Alphabet: Auflösungserscheinungen bei der Google-Mutter – wird die Holding überhaupt noch gebraucht?
Google hat vor mittlerweile sechs Jahren die größte organisatorische Umwandlung in der Geschichte des Unternehmens bekannt gegeben und ist seitdem ein Bestandteil der Alphabet Inc. Holding. Dieser Schritt wurde damals kritisch gesehen und mittlerweile muss man sich fragen, welchen langfristigen Zweck die Holding hat und wie die Perspektiven aussehen. Derzeit kann man eher den Eindruck gewinnen, dass Alphabet langsam abgewickelt wird.
Wenn ein Unternehmen das Kerngeschäft aus den Augen verliert und die großen Gewinnbringer als selbstverständlich betrachtet, dann kann es sehr schnell abwärts gehen – das gilt für Unternehmen jeder Größe. Bei Google ist das durch die sehr breite Aufstellung mit dem Kerngeschäft gar nicht mehr so leicht, aber dennoch sah man sich Ende 2015 dazu veranlasst, einige Projekte – die sogenannten Moonshots – auszugliedern.
Die Alphabet Holding wurde im Oktober 2015 geschaffen, um das florierende Unternehmen Google Inc. vor möglichen Gefahren und negativen Folgen der Moonshot-Projekte zu bewahren. Damit sind die Projekte gemeint, die sehr experimentell sind, unglaubliche Summen verschlingen und ein hohes rechtliches Risiko darstellen. Als Beispiel führe ich einfach mal die diversen Aktivitäten im Medizin-Sektor an, bei denen Verfahren bekanntlich schnell in die Milliarden gehen können.
Klingt also vernünftig und war damals sicherlich die richtige Entscheidung. Denn auch die Aktionäre waren damals von Googles teuren Nebenprojekten – „Larry Page’s Hobby“ – nicht unbedingt begeistert. Sozusagen aus den Augen, aus dem Sinn. Das eigentliche Problem hat man damit aber nicht gelöst.
Finanziell ein Desaster
Alphabet besteht nun seit über sechs Jahren oder 24 Quartalen. Genug, um mal ein Zwischenfazit zu ziehen, wie sich das Unternehmen so tut. Aus finanzieller Sicht läuft es extrem schlecht, denn die Alphabet-Unternehmen neben Google erwirtschaften pro Quartal nicht einmal 200 Millionen Dollar an Umsatz. Natürlich ist das eine stolze Summe, aber dann müssen wir auch auf die Kosten und die Zahlen unter dem Strich blicken: Alle Alphabet-Unternehmen ohne Google haben im letzten Quartal einen Verlust von 1,3 Milliarden Dollar erwirtschaftet.
Und das ist kein Ausreißer: Es war nun schon das fünfte Quartal in Folge, in dem Alphabet mehr als eine Milliarde Dollar Verlust eingefahren hat. Auf das Jahr summiert sich das mittlerweile auf fünf bis sechs Milliarden Dollar Verlust. Das kann man in Business Angel-Szene kurze Zeit durchziehen, aber auch nur dann, wenn die Aussichten sehr rosig sind und dahinter ein großes Wachstum steht. Doch bei Alphabet wachsen nur die Kosten und die Mitarbeiterzahl, während es weder erfolgreiche Produkte noch steigende Umsätze gibt.
Google trägt die Holding
Dass diese Milliarden-Verbrennung von den Aktionären geduldet wird, hat man einer extrem starken Google Inc. zu verdanken, deren Gewinne das gesamte Konstrukt der zahlreichen Schwestern tragen. Die Alphabet Inc. war von Anfang so gestartet, dass Google die Gelddruckmaschine spielt und alle anderen Projekte dadurch finanziert werden. Ich denke aber nicht, dass man das als Dauerlösung gesehen hat und sicherlich gehofft hatte, in einigen Jahren selbst etwas beitragen zu können. Doch davon ist Alphabet Lichtjahre entfernt. Es ist kein Projekt am Horizont, das in unmittelbarer Zukunft hohe Umsätze und Gewinne verspricht – selbst Waymo nicht.
Die Frage ist, wie lange das noch weitergehen kann. Was hat sich gegenüber der Situation im Jahr 2015 geändert? Die Google Inc. trägt die vollen Kosten für alle anderen Projekte, die auch nach sechs Jahren noch kein vielversprechendes Produkt vorzuweisen haben. Alphabet bedient sich aus dem Google-Geldspeicher. Und wenn dann eine Katastrophe jeglicher Art (ich will natürlich nichts beschwören!) passiert – wer würde das dann bezahlen? Die Google Inc. Es hat sich praktisch nichts geändert, weil sich Alphabet nicht einmal ansatzweise selbst tragen könnte. Würde man mit einer Milchmädchenrechnung die Verluste gegen die Umsätze rechnen, könnte sich Alphabet etwa zwei Wochen pro Quartal selbst tragen.
Alphabet ist in hochsensiblen Bereichen tätig, die sehr viel Forschung und Geduld erfordern: Medizin, Biologie, Medikamente, Infrastruktur und sogar das ewige Leben. Erfolge sind nicht über Nacht zu erwarten, aber man kann auch nicht ewig darauf warten. Wenigstens eines der Unternehmen sollte irgendwann einmal nennenswerte Umsätze generieren. Ziel sollte es sein, dass Google zwar Gelder beisteuert, aber nicht die gesamte Last auf den Schultern trägt.
Die jüngsten Entwicklungen – löst sich Alphabet auf?
Interessant ist auch ein Blick auf die Struktur von Alphabet, die auch nach sechs Jahren auf Google zugeschnitten ist, sich langsam auflöst oder sogar in Googles Kernbereichen aktiv ist: Nest wurde schon vor längerer Zeit herausgelöst und unter das Dach von Google gebracht. Jigsaw wurde Ende 2020 zu Google verschoben und Anfang 2022 wird Sidewalk Labs zu Google verschoben. Weitere Projekte überschneiden sich stark mit Google: Die Künstliche Intelligenz von Deepmind, die Drohnenzustellung von Wing und zu großen Teilen auch Waymo.
Andere Unternehmen tragen sogar den Namen Google: Der Internetdienstanbieter Google Fiber, obwohl die Google Inc. selbst im Besitz von Infrastruktur wie Unterseekabeln ist. CapitalG und Google Ventures tragen ebenfalls den Namen des Unternehmens und investieren in Bereichen, in denen auch Google aktiv wäre. Aber auch Google selbst investiert in hochexperimentelle Bereiche, die man laut der Struktur eher zu Alphabet einordnen würde – etwa die Quantencomputer.
Sundar Pichai überwacht sich selbst
Der deutlichste Schritt hin zur Abwertung von Alphabet, aus meiner persönlichen Sicht, geschah im vergangenen Jahr: Google-CEO Sundar Pichai wurde zusätzlich CEO von Alphabet. Entweder ist Pichai mit seinem Google-Job nicht ausgelastet oder er hat einzig und allein die Aufgabe, die beiden Unternehmen langsam wieder zusammenzuführen. Denn das eigentliche Ziel hat man nicht erreicht und selbst die damalige Aussage, dass „Alphabet bald aus sehr viel mehr Unternehmen besteht“, ist niemals eingetreten. Google-Gründer Larry Page, der das Ganze damals in die Wege geleitet hat, hat sich längst aus dem Unternehmen verabschiedet.
Ich lehne mich mal aus dem Fenster und würde prognostizieren, dass die aktuelle Struktur keine weiteren sechs Jahre aushalten wird.
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Waymo und Wing sind doch sehr weit fortgeschritten und lassen erkennen, dass hier mittelfristig Umsätze stattfinden. Und wenn Nest und Co. in Google integriert wurde, darf man sich nicht beschweren, dass deren Moonshots zu wenig Umsatz ausweist.
Ich bin sehr zufrieden mit den Google-Projekten, in die ich schon vor Alphabet investiert habe. Ist halt eine Wette mit langfristigen Charakter und das hätte jedem bewusst sein sollen. Geduld muss man dabei schon mitbringen.
Ob die Anderen Töchter oder Schwestern sind, ist doch egal. Aufgegeben wird das Geschäft nicht
Wie man aus der Befolgung eines Plans Auflösungserscheinungen ableiten kann, ist mir ein Rätsel. Der Autor behauptet: „Alphabet mehr als eine Milliarde Verlust“ eingefahren. Das ist falsch. Geschäftsbericht lesen bitte.