Google hat das Betriebssystem Android vor vielen Jahren als freie Plattform gestartet, die von allen Smartphone-Herstellern genutzt werden. Doch die Machtverhältnisse zwischen Google und den Smartphone-Herstellern sind ein wunder Punkt, der mit der neuen Pixel-Strategie noch sehr bedeutend werden kann. Wird es die Google-Dienste in Zukunft nur noch auf den Pixel-Smartphones geben? Eine wilde Theorie, die aber gar nicht mehr so abwegig erscheint.
Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, um Erfolg zu haben. Google hat mit Android damals genau den richtigen Zeitpunkt getroffen, denn bei der Übernahme des bestehenden Produkts war der Smartphone-Markt noch in den Babyschuhen. Das iPhone war noch gut zwei Jahre entfernt. Als das iPhone vorgestellt wurde, hatte Google dann schon ein Großteils fertiges Betriebssystem in der Hinterhand, das man den geschockten Handy-Herstellern anbieten konnte.
Ein Schachzug, der eineinhalb Jahrzehnte lang gigantische mobile Erfolge brachte. Innerhalb weniger Jahre gab es nur noch Android und iOS, während Symbian von Nokia & Co sowie das damalige Windows im Rekordtempo in der Versenkung verschwanden. Ein neuerlicher Anlauf seitens Microsoft brachte keinen Erfolg, sodass es beim Duopol blieb, das möglicherweise noch weitere Jahrzehnte bestehen wird. Zumindest gibt es derzeit kaum etwas, das etwas daran ändern könnte. Wenn Apple oder Google keine absolut dummen Entscheidungen in Serie treffen, wird kaum daran zu rütteln sein.
Doch was ist, wenn Google einen Strategieschwenk hinlegt und sich nicht nur in puncto Hardware am Konkurrenten orientiert, sondern auch im Software-Bereich? In diesem Artikel möchte ich einmal die Theorie durchspielen, dass Google sich nur noch auf die eigenen Geräte konzentriert und die eigenen Produkte ausschließlich auf den Pixel-Smartphones anbietet. Das ist rein hypothetisch, aber nach neuesten Entwicklungen gar nicht mehr so weit hergeholt.
Wer sitzt am längeren Hebel?
Zwischen Google und den Smartphone-Herstellern gibt es seit vielen Jahren eine Zweck-Ehe. Ohne Google hätten die Hersteller kein Betriebssystem. Aber ohne die Hersteller hätte Googles Betriebssystem keine Verbreitung. Man ist nur zusammen erfolgreich, das wissen beide Seiten seit vielen Jahren. Doch wer sitzt am längeren Hebel? Diese Frage könnte spätestens durch die Huawei-Katastrophe geklärt sein. Die Chinesen standen kurz vor dem Sprung an die Weltspitze und verschwanden durch den Verlust der Google-Dienste innerhalb von zwei Jahren außerhalb Chinas in der Bedeutungslosigkeit. Das dürfte man auch bei Google, rein egoistisch betrachtet, sehr wohlwollend registriert haben.
Smartphone-Hersteller haben keine Alternative
Für Google stellt sich die Situation so dar, dass man eine Handvoll sehr wichtiger und unzählige kleinere Smartphone-Partner hat. Die Smartphone-Hersteller hingegen haben nur Google. Es gibt keine Alternative, auf die man innerhalb weniger Monate oder nicht einmal Jahre zurückgreifen könnte. Microsoft ist voll ausgestiegen und setzt auf Android, Apple ist natürlich keine Option. Und wie wir aus Huawei gelernt haben, bringt selbst ein alternatives Betriebssystem keinen Erfolg, wenn keine Google-Dienste vorhanden sind. Ich denke, damit ist die Frage aus dem vorherigen Absatz geklärt.
Google will den Pixel-Erfolg – ohne Rücksicht auf andere Hersteller
2016 hat Google mit Pixel das eigene Smartphone-Geschäft neu gestartet und sich von den Nexus-Experimenten verabschiedet. Erklärtes Ziel der Pixel-Smartphones ist es, nicht nur den Markt voranzutreiben, sondern tatsächlich erfolgreich zu sein. Man hatte mehrfach betont, mit Pixel weiter wachsen zu wollen und keine Rücksicht mehr auf andere Smartphone-Hersteller zu nehmen. Dass man die wichtigen Partner mit solchen Plänen so sehr vor den Kopf stoßen kann und diese dennoch nicht abspringen, beantwortet die Frage aus dem vorvorletzten Absatz noch einmal.
Während den ersten Pixel-Generationen nur wenig Erfolg vergönnt war, sieht es mittlerweile anders aus. Die Pixels sind etabliert, die Nutzer recht begeistert und Google übernimmt immer mehr Kontrolle. Man baut eigene Chips, baut Pixel als starkes Marken-Portfolio auf und grenzt sich durch eine wachsende Anzahl exklusiver Features etwas weiter vom restlichen Android-Markt ab. Das dürfte auch den anderen Smartphone-Herstellern aufgefallen sein.
Hypothese: Google macht Android Pixel-exklusiv
Kommen wir nun zum großen hypothetischen Knall. Google ändert die Android-Strategie und entscheidet sich dafür, dass die Google-Dienste nur noch auf den Pixel-Smartphones angeboten werden. Man entzieht allen Smartphone-Herstellern die Google-Lizenz, sodass diese zwar das freie Betriebssystem verwenden können, aber auf dem gleichen Stand sind wie Huawei. Google dürfte sich trotz enger Bande sicherlich nicht vertraglich verpflichtet haben, die eigenen Dienste auf den Smartphones anderer Hersteller bereitzustellen. Damit ständen Samsung, Xiaomi, OnePlus & Co ohne Play Store, ohne Google Maps, ohne Google-App und auch ohne YouTube dar.
Android und Google sind der Schlüssel zum Erfolg
Nach einem solchen Schritt hätten wir innerhalb weniger Monate die Huawei-Situation, und das für den gesamten Markt außer Pixel. Google wird es sehr gut verstehen, den Menschen auf vielen Kanälen mitzuteilen, auf welchen Geräten sie die Google-Dienste finden. Damit wird Pixel zur einzigen Marke für Google-Nutzer und alle, die nicht auf Google-Dienste verzichten können. So wie das iPhone die einzige Marke für Apple-Nutzer ist.
Sicherlich würden einige Millionen Nutzer Google einen solchen Schritt Übel nehmen, aber schlussendlich haben die allermeisten keine andere Wahl und werden bei den Google-Diensten bleiben. Denn die Nutzer hängen zu sehr an den Google-Diensten und müssen zu Pixel wechseln. Ich könnte mir vorstellen, dass Apple daraufhin einige Marktanteile gewinnen könnte, aber schlussendlich ist es Google, das am allermeisten gewinnen kann. Denn was werden die Neo-Nutzer auf dem iPhone tun? Die Google-Dienste nutzen. $$$.
Wie wahrscheinlich ist das?
Das ist die große Frage. Je länger man darüber nachdenkt, desto mehr kann der Eindruck entstehen, dass Google seit mehreren Jahren auf einen solchen Knall hinarbeitet oder diesen zumindest für Eventualitäten vorbereitet. Der Smartphone-Markt wird neben Apple und Samsung global vor allem von chinesischen Unternehmen dominiert. Politisch betrachtet ist das für Google eine Gefahr, an der man nicht viel ändern kann. Zwischen Südkorea und den USA ist zwar „alles gut“, aber Samsungs extreme Größe und Bedeutung für die gesamte südkoreanische Wirtschaft könnte auch dieses Unternehmen irgendwann zum politischen Spielball machen – man weiß ja nie was kommt.
Möglicherweise hat man Googles mögliche Pläne auch bei Samsung registriert und bandelt nicht ohne Grund sehr eng mit Google an, um sich in gewisser Weise unverzichtbar zu machen. Was auffällt: Google ist mit Pixel gefühlt immer stärker auf Apples Spuren. Aus unternehmerischer Sicht ist Apples Smartphone-Business um Welten erfolgreicher, obwohl Google selbst bessere Voraussetzungen hat. Trotz eines solchen sehr unpopulären Schrittes, wären den Pixel-Smartphones Verkaufsrekorde garantiert. Und das ist am Ende das, was bei einem Unternehmen zählt.
Ich habe einen solchen Artikel mit diesem Thema schon mehrfach im Kopf gehabt, diesen aber bisher nie geschrieben. Doch die jüngst bekannt gewordenen Pläne, dass Google den großen Pixel-Erfolg erzwingen will und man gleichzeitig mit sinkenden Samsung-Anteilen rechnet, ist das gar nicht mehr so unwahrscheinlich. In den Berichten war auch die Rede davon, zunehmend neue Features Pixel-exklusiv zu halten. Man hat den Weg also schon eingeschlagen. Die vollständige Ökosystem-Schließung halte ich noch für abwegig, aber ich wollte es einfach einmal ins Spiel bringen, um vielleicht in einigen Jahren darauf verweisen zu können… 🙂
» Pixel: Mit den Smartphones an die Weltspitze? Google hat Sorge vor schwächelndem Samsung (Bericht)
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