Googles neues Betriebssystem Fuchsia befindet sich seit sieben Jahren in der Entwicklung und scheint selbst intern noch immer keine Strategie für den breiten Rollout gefunden zu haben. Die jüngsten Schlagzeilen rund um das Projekt sind ein wenig beunruhigend und lassen erneut die Frage aufkommen, ob es überhaupt gebraucht wird und wo Google es eigentlich einsetzen möchte. Nicht ausgeschlossen, dass das Projekt schon bald eingestellt wird.
Obwohl Google nicht offiziell über Fuchsia spricht, und das bis auf das allernötigste auch niemals getan hat, gab es schon ein mehrfaches Auf und Ab des Projekts. Vom „Android-Killer“, wie es in den ersten beiden Jahren in den Medien genannt wurde, über den „Chrome OS-Killer“ bis hin zum neuen Allround-Betriebssystem war alles dabei. Aber auch von einer einfachen Spielwiese, einem simplen Spaßprojekt oder einer so ernsthaften Ambition wie bei einer neuen Messenger-App war die Rede.
Nachdem Google Anfang 2020 die grafischen Benutzeroberflächen zurückgezogen hat, die während der Testphase zum Einsatz kamen und die Allround-Fähigkeiten bewiesen haben, wurde es sehr still um das Betriebssystem. Erst 2021 begann es wieder interessant zu werden, als es eindeutige Hinweise für das Durchlaufen der Dogfood-Phase gegeben hat. Es standen sogar schon Release Candidates vor der Tür und der Höhepunkt war ohne Frage, dass Fuchsia auf Nest Smart Displays der ersten Generation ausgerollt wurde.
Doch der Höhepunkt war auch gleichzeitig der kommunikative Tiefpunkt. Obwohl man bei einem Consumer-Produkt das Betriebssystem ausgetauscht und damit eine sehr große Veränderung vorgenommen hat (auch wenn die Nutzer es nicht bemerkt haben), wurde das nicht angekündigt. Nur das allernötigste wurde kommuniziert. Es zeigte sich, dass Fuchsia selbst bei einem Rollout nicht aus der Deckung gehen wird.
Kommt es auf weitere Smart Displays?
Seit dem Rollout auf das Nest Hub Smart Display warten viele Nutzer auf den Rollout weiterer Geräte. Doch selbst die eigenen Smart Displays hat man nicht mit Fuchsia versorgt und wird das wohl auch nicht mehr tun. Stattdessen hat man vor wenigen Tagen ein großes Update auf die Smartphones gebracht, das eher nach Android aussah und sicherlich nicht auf das neue Betriebssystem wartet. Und wenn Nest Hub 2 schon nicht auf Fuchsia setzt, scheint das auch beim kommenden Smart Display mit Tablet-Funktion nicht sehr wahrscheinlich.
Es hat den Anschein, als wenn der Rollout von Fuchsia auf die Nest Hub Smart Displays einfach nur ein Testlauf gewesen ist, den man soweit wie möglich verschleiern wollte. Rückblickend betrachtet gab es wohl kein besseres Gerät, auf dem man das hätte testen können. Denn auf dem Smart Display waren die Auswirkungen für Endnutzer so gering, dass man es ohne Ankündigung durchführen konnte. Doch weil der Testlauf nicht fortgesetzt wurde, war es wohl kein Erfolg.
Fuchsia verliert die einzige Geräteklasse
Ich hatte hier im Blog schon vor einigen Monaten aus ganz eigener Sicht analysiert, welch Geräteklassen für Fuchsia in Frage kommen und bis auf Smart Displays ist praktisch nichts übrig geblieben. Natürlich kann es in Zukunft ganz neue Geräteklassen geben, doch aus heutiger Sicht sind es nur die Smart Home-Bildschirme. Doch diese scheint man nun an Android zu verlieren, denn die Zeichen stehen darauf, dass Google das auf so vielen Plattformen erfolgreiche Betriebssystem auch auf Smart Displays bringt.
Ausgerechnet Android
Dass es ausgerechnet Android ist, das Fuchsia von den Smart Displays vertreibt, ist schon eine Ironie des Schicksals. Immerhin ist Fuchsia als Android-Killer angetreten (siehe oben) und nun erweist sich Android als Fuchsia-Killer. Damals wie heute wollte Android-Chef Hiroshi Lockheimer nichts von Fuchsia wissen und vielleicht ist es kein Zufall, dass sich Android auch in Richtung Smart Dislays orientiert. Mehrfache Einblicke in Googles interne Strategien zeigen, dass auch einzelne Produkte untereinander in Konkurrenz stehen. Dadurch konnte der Android-Chef auch ein wenig Einfluss auf Fuchsia nehmen.
Aber was bleibt dann noch für Fuchsia? Das Projekt wurde offiziell niemals angekündigt, der Rollout verschwiegen, das Interesse der Öffentlichkeit ist längst auf dem Tiefpunkt und nun hat man auch noch die einzige Geräteklasse verloren. Da kann man als Teil des Fuchsia-Teams schon Mal die Motivation verlieren:
Chefentwickler verlässt das Projekt
Vor wenigen Tagen hat Fuchsia Chefentwickler das Team verlassen. Er verließ nicht nur das Team, sondern gleich das Unternehmen Google – was nicht gerade für einen einvernehmlichen Abtritt von dieser Position spricht. Aus der kurzen Ankündigung geht hervor, dass der Manager Fuchsia als „sein Projekt“ betrachtet – zumindest ist das Statement sehr stark Ich-bezogen. Das lässt den Verlust für das gesamte Projekt noch einmal schwerer wiegen. Auch wenn es ein völlig anderes Produkt ist, erinnert das ein wenig an den damaligen Abschied von Vic Gundotra, dem „Vater von Google+“.
Gerade in der IT-Branche sind solche Rotationen der Managerposten nichts Besonderes, aber in diesem Fall ist das ein bisschen anders. Wenn es im Abschied heißt, dass „Ich“ Fuchsia vor sieben Jahren gestartet habe, dann verlässt man das Projekt doch nicht kurz vor dem Durchbruch und dem breiten Rollout. Vermutlich lagen die Vorstellungen des Managers und des Unternehmens zu weit auseinander. Und wenn man sich Googles Strategien und Plattformen anschaut, dann bleibt da tatsächlich kein Platz für Fuchsia. Siehe dazu meine Beiträge für die möglichen Fuchsia-Geräte und warum Fuchsia nicht mehr gebraucht wird.
Auch hier im Blog schwanken meine Artikel vom Durchbruch bis zum Abschied, ist mir bewusst. Das zeigt einfach, wie wenig Informationen es vom Unternehmen gibt und wie schnell sich so etwas ändern kann. Der Smart Display-Wechsel auf Android war nicht absehbar (ist ja auch noch nicht offiziell) und kam daher überraschend. Aber welche Zukunft könnte es für Fuchsia geben? Aus heutiger Sicht: Gar keine…
» Fuchsia: So könnt ihr Googles neues Betriebssystem auf einem Computer testen