Google wird der Smartwatch-Plattform Wear OS in Kürze den großen Neustart spendieren, der vor allem durch die bevorstehende Pixel Watch angetrieben werden soll. Diese enge Verknüpfung der eigenen Hardware mit der neuen Betriebssystem-Version ist sehr riskant und es ist gut möglich, dass Google die größten Chancen schon verspielt hat, bevor der Neustart überhaupt über die Bühne gegangen ist. Man hat sich keinen Gefallen getan.
Obwohl Smartwatches eine gewisse Verwandtschaft mit Smartphones haben und meist auf eine ständige Verbindung zwischen den beiden Geräten angewiesen sind, kam Google in diesem Bereich viele Jahre nicht voran. Bei Android Wear gab es niemals echte Ambitionen, sondern es wurde eher aus der Not heraus geboren. Aber auch mit der zweiten Version wurde es nicht besser, der Wandel zu Wear OS brachte keine großen Schritte und selbst der erste softe Wear OS-Neustart ist vollständig verpufft und hatte selbst rückblickend kein Highlight zu bieten.
Kein Wunder, dass der nächste Wear OS-Neustart zwar einiges an Begeisterung, aber auch viel Skepsis hervorgebracht hat. Zwar ist man noch weit vom Messenger-Stadium entfernt, doch die Erwartungshaltung dürfte bei vielen Beobachtern von Beginn an sehr niedrig sein. Googles Strategie der Salami-Verkündung mit sehr langen Wartezeiten, wenig konkreten Aussagen und nichtssagenden Teasern scheint das von Anfang an bestätigt zu haben.
Jetzt stehen wir nach langer Zeit tatsächlich kurz vor der Verkündung und offiziellen Präsentation des Betriebssystems und die Vorzeichen könnten eigentlich schlechter kaum sein. Das neue Wear OS wird hauptsächlich mit zwei Geräten in Verbindung gebracht, die den Markt aus Android-Sicht allein aber kaum retten können: Samsung Galaxy Watch 4 und die hauseigene Pixel Watch.
Google hat Wear OS-Neustart im November 2019 verkündet
Im November 2019 – das ist mittlerweile zweieinhalb Jahre her – hat Google nicht nur die angestrebte Übernahme von Fitbit verkündet, sondern auch die neuen Ambitionen im Smartwatch- und Wearable-Bereich. Konkrete Details nannte man nicht, aber dass es auch nach über zweieinhalb Jahren noch nichts zu verkünden gibt, ist schon sehr merkwürdig. Immerhin will man keine Raketenwissenschaft betreiben, sondern nur einen Markt optimieren, in dem man schon seit mehreren Jahren aktiv ist. Die Fitbit-Übernahme kam auch nicht „spontan“, sondern man muss bereits längere Zeit zuvor Pläne verfolgt haben.
Es wird wohl viele Verzögerungen gegeben haben, die kaum erklärbar sind. Wollte man das neue Wear OS unbedingt mit der Pixel Watch neu präsentieren? Das wäre eine Erklärung, doch dann passt der Samsung-Deal überhaupt nicht herein. Und auch dieser kam alles andere als spontan, sondern war von langer Hand geplant.
Samsungs Wear OS-Exklusivität
Samsung konnte das neue Wear OS schon seit Herbst vergangenen Jahres exklusiv nutzen. Für Wear OS und die Samsung Galaxy Watch 4 hat man sogar das eigene Betriebssystem Tizen fallengelassen. Google hat das neue Wear OS damals aber nur so knapp wie möglich erwähnt und will diesen Soft-Neustart am liebsten verschweigen. Warum? Es lässt sich schwer sagen, ob Google Samsungs Einstieg „gekauft“ hat oder ob Samsung an Google für diese Exklusivität zahlt. Irgendeine Vereinbarung wird es geben, doch rückblickend war es für beide Unternehmen wenig vorteilhaft.
Der Google Assistant für die Samsung Galaxy Watch 4 ist bis heute nicht gestartet. Und die jüngsten Entwicklungen lassen vermuten, dass Samsung damit alles andere als glücklich ist. An vielen Stellen wird der Assistant bereits beworben, obwohl Google das Produkt nach wie vor zurückhält. Samsung dürfte darauf keinen Einfluss haben und wohl erst recht kurzfristig davon erfahren haben, dass der Assistant noch immer nicht bereit ist. Dafür spricht auch der Umgang mit den anderen Herstellern.
Google verprellt andere Hersteller
Alle Smartwatch-Hersteller, mit Ausnahme von Samsung, haben damals erst auf den Medien vom neuen Wear OS erfahren. Das gaben mehrere Unternehmen offiziell bekannt. Sie hatten keine Informationen, keinen Zugriff auf das neue Wear OS und konnten somit auch nichts über etwaige Updates verraten. Bis heute wissen wir nur von einer Handvoll Modellen, die ein Update erhalten. Doch zwischen Googles Ankündigung und dem Rollout vergeht so viel Zeit (über ein Jahr), dass die Update-Garantien der meisten Smartwatches ohnehin bis dahin auslaufen. Das wiederum dürfte die Smartwatch-Nutzer wenig begeistern.
Wear OS ist für die Pixel Watch
Man lässt also die Nutzer warten, die wichtigsten Partner im Dunkeln und verärgert den Neo-Partner Samsung. Das dürften schwere Zeiten für Googles Key Account Manager sein. Die gesamte Entwicklung scheint sich mit Tunnelblick auf die Pixel Watch zu konzentrieren, die den Markt aber mit Sicherheit nicht allein retten kann. Und selbst mit Samsung an Bord wird man die großen Ziele nicht erreichen können, sondern braucht die vielen weiteren Hersteller – vor allem die im klassischen Uhren-Segment.
Alles was wir bisher von Wear OS gesehen haben, war ganz nett. Aber selbst neue Leaks zeigen keinerlei Innovation, kein neu erfundenes Rad und erst recht keine Killerfunktion. Woran hat man denn die letzten zweieinhalb Jahre gearbeitet? Da kommen böse Erinnerungen an das Entwicklungstempo der letzten beiden Neustarts auf. Und wenn man dann nebenbei noch die wichtigsten Partner verärgert und Nutzer im Regen stehen lässt, kann man nur auf eine extrem starke Pixel Watch hoffen, die das wieder rausreißt.
Es ist bezeichnend, dass größere Smartphone-Marken wie Poco in diesen Tagen wieder Smartwatches vorstellen oder in den Markt einsteigen, ohne auf Googles Wear OS zu setzen.
Bei Apple wird man diese Entwicklung sehr entspannt beobachten, wohlwissend, dass man auch in den nächsten Jahren keine große Konkurrenz zu erwarten hat…