Die Kartenplattform Google Maps bietet allen Nutzern die Möglichkeit, sich aktiv oder passiv zu beteiligen und mit eigenen Daten zu füllen, die dann für die Stau-Anzeige oder ähnliches verwendet werden. Kürzlich hat die britische Polizei gezeigt, dass das Raum für Manipulationen bietet, doch es war längst nicht der erste Fall. Vor zwei Jahren hatte ein Künstler in Berlin einen künstlichen Stau produziert, der längere Zeit digital sichtbar war.
Wir haben erst kürzlich darüber berichtet, wie die britische Polizei Plattformen wie Google Maps und Waze dazu verwendet, Fake-Meldungen zu erstellen und dadurch Autofahrer zu sicherer Fahrweise anzuhalten. Vor zwei Jahren hatte ein deutscher Künstler so etwas in größerem Stil durchgezogen und sehr erfolgreich mit einem Bollerwagen und 99 Smartphones einige normalerweise leicht befahrene Straßen zur Stauzone erklärt – zumindest für Google Maps.
Die Stau-Anzeige der Kartenplattform dürfte bekannt sein und lässt sich in der Oberfläche farblich darstellen. Natürlich werden diese Daten auch für die Routenplanung und Navigation verwendet, um solche Staus zu umfahren. Die Daten stammen zum Teil von externen Dienstleistern, basieren auf statistischen Werten der vergangenen Wochen und Monate, sind zu einem sehr großen Teil aber auch von den Bewegungsdaten der Milliarden Android-Smartphones auf diesem Planeten abhängig, die regelmäßig ihren Standort bzw. ihre Bewegung oder Nicht-Bewegung an die Server senden.
Letztes hat sich der Berliner Künstler Simon Weckert zunutze gemacht, um im Rahmen eines Kunst-Experiments Google Maps an der Nase herumzuführen – und das tatsächlich mit großem Erfolg. Weckert hatte sich für sein Projekt einfach 99 Smartphones geschnappt, auf allen Geräten die Google Maps-Navigation gestartet und diese dann in einem Bollerwagen im Schritttempo über die Straßen gezogen. Fertig war der digitale Stau.
Der Künstler hat sich für seine Versuche einige Straßen ausgesucht, die nur wenig befahren werden und in denen daher nur sehr selten ein Stau entsteht – die perfekte Voraussetzung. Doch die 99 im Schneckentempo über die Straße gezogenen Smartphones haben dann dafür gesorgt, dass laut Google Maps ein großer Stau auf dieser Straße entstanden ist, der zumindest laut dem unten eingebundenen Video auch sehr zügig auf der Kartenplattform angezeigt wurde.
Weil die Straße im Allgemeinen nicht so belebt erscheint, sind 99 Smartphones, die für Google Maps natürlich als 99 Personen gewertet werden, schon eine riesige Ansammlung, die sich noch dazu nur sehr langsam fortbewegt. Dazu kommt, dass die Smartphones über die Straße und nicht über den Gehweg gezogen wurden, sodass die Algorithmen der Kartenplattform den Daten wohl großen Glauben geschenkt haben und die Straße dementsprechend in Rot eingefärbt haben.
Um dem Experiment die nötige Würze zu verleihen, ist der Künstler direkt am Berliner Google-Büro vorbeispaziert und hat dort ebenfalls einen Stau verursacht, den es in Wahrheit gar nicht gegeben hat. Die Frage ist natürlich, wie streng die Plausibilitätsprüfung von Google Maps ist und warum alle diese Smartphones tatsächlich als langsam fahrende oder gar stehende Autos erkannt wurden. GPS bietet zwar keine exakte Positionierung auf den Zentimeter, aber 99 Smartphones bzw. Autos auf so engem Raum und mit exakt gleichem Tempo sind auch für das grobe Netz unmöglich.
Google Maps hätte es genauso gut als 99 Fußgänger erkennen können, denn im Video sind auch mehrfach Autos und Fahrräder zu sehen, bei denen die Smartphones der Fahrer eigentlich völlig andere Daten melden. Google Algorithmen sind sehr gut darin zu erkennen, ob sich ein Nutzer zu Fuß, per Fahrrad, Auto oder im ÖPNV fortbewegt. Und weil diese Erkennung in dem Fall fehlgeschlagen ist, konnte es auch erst zu dem virtuellen Stau kommen.
In obigem Video ist die gesamte Szenerie zu sehen. Das Video ist leider ebenfalls etwas „kunstvoll“ und bietet einigen Spielraum für Interpretationen. Ist die Google Maps-Ansicht tatsächlich Live und zeigt schon nach wenigen Metern Bollerwagen-Ziehen einen Stau an? Das lässt sich leider nicht ohne Weiteres nachprüfen, es ist aber gut möglich, dass das Video zum Vorteil des Künstlers zusammengeschnitten wurde.
Die Aktion ist umstritten, war aber grundlegend ein „Spaß“. Problematisch ist das natürlich, wenn so etwas auf belebteren Strecken durchgeführt wird, denn dann sind nicht nur die Daten unkorrekt, sondern auch die Routenplanung und Navigation wird versuchen, diesem Stau aus den Weg zu gehen. Die Folge wäre, dass zahlreiche Fahrzeuge plötzlich andere Wege fahren und auf diesen dann erst Recht ein Stau entsteht.
Im Nachgang der Aktion wurde angekündigt, die Algorithmen weiter zu verbessern und solche Störaktionen in Zukunft besser zu erkennen. Das dürfte man mittlerweile getan haben und es ist gut möglich, dass das eines Tages wieder von einem Künstler „nachgeprüft“ wird.
Letzte Aktualisierung am 2024-11-16 / Bilder von der Amazon Product Advertising API / Affiliate Links, vielen Dank für eure Unterstützung!