Google hat am Dienstag die Geschäftszahlen für das 1. Quartal 2022 vorgelegt und konnte wieder sehr gute Ergebnisse präsentieren: Der Umsatz ist erneut stark angestiegen und nach dem Rekordjahr 2021 geht es wohl auch 2022 nur in eine Richtung: Nach oben. Doch die glänzende Fassade kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einige Baustellen und Kostentreiber im Unternehmen gibt.
Die Google-Mutter Alphabet gehört zu den wertvollsten Unternehmen der Welt und kann seit vielen Jahren stets zweistellig steigende Umsätze und Gewinne vermelden – doch wie lange kann das noch so weitergehen? Am Dienstag hat das Unternehmen die Quartalszahlen für das erste Viertel 2022 vorgelegt und konnte einen sehr starken Umsatz- und Gewinnzuwachs vermelden: Der Umsatz stieg um gut 23 Prozent und auch beim Gewinn legte man innerhalb eines Jahres um mehr als drei Milliarden Dollar zu. Durch Abschreibungen in Höhe von mehr als fünf Milliarden Dollar gab es allerdings einen Rückgang des Netto-Gewinns.
Alphabet besteht aus mehr als einem Dutzend Unternehmen und auch einige Google-Anteile werden seit einiger Zeit separat ausgewiesen. Ein Blick auf die Zusammensetzung von Umsatz und Gewinn zeigt, dass die Anteile sehr ungleichmäßig verteilt sind – aber bei weitem nicht überraschend. Der Löwenanteil der Umsätze stammt aus den „Google Services“, gefolgt von etwas mehr 5,8 Milliarden Dollar aus der Google Cloud und als Abschluss die „Other Bets“ mit überraschen hohen 440 Millionen Dollar. Bei den Other Bets handelt es sich um alle anderen Alphabet-Unternehmen abseits von Google.
Das sind sehr starke Zahlen, die überhaupt keinen Grund zur Sorge geben, doch dann gibt es da auch noch die andere Seite: Google ist nicht nur das mit riesigem Abstand stärkste Alphabet-Unternehmen, sondern auch das einzige, das Gewinn einfahren kann und alle anderen Aktivitäten stützen muss. Tatsächlich steigt der Verlust der anderen Alphabet-Unternehmen mit jedem Quartal weiter an.
Google Cloud
Interessant sind aber nicht nur die Umsätze, sondern natürlich auch der Ertrag – und bei dem sieht es bitter aus. Google hat im 1. Quartal einen Gewinn von über 20 Milliarden Dollar eingefahren. Google Cloud, das zweite wichtige Standbein des Unternehmens Google, hat bei einem Umsatz von 5,8 Milliarden Dollar hingegen einen Verlust von 931 Millionen Dollar eingefahren. Allein im Jahr 2021 hatte Google Cloud das Alphabet-Ergebnis mit 3,1 Milliarden Dollar belastet.
Google hat sich schon vor einigen Jahren das Ziel gesetzt, innerhalb von fünf Jahren mehr Umsatz (und Gewinn) mit den Cloud-Produkten zu erzielen, als mit Werbung. Dieses Ziel wollte man nach damaligen Planungen im Jahr 2022 erreichen – doch ganz offensichtlich ist man davon meilenweit entfernt. Zwar steigt der Umsatz von Quartal zu Quartal, aber wenn man daraus nach gut einem Jahrzehnt keinen Gewinn ziehen kann, läuft etwas schief. Natürlich bringt ein solcher Bereich auch hohe Investitionen mit sich, aber wie lange soll das noch so gehen? Prinzipiell ist Google seit 20 Jahren ein „Cloud-Unternehmen“ und hat somit eine solide Basis, was die Infrastruktur betrifft.
Aber auch Google Cloud ist längst kein Neuling mehr, sondern wurde in der Form vor 14 Jahren (!) aus der Taufe gehoben – da sollte irgendwann auch einmal ein Gewinn herausspringen. Stattdessen bewegen sich die Verluste stets im hohen dreistelligen Millionenbereich. Wird man das jemals wieder reinholen können? Ich sehe das extrem skeptisch und denke nicht, dass man in absehbarer Zukunft den Amazon-Moment erleben wird: Nach jahrelangen Verlusten mit immensen Investitionen plötzlich den Turnaround zu schaffen. Dazu kommt, dass Google Cloud vermutlich auch intern gestützt wird und Umsätze einiger anderer Abteilungen (etwa Stadia) für sich verbuchen kann.
Other Bets
Bei den Alphabet-Unternehmen sieht es noch schlimmer aus. Alphabet ist nun schon wieder sieben Jahre alt und die darin enthaltenen Projekte haben in vielen Fällen schon eine deutlich längere Geschichte. Ganz persönlich sehe ich kein Projekt, das eines Tages die hohen Investitionen wieder reinholen könnte. Waymo dürfte der größte Kostentreiber sein und hat bis heute kein tragfähiges Geschäftsmodell gefunden, das hohe Gewinne verspricht. Um den Taxidienst ist es in den letzten Monaten auch verdächtig ruhig geworden.
Ich habe schon Anfang des Jahres in meine Glaskugel geblickt und Alphabet als gescheitert betrachtet. In sieben Jahren ist keine einzige der großen Wetten aufgegangen, obwohl sie zum Teil schon jahrelang unter dem Dach von Google entwickelt wurden. Kein Projekt kann nennenswerte Umsätze erwirtschaften, viele wurden in den vergangenen Jahren eingestellt und es kommt kaum neues nach. Auch die damals in Aussicht gestellten großen Übernahmen sind ausgeblieben. Alles was unter dem Alphabet-Dach irgendwie interessant ist, stammt aus dem Hause Google.
Alphabet ist mit den aktuell bekannten Projekten gescheitert. Zumindest aus meiner Sicht. Es ist möglich, dass man da intern an etwas ganz Großem dran ist und bald den Turnaround schafft, aber das sehe ich ehrlich gesagt selbst mit dem Fernrohr nicht am Horizont. Ich halte es für bezeichnend, dass Sundar Pichai als Google-CEO auch Alphabet nebenbei mitmanagen kann. Die „Other Bets“ hatten im gesamten Jahr 2021 einen Umsatz von 753 Millionen Dollar erwirtschaftet und einen Verlust von 5,28 Milliarden Dollar eingefahren. Tendenz steigend! Zwar hat man jetzt im ersten Quartal den Umsatz mehr als verdoppeln können (440 Millionen Dollar), doch auch der Verlust ist mit 1,155 Milliarden Dollar gestiegen.
Google kommt nicht von der Werbung los
Aber auch bei Google sieht es hinter der Fassade längst nicht so rosig aus, wie man denken würde: Das Unternehmen ist nach wie vor zu 88 Prozent vom Werbeumsatz abhängig. Vor zehn Jahren waren es knapp 90 Prozent, was von Anlegern immer wieder als große Gefahr gesehen wurde. Einen echten Erfolg konnte man also nicht verbuchen, denn bis man ein ähnlich lukratives Geschäftsfeld gefunden hat, wird wohl noch sehr viel Zeit vergehen. App-Umsätze, gekaufter Speicherplatz, Abo-Dienste und der Hardware-Verkauf bleiben weiterhin (für Google-Verhältnisse) ein Nebengeschäft. Und dass die Google Cloud bisher noch nicht abgehoben ist, habe ich bereits beschrieben. 2022 sollte Google Cloud mehr erwirtschaften als das Werbegeschäft – so die damalige Vorgabe. Doch im ersten Quartal steht es 54 Milliarden zu 6 Milliarden.
Grundsätzlich wäre diese Abhängigkeit kein Problem, denn die Konkurrenzsituation hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Dennoch sind die Traffic Acquisition Costs (TAC) immer weiter gestiegen und liegen allein im ersten Quartal bei 11,99 Milliarden Dollar. Darin enthalten sind alle Kosten, die man zur Aufrechterhaltung des Traffics benötigt – so wie etwa der Einkauf der Standardsuchmaschine bei Apple, im Firefox-Browser, bei Samsung und einigen anderen Unternehmen. Das sind 2,2 Milliarden Dollar mehr als im Vorjahr (!)
Man muss sich um Google sicherlich keine Sorgen machen, aber ich sehe als absoluter Finanz-Laie eine Gefahr darin, dass das ganze Kartenhaus irgendwann implodiert. Ein irgendwann nicht unmöglicher starker Einbruch des Werbegeschäfts (siehe die „Cookie-Gefahr“) kann sehr schnell eine Kettenreaktion auslösen, denn alles basiert darauf, dass dieses immer weiter wächst. Man müsste schleunigst einen Geschäftsbereich finden, der das auffängt. Doch das ist bisher weder mit Hardware, noch mit Apps, mit Cloud-Angeboten oder den zahlreichen Alphabet-Unternehmungen gelungen…