Zwischen den einstigen Partnern Google und Sonos herrscht schon seit langer Zeit dicke Luft und nach dem jüngsten Urteil bekommen das auch die Nutzer zu spüren. Das ist eine unschöne Situation, an der Google auch mit Blick in die Zukunft arbeiten sollte – es aber vielleicht nicht kann. Die einfachste Lösung wär es wohl, wenn Google Sonos übernehmen würde. Tatsächlich gäbe es mehrere Gründe, die dafür sprechen.
Der Rechtsstreit zwischen Sonos und Google schwelt schon seit mehreren Jahren und fand seinen bisherigen Höhepunkt in der Klage Sonos gegen Google. Damals hieß es, dass man sich nicht mit Google einigen konnte, was die Nutzung von Technologien im Audio-Bereich – allen voran der Smart Speaker – angeht. Man habe an mehreren Projekten gemeinsam gearbeitet und dabei Technologien entwickelt, die später von Google ohne Erlaubnis bzw. Lizenzierung verwendet wurden. Der Knatsch soll damit begonnen haben, dass Google keine parallele Nutzung mehrere Sprachassistenten erlaubt haben soll, was technisch aber problemlos möglich gewesen wäre.
Schon von Anfang an war klar, dass die Chancen für Sonos sehr gut stehen und Google nach einem langen Verfahren als Verlierer hervorgehen wird. Es ist also nicht so, dass Google vom Urteil in der vergangenen Woche überrascht wurde und nun Hals-über-Kopf reagieren muss. Stattdessen konnte man sich knapp zwei Jahre darauf vorbereiten und hat schon zum Beginn dieser Woche die erste Funktion zurückgezogen. Es wird nicht die letzte sein und derzeit ist nicht absehbar, wann die gemeinsame Lautstärkeregelung wieder zurückkehren kann.
Google hat die bevorstehenden Änderungen für seine Nutzer bereits angekündigt, sodass man wohl nicht mit einer temporären Einschränkung, sondern einer Dauerlösung rechnet. Die Lösung besteht daraus, einfach alle Funktionen zurückzuziehen, die von den Sonos-Patenten abgedeckt werden. Dabei geht es in erster Linie um Lautsprechergruppen und deren Lautstärkeregelung.
Es geht um viele Patente
Im aktuellen Verfahren ging es um gerade einmal fünf Patente und nur wenige einzuschränkende Funktionen. Alle Details dazu haben wir euch in diesem Artikel zusammengestellt. Doch laut damaligen Aussagen von Sonos besitzt das Unternehmen knapp 100 Patente, die von diversen Smart Speaker-Unternehmen verletzt werden. Dabei geht es nicht nur um Google, sondern auch um Amazon, Apple und andere Unternehmen, die man sich nach dem Google-Erfolg „vorknöpfen“ möchte. Gut möglich, dass man dabei Dutzende weitere Patente anführt – auch gegen Google.
Über die Inhalte der Patente ist nicht viel bekannt, aber sie könnten einiges an Sprengstoff enthalten und nicht nur die Smart Speaker betreffen. Auch das Audio-Streaming auf Fernseher, Cast-Geräte und andere Empfänger wird abgedeckt. Potenziell alles, bei dem ein Audiosignal von einem Gerät zum anderen übertragen wird. Es könnte auch Kopfhörer betreffen und streng genommen sind ja auch Bluetooth-Kopfhörer mit ihrem linken und rechen Bauteile eine Lautsprechergruppe.
Google könnte Sonos übernehmen
Sehr wahrscheinlich könnte man sich mit Sonos einigen und Technologien lizenzieren, aber das ist nicht unbedingt die Herangehensweise, die für Google typisch ist und als Dauerlösung genutzt wird. Doch die Patente dürften wasserdicht sein, denn Google wird es wohl nicht versäumt haben, diese in dem Verfahren genauestens zu untersuchen. Wenn man die Patente aber weder anfechten noch lizenzieren kann, bleiben nur zwei Lösungen: Rückzug oder Kauf. Doch die Breite der Technologie (siehe vorheriger Absatz) vom Lautsprecher über das Smartphone bis zum Fernseher lässt einen Rückzug seitens Google praktisch nicht zu.
Es bleibt eigentlich nur die Möglichkeit, entweder die Patente oder das Unternehmen Sonos zu kaufen. An erstem wird Sonos sicherlich kein Interesse haben, gegen Letztes wird man sich als unabhängiges Unternehmen aber nur schwer wehren können. Mit einer Marktkapitalisierung von knapp vier Milliarden Dollar wäre Sonos für Google problemlos zu stemmen und wäre in etwa doppelt so teuer wie die Übernahmen von Nest oder Fitbit. Durchaus vorstellbar.
Patente, Patente, Patente
Mit den Patenten steht und fällt sehr vieles. Wenn Sonos (wie erwartet) in Kürze auch gegen Apple, Amazon und andere Unternehmen vor Gericht zieht, könnte es interessant werden. Denn es winken potenziell sehr hohe Lizenzgebühren und für Google wäre es ein unter allen Umständen zu verhinderndes Szenario, dass Sonos in die Hände von den großen Konkurrenten Apple oder Amazon fällt oder gar von einem (umgangssprachlich) Patent-Troll übernommen wird.
Was man nicht vergessen darf: Google hat schon vor acht Jahren 12,5 Milliarden Dollarr für Motorola Mobility auf den Tisch gelegt – und das einzig und allein für die riesige Patentsammlung, die Android und den gesamten Smartphone-Markt hätten bedrohen können. Bei Sonos ist das im Streamingbereich ähnlich gelagert, nur dass in diesem Fall auch die Produkte und Partnerschaften des Unternehmens für Google interessant sein könnten – was bei Motorola damals nicht der Fall war.
Sonos passt zu Google
Aus meiner Sicht passen die beiden Unternehmen sehr gut zusammen und Sonos könnte eine ähnliche Stellung wie die bereits erwähnten Fitbit und Nest im Google-Universum einnehmen. Dabei geht es nicht nur um die Smart Speaker, die Google ja mittlerweile selbst in sehr hohen Stückzahlen verkauft und je nach Quartal auch Mal zum Marktführer aufsteigt. Man hat mit den Smart Speakern, den großen und kleinen Varianten, den Pixel Buds-Kopfhöreren und weiteren Geräten sicherlich noch große Pläne im Audio-Bereich. Ein Spezialist könnte da nicht schaden. Ähnlich, wie es Apple mit beats getan hat.
Aber Sonos hat auch interessante Partnerschaften, wie etwa die Kooperation mit IKEA. Außerdem ist das Unternehmen gerade auf dem Sprung zum Technologielieferanten für Fahrzeughersteller. In Zukunft soll Sonos unter anderem Audi-Fahrer beschallen. Auch der Automobil-Bereich ist für Google bekanntlich sehr interessant. Und weil die Fahrer ihre Hände wohl noch lange nicht dauerhaft vom Lenkrad nehmen und unterwegs zocken dürfen, wird die Musik neben der Navigation eine sehr große Rolle spielen.
Ich denke, dass Sonos breit genug aufgestellt ist, um für Google strategisch interessant zu sein. Man hat eine etablierte Marke, viele Partnerschaften, eine hohe Verbreitung und die sehr wichtigen Patente. Gut möglich, dass Google eine Übernahme intern bereits geprüft hat und zu einem anderen Ergebnis gekommen ist. Denn immerhin ließe sich damit auch das Verfahren sofort beenden. Aber allein schon aus Selbstschutz großer Produktgruppen (es war sogar die Rede von Verkaufsstopps für Pixel-Smartphones, Chromebooks und Chromecasts), würde ich es für eine strategisch kluge Entscheidung halten.
» Shazam: Musik erkennen im Browser – Apple startet neue Chrome-Erweiterung mit Apple Music-Anbindung