Google hat in den letzten Tagen ein wahres Update-Feuerwerk auf die Android-Welt losgelassen, bestehend aus neuen Versionen, Feature Drops, Betas und Developer Previews. Als Pixel-Nutzer kann man sich darüber eigentlich nicht beklagen, doch in diesem Umfang stellt es sowohl Nutzer als auch Entwickler vor Herausforderungen. Vielleicht wird es Zeit, den ganzen Prozess der Vorabversionen zu überdenken und gegebenenfalls auch die Versionsnummern in den Hintergrund rücken zu lassen.
Bis vor wenigen Monaten war es so, dass es einmal pro Jahr eine neue stabile Android-Version und ebenso einmal im Jahr eine Vorabversion gibt. Diese beiden haben sich abgewechselt und das Jahr in etwa ziemlich zur Hälfte geteilt: Sechs Monate Vorabversion und anschließend sechs Monate stabile Version mit ruhendem Beta-Channel. Das war gut planbar und hat dafür gesorgt, dass man als Pixel-Nutzer wenigstens sechs Monate lang das Gefühl haben konnte, auf der aktuellen Version unterwegs zu sein.
Ich habe bereits einen Überblick über die aktuelle Situation gegeben, die tatsächlich mehrere Vorabversionen gleichzeitig in der Schwebe lässt. Android 12 ist seit einigen Monaten am Markt, wurde nun auf den Pixel-Smartphones durch Android 12L ersetzt, das aber unter dem Deckmantel „Android 12“ auftritt. Damit haben wir schon einmal den Unterschied Android 12 auf allen Smartphones und Android 12L auf den Pixel-Smartphones. Dazu kommt die Android 13 Developer Preview sowie jetzt ganz neu die Android 12 QPR3 Beta.
Damit gibt es im Moment vier verschiedene Android-Versionen, die auf den Pixel-Smartphones installiert sein könnten. Die Unterschiede mögen zu großen Teilen marginal sein, aber es sind nach öffentlicher Darstellung vier verschiedene Versionen mit unterschiedlichen Bezugsquellen. Das kann auf Dauer nicht gut gehen, denn schon heute scheinen Googles Entwickler überfordert zu sein und keine Zeit mehr zum Testen zu haben.
Die unterschiedlichen Android-Stufe
Android durchläuft nicht nur intern mehrere Testreihen, sondern auch öffentlich unter den Augen der mutigen Nutzer: Es gibt die Developer Previews, die Betas und dann in einigen Fällen auch noch die Release Candidates, die man aber mittlerweile in der offiziellen Kommunikation nicht mehr als solche bezeichnet. Wir haben also mindestens die drei Stufen Developer Preview, Beta und Stable. Das ist aber nur das Betriebssystem selbst, denn monatlich gibt es auch noch die Sicherheitsupdates.
Die Updates der stabilen Versionen werden von Google oder dem Smartphone-Hersteller direkt und ohne große Nachfrage (es ist eher eine Information) ausgerollt. Die Beta lässt sich optional über den Beta-Kanal beziehen und eine Developer Preview muss man manuell herunterladen und flashen. Das sind drei verschiedene Wege, die sich in der Vergangenheit etabliert haben. Es basiert auch ein wenig auf den Kenntnissen der Nutzer. Wer Ahnung hat, kann die Preview flashen und weiß worauf er sich einlässt. Möchte man es gemütlich und ohne Risiko tut man einfach gar nichts.
Google verschiedene Update-Kanäle einführen?
Doch jetzt hat Google sowohl die QPR-Betas für die Quartalsweise geplanten Updates als auch im nächsten Monat die Android 13 Beta. Dazu Android 12 und Android 12L und wer weiß, ob und wann man auch die monatlichen Sicherheitsupdates in Zukunft schon einige Tage zuvor als Vorabversion freischaltet. Es würde sich empfehlen, auf ein anderes Modell zu wechseln, denn Google hat zwar die Beta einfach gestaltet, macht aber den Sprung zwischen den Versionen kompliziert. Für ein Downgrade oder den Kanalwechsel wird ein Factory Reset notwendig.
Vorbild Chrome OS
Man könnte Android ähnlich wie Chrome OS aufbauen, das bekanntlich wie der Chrome-Browser über verschiedene Kanäle verfügt: Es gibt den stabilen Kanal für die Masse der Nutzer, den Beta-Channel, einen Dev-Channel und für ganz experimentierfreudige sogar noch einen Canary Channel. Bis auf Canary entspricht das so ziemlich dem, was wir bei Android haben. Der Unterschied ist, dass bei Chrome alles auf dem gleichen Weg ausgespielt werden kann, wenn man sich zuvor für einen Kanal entschieden hat.
Jetzt wird es ganz wild: Bei Chrome (nicht Chrome OS) ist es sogar möglich, mehrere Versionen parallel zu nutzen – sogar unter Android. Wie wäre es denn, wenn man durch einen abgesicherten Dual Boot zwei Versionen parallel nutzen könnte? Ein noch zu entwickelnder Bootmanager könnte den Wechsel zwischen der stabilen und experimentellen Version ermöglichen. Klingt für Android verrückt, wäre aber technisch aus meiner Sicht umsetzbar.
Braucht es noch Versionsnummern?
Google hat sich schon vor einigen Jahren von den süßen Bezeichnungen der Android-Version verabschiedet, warum dann nicht auch von der Versionsnummer? Dass Android 12L neuer ist als das aktuelle Android (Dev Preview 1) und Android 12 QPR3 Beta noch einmal aktueller ist als Android 12L, ist schwer zu vermitteln. Wichtig ist aber nicht die Bezeichnung, sondern der von der jeweiligen Betriebssystem-Version genutzte API-Level. Das ist eine für Entwickler relevante Angabe, von der man als Endnutzer aber normalerweise nichts mitbekommt.
Natürlich muss es eine Versionierung geben, aber man könnte einfach jedes Mal vom „neuen Android“ sprechen und die Versionsnummer weitestgehend verstecken. Bei Chrome ist das ähnlich. Das 100er-Jubiläum werden jetzt viele Nutzer mitbekommen, aber davor und danach interessiert sich außerhalb der Tech-Blase niemand für die Versionsnummer des Browsers. Das ist so interessant wie die Versionsnummer diverser Google-Apps, die selbst hartgesottene Nutzer wohl nur in Ausnahmefällen benennen können.
Damit würde man nicht nur hinter den Kulissen, sondern auch vordergründig für Ordnung sorgen. Ein Android 12L wäre dann einfach nur ein „Android-Update für große Displays“ geworden. Ein Android 13 wäre das jährliche „neue Android“ und so etwas wie ein Android 12 QPR3 gibt es in den Augen der Masse sowieso nicht bzw. sie müssten dafür in den jeweiligen Update-Kanal wechseln. Ich denke, es könnte sinnvoll sein. Selbst bei Hardware lässt Google oftmals die Versionsnummer weg und sogar bei den Pixel-Smartphones hatte man immer wieder mal damit experimentiert, das neueste Geräte einfach „das neue Pixel“ zu nennen, ohne die Versionsnummer anzuhängen.