Google hat am Dienstag die Geschäftszahlen für das 2. Quartal 2022 vorgelegt und konnte überraschend gute Ergebnisse präsentieren: Trotz bereits angedeuteter Krise konnte der Umsatz gesteigert werden und auch der Bruttogewinn lag höher als im Vorjahresquartal. Doch die noch-glänzende Fassade kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einige Baustellen und Kostentreiber im Unternehmen gibt.
Die Google-Mutter Alphabet gehört zu den wertvollsten Unternehmen der Welt und kann seit vielen Jahren stets zweistellig steigende Umsätze und Gewinne vermelden – doch wie lange kann das noch so weitergehen? Am Dienstag hat das Unternehmen die Quartalszahlen für das zweite Viertel 2022 vorgelegt und konnte gerade noch zweistellig wachsen: Der Umsatz stieg um knapp 11 Prozent, doch der Gewinn blieb bis auf eine Differenz von knapp 100 Millionen Dollar (was für Alphabet-Verhältnisse nicht viel ist) gleich. Der Nettogewinn sank allerdings um 2,5 Milliarden Dollar.
Alphabet besteht aus mehr als einem Dutzend Unternehmen und auch einige Google-Anteile werden seit einiger Zeit separat ausgewiesen. Ein Blick auf die Zusammensetzung von Umsatz und Gewinn zeigt, dass die Anteile sehr ungleichmäßig verteilt sind – aber bei weitem nicht überraschend. Der Löwenanteil der Umsätze stammt aus den „Google Services“, gefolgt von etwas mehr 6,2 Milliarden Dollar aus der Google Cloud und als Abschluss die „Other Bets“ mit gerade einmal 193 Millionen Dollar. Bei den Other Bets handelt es sich um alle anderen Alphabet-Unternehmen abseits von Google.
Das sind als Gesamtpaket gute Zahlen, die noch keinen Grund zur Sorge geben, doch dann gibt es da auch noch die andere Seite: Google ist nicht nur das mit riesigem Abstand stärkste Alphabet-Unternehmen, sondern auch das einzige, das Gewinn einfahren kann und alle anderen Aktivitäten stützen muss. Tatsächlich steigt der Verlust der anderen Alphabet-Unternehmen mit jedem Quartal weiter an und die bevorstehende Krise könnte dieses Konstrukt infrage stellen.
Google Cloud
Interessant sind aber nicht nur die Umsätze, sondern natürlich auch der Ertrag – und bei dem sieht es bitter aus. Google hat im 2. Quartal einen Gewinn von weit über 22 Milliarden Dollar eingefahren. Google Cloud, das zweite wichtige Standbein des Unternehmens Google, hat bei einem Umsatz von knapp 6,3 Milliarden Dollar hingegen einen Verlust von 858 Millionen Dollar eingefahren. Damit hat Google Cloud das Alphabet-Ergebnis allein in den ersten beiden Quartalen des Jahres mit 1,7 Milliarden Dollar belastet!
Google hat sich schon vor einigen Jahren das Ziel gesetzt, innerhalb von fünf Jahren mehr Umsatz (und Gewinn) mit den Cloud-Produkten zu erzielen, als mit Werbung. Dieses Ziel wollte man nach damaligen Planungen im Jahr 2022 erreichen – doch ganz offensichtlich ist man meilenweit davon entfernt. Zwar steigt der Umsatz von Quartal zu Quartal, aber wenn man daraus nach gut einem Jahrzehnt keinen Gewinn ziehen kann und der Verlust von Quartal zu Quartal steigt, läuft etwas schief. Natürlich bringt ein solcher Bereich auch hohe Investitionen mit sich, aber wie lange soll das noch so gehen? Prinzipiell ist Google seit 20 Jahren ein „Cloud-Unternehmen“ und hat somit eine solide Basis, was die Infrastruktur betrifft.
Aber auch Google Cloud ist längst kein Neuling mehr, sondern wurde in der Form vor 14 Jahren (!) aus der Taufe gehoben – da sollte irgendwann auch einmal ein Gewinn herausspringen. Stattdessen bewegen sich die Verluste stets im hohen dreistelligen Millionenbereich. Wird man das jemals wieder reinholen können? Ich sehe das extrem skeptisch und denke nicht, dass man in absehbarer Zukunft den Amazon-Moment erleben wird: Nach jahrelangen Verlusten mit immensen Investitionen plötzlich den Turnaround zu schaffen. Dazu kommt, dass Google Cloud vermutlich auch intern gestützt wird und Umsätze einiger anderer Abteilungen (etwa Stadia) für sich verbuchen kann.
Other Bets
Bei den Alphabet-Unternehmen sieht es noch schlimmer aus. Alphabet ist bald acht Jahre alt und die darin enthaltenen Projekte haben in vielen Fällen schon eine deutlich längere Geschichte. Ganz persönlich sehe ich kein Projekt, das eines Tages die hohen Investitionen wieder reinholen könnte. Waymo dürfte der größte Kostentreiber sein und hat bis heute kein tragfähiges Geschäftsmodell gefunden, das hohe Gewinne verspricht. Um den Taxidienst ist es in den letzten Monaten auch verdächtig ruhig geworden.
Ich habe schon Anfang des Jahres in meine Glaskugel geblickt und Alphabet als gescheitert betrachtet. In über sieben Jahren ist keine einzige der großen Wetten aufgegangen, obwohl sie zum Teil schon jahrelang unter dem Dach von Google entwickelt wurden. Kein Projekt kann nennenswerte Umsätze erwirtschaften, viele wurden in den vergangenen Jahren eingestellt und es kommt kaum neues nach. Auch die damals in Aussicht gestellten großen Übernahmen sind ausgeblieben. Alles was unter dem Alphabet-Dach irgendwie interessant ist, stammt aus dem Hause Google.
Alphabet ist mit den aktuell bekannten Projekten gescheitert. Zumindest aus meiner Sicht. Es ist möglich, dass man da intern an etwas ganz Großem dran ist und bald den Turnaround schafft, aber das sehe ich ehrlich gesagt selbst mit dem Fernrohr nicht am Horizont. Ich halte es für bezeichnend, dass Sundar Pichai als Google-CEO auch Alphabet nebenbei mitmanagen kann. Die „Other Bets“ hatten im gesamten Jahr 2021 einen Umsatz von 753 Millionen Dollar erwirtschaftet und einen Verlust von 5,28 Milliarden Dollar eingefahren. Tendenz steigend! Im ersten und zweiten Quartal 2022 hat man einen Umsatz von 630 Millionen Dollar erwirtschaftet und dabei 2,8 Milliarden Dollar verbrannt!
Einziger Lichtblick, der allerdings nur eine Verschiebung ist: Das Google-Werbegeschäft könnte zu Alphabet ausgelagert werden. Das brächte allerdings nur das Ergebnis, dass „Google Inc“ plötzlich Verluste einfährt und „Google Ads“ dann der einzige Gewinnbringer bei Alphabet ist.
Google kommt nicht von der Werbung los
Aber auch bei Google sieht es hinter der Fassade längst nicht so rosig aus, wie man denken würde: Das Unternehmen ist nach wie vor zu 88 Prozent vom Werbeumsatz abhängig. Vor zehn Jahren waren es knapp 90 Prozent, was von Anlegern immer wieder als große Gefahr gesehen wurde. Einen echten Erfolg konnte man nicht verbuchen, denn bis man ein ähnlich lukratives Geschäftsfeld gefunden hat, wird wohl noch sehr viel Zeit vergehen. App-Umsätze, gekaufter Speicherplatz, Abo-Dienste und der Hardware-Verkauf bleiben weiterhin (für Google-Verhältnisse) ein Nebengeschäft. Und dass die Google Cloud bisher noch nicht abgehoben ist, habe ich bereits beschrieben. 2022 sollte Google Cloud mehr erwirtschaften als das Werbegeschäft – so die damalige Vorgabe. Doch im ersten Halbjahr steht es 116 Milliarden zu 12 Milliarden.
Grundsätzlich wäre diese Abhängigkeit kein Problem, denn die Konkurrenzsituation hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Dennoch sind die Traffic Acquisition Costs (TAC) immer weiter gestiegen und lagen allein im ersten Halbjahr bei 24,2 Milliarden Dollar. Darin enthalten sind alle Kosten, die man zur Aufrechterhaltung des Traffics benötigt – so wie etwa der Einkauf der Standardsuchmaschine bei Apple, im Firefox-Browser, bei Samsung und einigen anderen Unternehmen. Das sind 3,4 Milliarden Dollar mehr als im Vorjahr-Halbjahr (!)
Man muss sich um Google sicherlich noch keine Sorgen machen, aber ich sehe als absoluter Finanz-Laie eine Gefahr darin, dass das ganze Kartenhaus irgendwann implodiert. Ein irgendwann nicht unmöglicher starker Einbruch des Werbegeschäfts kann sehr schnell eine Kettenreaktion auslösen, denn alles basiert darauf, dass dieses immer weiter wächst. Man müsste schleunigst einen Geschäftsbereich finden, der das auffängt. Doch das ist bisher weder mit Hardware, noch mit Apps, mit Cloud-Angeboten oder den zahlreichen Alphabet-Unternehmungen gelungen…