und wie viele Milliarden Dollar darin umgesetzt werden, kann man sich den Ausstieg aus diesem Bereich eigentlich gar nicht leisten. Und mit Stadia hatte man mehr als einen Fuß in der Tür. Der Kollateralschaden für die weiteren Google-Produkte ist kaum abschätzbar. Ganz zu schweigen davon, dass das schlechte Google-Image erneut leidet. Nicht nur wegen eines weiteren Beispiels, sondern wegen des gebrochenen Versprechens, Stadia als sehr langfristiges Produkt zu betrachten.
Stadia hatte große Chancen, Google hat sie genutzt
Stadia selbst war in den ersten drei Jahren vielleicht nicht stark genug, aber eine ganze Reihe von Google-Produkten hätte es anschieben können. Die Anbindung an YouTube war eher oberflächlich, hätte aber viel Potenzial gehabt und bei Erfolg gleichzeitig die Bedeutung von YouTube gegenüber Twitch steigern können. Die Google Websuche wäre der perfekte Vermittler gewesen. Im VR- und AR-Bereich hätte es Überschneidungen gegeben und auch mit dem Play Store.
Und heute? Nach dem Aus von Stadia hat Google plötzlich die Gaming-Chromebooks vorgestellt. Just in dem Moment, in dem man aus Gaming und Chromebooks aussteigt (!). Man hat die Integration von Cloudgaming-Plattformen in die Websuche verbessert, was Stadia damals sehr geholfen hätte. Wie man all das nicht nutzen konnte und jetzt halbherzig ohne eigenes Produkt angeht, lässt sich von außen nur als „dumm“ bezeichnen – sorry. Absolut nicht nachvollziehbar.
Wir dürfen gespannt sein, ob Google in einigen Jahren noch einmal in diesen Markt einsteigt oder man es als das nächste rote Tuch betrachtet – so wie Social Networks. Das Fehlen eines eigenen Social Networks im Google-Ökosystem hinterlässt bis heute eine große Lücke – man achte nur auf die großen Monetarisierungsmöglichkeiten. Denn Google braucht dringend neue Wachstumsmärkte, wobei Social Networks nach wie vor eine große Rolle spielen und das weiter wachsende Gaming weiterhin Milliarden-Umsätze verspricht. Google wird dabei aber keiner Rolle spielen…
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