Recht unerwartet hat Google erst vor wenigen Tagen das Aus für Stadia bekannt gegeben und vermittelt seitdem den Eindruck, möglichst schnell aus dem Cloudgaming aussteigen zu wollen. Doch das gilt wohl nicht für alle Abteilungen, denn nur noch zwei Wochen später hat man neue Gaming-Chromebooks angekündigt, die man wohl als Wachstumsmarkt für diese Geräteklasse sieht. Die Ironie an dieser Situation und einem weiteren jüngsten Schritt kann einfach nicht unkommentiert bleiben.
Wer sucht, die Strategien einiger Google-Abteilungen zu durchschauen, wird schnell Kopfschmerzen bekommen, vielleicht auch einen Lachkrampf. Denn immer wieder trifft man Entscheidungen, die sich von außen schwer nachvollziehen lassen oder aus externer Sicht völlig unverständlich sind. Die Einstellung von Stadia war schon selbst ein solcher Schritt, denn die große Zukunft hätte bald begonnen. Doch in dieser Woche hat man nicht nur das Sahnehäubchen gesprüht, sondern auch noch die Kirsche draufgesetzt.
Tatsächlich hat man neue Gaming-Chromebooks angekündigt und verraten, dass man im Cloudgaming einen großen Wachstumsmarkt für die Chromebooks sieht. Man arbeitet mit Partnern wie Acer, Asus und Lenovo zusammen, um diese in den kommenden Monaten auf den Markt zu bringen. Neben einigen Verbesserungen für ChromeOS ist auch eine Integration der Plattformen GeForce Now von Nvidia sowie Xbox Live von Microsoft enthalten. Gamer sollen also im besten Fall schon wenige Minuten nach dem ersten Start des Chromebooks loslegen können.
Die Ankündigung ist recht interessant und ich könnte mir vorstellen, dass man da tatsächlich einen Nerv trifft und mit etwas Durchhaltevermögen, das hoffentlich mit Unterstützung der Hardware- und Cloud-Partner gestützt wird, könnten die Chromebooks da noch eine große Rolle spielen. Denn sie kosten weniger als eine Konsole, deutlich weniger ein Gaming-PC und sind eigentlich genau die „Spielekonsole“, die ich vor einiger Zeit aus naiver Sicht für Stadia gefordert habe.
Gaming-Chromebooks sind genau das, was Stadia gefehlt hat
Jetzt wo Stadia das Ticket auf den Google-Friedhof gebucht hat, kündigt man Gaming-Chromebooks an. Das ist genau das Produkt, das Stadia in den kurzen drei Jahren der Existenz gefehlt hat. Vielleicht wurde das Projekt sogar durch Stadia angetrieben, doch die Lorbeeren werden (wenn es erfolgreich ist) Microsoft und Nvidia aufsammeln. Man muss sich fragen, wie die Strategen diese extrem Überschneidung übersehen konnten. Hätte man nicht Stadia noch mindestens ein Jahr Zeit geben und mit diesen Chromebooks pushen können? Da Alternativen von MS und Nvidia bereitstehen, hätte die Einstellung Ende 2023 nicht mehr wehgetan als jetzt.
Google steigt aus dem Chromebook-Markt aus und pusht den Chromebook-Markt
Doch damit nicht genug: Nur wenige Wochen vor dem Stadia-Aus hat man das Aus der Pixelbooks bekannt gegeben und damit den vorübergehenden eigenen Ausstieg aus dem Chromebook-Markt. Man muss sich das wirklich auf der Zunge zergehen lassen: Man hätte ein Chromebook unter eigener Marke mit Stadia ausstatten und zum Flaggschiff dieser neuen Cloudgaming-Kampagne machen können. Stattdessen stellt man beides ein, sucht sich wahllos Partner, bringt mit diesen solche Geräte auf den Markt und stützt deren Cloudgaming-Plattformen.
Vielleicht hat auch das alles wieder einen tieferen Sinn und war mit vollem Überblick geplant, ebenso wie die zahlreichen Messenger-Runden, aber für mich und sicherlich auch den Großteil der Leser sind diese Schritte absolut nicht nachvollziehbar. Ich würde fast schon sagen dilettantisch amateurhaft. Meine Vermutung: Google hat unzählige hochbezahlte Strategen für einzelne Produkte und Plattformen, die gegeneinander statt miteinander arbeiten und vermutlich nicht einmal die Telefonnummer des gleichrangigen Kollegen haben. Klingt komisch, ist aber (vielleicht) so. Bonus-System sei dank, geht es nur um den schnellen Erfolg und möglichst großen Strategie-Schwenk.
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