Vor wenigen Tagen ist eine echte Bombe geplatzt, die viele Beobachter wohl nicht so schnell erwartet hätten: Elon Musk übernimmt Twitter für 44 Milliarden Dollar. Das ist nicht nur viel Geld, sondern auch der Besitzerwechsel einer der wichtigsten digitalen Plattformen überhaupt. Und wieder einmal steht die Frage im Raum, ob nicht Google hätte Twitter kaufen sollen. Und das schon vor vielen Jahren oder vielleicht in der Zukunft.
Als 15 Jahre alte Plattform kann man Twitter wohl nicht mehr als Phänomen bezeichnen, aber dennoch gehört es für viele Menschen irgendwie in diese Kategorie. Viele wissen nichts damit anzufangen, aber dennoch haben Tweets eine enorme Bedeutung. Sie gehören seit mehreren Jahren zum Zeitgeist, denn viele prominente und mächtige Menschen nutzen die Plattform zur öffentlichen Kommunikation oder zur Verkündung ihrer Pläne. Das gilt nicht nur für Elon Musk selbst oder früher Donald Trump, sondern auch für unzählige weitere Menschen.
Dass Twitter nun in die Hände eines Mannes fällt, der die Plattform zu seinem Privatvergnügen kauft, wird mit gemischten Gefühlen gesehen. Aber wenn jemand Twitter voranbringen kann, dann ist es Musk. Auf der anderen Seite: Wenn jemand Twitter verändern und (vielleicht zu sehr) umbauen kann, dann ist es ebenfalls Musk. Die Zukunft von Twitter ist völlig offen und beim exzentrischen Milliardär kann schon ein kleiner Tweet reichen, um ihn plötzlich in eine völlig andere Richtung denken zu lassen.
Anders als bei seinen großen „Projekten“ Tesla, SpaceX, Neuralink, Boring Company & Co lassen sich Veränderungen beim Software-Produkt Twitter sehr schnell umsetzen. Heute ankündigen, drei Tage entwickeln und nächste Woche ausrollen. Das ist vielleicht etwas überspitzt dargestellt, aber bei dem Tempo, dass Musk immer wieder in allen Bereichen vorgibt, nicht undenkbar.
Der Kauf von Twitter war recht überraschend, denn eigentlich stand das Netzwerk gar nicht zum Verkauf. Vom ersten Einstieg bis zum Kaufangebot und der Annahme des Angebots vergingen nur sehr wenige Wochen. Hätte Twitter offiziell zum Verkauf gestanden, wären sicherlich viele weitere Gebote eingegangen – vielleicht auch wieder von Google. Denn das Unternehmen hat schon mehrfach Interesse an der Tweet-Plattform gezeigt.
Google wollte Twitter mehrfach übernehmen
Die Übernahme von Twitter wurde von Google / Alphabet mehrfach angestrebt, konnte aber bekanntlich niemals umgesetzt werden. Schon 2008, als Twitter noch in den twttr-Schuhen war, hatte Google-Gründer Larry Page einen Versuch gestartet. Doch das verlief schnell im Sande und man übernahm stattdessen die Konkurrenzplattform Jaiku. Die Übernahme war allerdings ein völliger Fehlschlag, den man sich weder damals noch heute erklären kann.
Jaiku wurde nicht weiterentwickelt, niemals beworben, praktisch nicht in das Google-Netzwerk integriert und selbst die Google-Produkte blieben bei Twitter, statt auf die eigene Plattform zu wechseln. Kein Wunder, dass man schon 2012 den Stecker zog. Und ernsthaft: Wer von euch kann sich ohne Google, Wikipedia oder das GWB-Archiv überhaupt an Jaiku erinnern? Ganz genau…
Es war aber nicht der einzige Versuch, denn in den folgenden Jahren soll man es noch mehrfach probiert haben. Zuletzt ist ein Versuch 2016 bekannt, der schon sehr konkret war, bei dem Google 20 Milliarden Dollar bot und der von einigen Medien schon als kurz bevorstehende Übernahme gesehen wurde. Woran es schlussendlich scheiterte, ist nicht bekannt.
Hätte Google Twitter kaufen sollen?
Twitter ist sicherlich ein Rohdiamant, der trotz des riesigen Erfolgs noch immer auf der Suche nach der Richtung und einem lukrativen Geschäftsmodell ist. Man mag kaum glauben, dass Twitter nur einen Bruchteil des Umsatzes von Facebook, Instagram oder YouTube hat – trotz ähnlicher Bedeutung und Reichweite. In Sachen Monetarisierung hätte Google die Plattform sicherlich nach vorn bringen können. Wie es mit der Strategie und Googles berüchtigten Social Media-Erfahrungen aussieht, ist wieder eine andere Sache.
Gut möglich, dass man den verpassten Kauf noch bereuen wird. Aus meiner Sicht ist Twitter noch heute das, was YouTube 2007 war. Google übernahm die Videoplattform für bescheidene 1,6 Milliarden Dollar und hat sie bis heute eigenständig gehalten. Das ist genau das, was man auch mit Twitter hätte tun können.
Wird Google noch zuschlagen?
Ich denke, dass Elon Musk in den nächsten Wochen und Monaten einige Visionen für Twitter skizzieren und diese auch umsetzen wird. Doch der Milliardär ist auch wechselhaft und könnte schnell das Interesse verlieren. Weil er Twitter als Privatperson übernommen hat, würde ich auch einen schnellen Verkauf nicht ausschließen. Sollte er die Plattform zum Verkauf stellen, könnte Google wieder zuschlagen und sich die Plattform sichern, die eigentlich sehr gut zum Unternehmen passt.
Wie ich schon schrieb, bilden Tweets einen wichtigen Teil des Zeitgeists ab. Kein Wunder, dass Tweets seit vielen Jahren prominent durch eine eigene Darstellung in der Google Websuche zu finden sind. Zu Googles Mission, alle Informationen der Welt zu digitalisieren, konservieren und dauerhaft zugänglich zu machen, passt Twitter perfekt. Daher wäre es auch sehr schade, wenn es aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen in Zukunft zu einem Ende der Zusammenarbeit kommen wird.
Twitter wird nicht an Bedeutung verlieren, sondern eher noch gewinnen. Über viele Jahre hatte man die Chance, eine große Rolle bei der Plattform zu spielen. Selbst Google+ hatte Anlehnungen an Twitter, auch wenn es eher als Facebook-Konkurrent konzipiert war. Sollte es noch einmal die Möglichkeit geben, sich bei Twitter zu beteiligen oder die Plattform vollständig zu übernehmen, sollte Google meiner Meinung nach zuschlagen…