Vor wenigen Tagen wurden die Samsung Galaxy Watch 4 sowie das neue Wear OS vorgestellt, die sowohl einzeln als auch gemeinsam den Smartwatch-Markt erobern wollen. Die von Samsung gezeigte Oberfläche war für Google-Nutzer allerdings wenig aufregend und fast schon enttäuschend. Kommt da noch mehr oder war es das schon wieder mit dem neuen Wear OS? Spoiler: Es kommt wohl noch mehr.
Der große Neustart von Wear OS hat die Tech-Welt und wohl auch viele Nutzer in den letzten Wochen recht ausschweifend beschäftigt, denn immerhin geht es darum, endlich echte Top-Smartwatches neben der dominierenden Apple Watch zu erhalten. Und die Hoffnungen waren groß, denn Google hat sehr viel Gewicht hereingeworfen: Mehrere frühzeitige Ankündigungen, eine Milliarden-Übernahme und dann auch noch die Partnerschaft mit Samsung. Kein Wunder, dass die Erwartungen hoch waren.
Und dann hat Samsung endlich die Galaxy Watch 4 offiziell vorgestellt, deren Hardware so ziemlich genau allen Leaks entsprochen hat und mit der das neue Wear OS erstmals auf den Markt kommen wird. Doch die in der Präsentation und den frühen Reviews gezeigte Oberfläche bzw. das gesamte Betriebssystem waren dann doch nicht so aufregend. Weil Samsung die eigene One UI-Oberfläche über das Betriebssystem gestülpt hat, erinnert vieles an Tizen und weniger an ein aufregendes neues Wear OS. Das dürfte aus Sicht der Nutzerbindung für Samsung sinnvoll sein, entspricht aber eher einem Neustart mit fest angezogener Handbremse.
Die vielleicht größte Motivation für Samsung zum Betriebssystem-Wechsel dürften die Google-Apps gewesen sein, mit denen man nun punkten möchte. Doch dann stellt sich heraus, dass weder Google Assistant noch Google Pay zum Start verfügbar sein werden. Google Maps und YouTube Music müssen reichen. Auch an vielen anderen Stellen kommen Samsung-Apps statt der Google-Apps zum Einsatz.
Diese Situation kennt man in ähnlicher Form von den Android-Smartphones: Es sind Google-Apps vorinstalliert, aber denoch liefern die Smartphone-Hersteller ihre eigenen Apps mit aus – was natürlich ihr gutes Recht ist. In einigen Fällen sind die Hersteller-Apps auch besser als die Google-Apps – also alles okay. Dann hat man als Nutzer zwar zwei Wecker-Apps, zwei Notizen-Apps, zwei SMS-Apps, zwei Browser und mehr vorinstalliert, aber weil es sich um Apps von Google und dem Smartphone-Hersteller handelt, werden diese nicht als Bloatware angesehen – obwohl sie nicht deinstalliert werden können.
Auf der Galaxy Watch 4 haben wir das gleiche Bild, nur dass Google wohl keine lange Liste mit Apps voraussetzt, die vorinstalliert sein müssten. Wäre dies der Fall, wäre zumindest der Google Assistant ohne Frage auf dieser Liste. Stattdessen müssen die Nutzer mit Bixby leben oder statt Google Pay auf Samsung Pay setzen. Beides könnte sich in den kommenden Wochen und Monaten ändern – Google Pay wurde sogar schon von Google für die Watch 4 angekündigt – aber zum Start und bei der Präsentation war das eben nicht der Fall.
Es ist nur Wear OS powered by Samsung
Kommen wir zurück zum Thema: Kommt da noch mehr? Bei der Präsentation sprach Samsung mehrmals von Wear OS powered by Samsung, statt von „Wear OS“. Das kann ein sehr entscheidender Unterschied sein, der vielleicht auch eine Stärke des neuen Wear OS ist. Hersteller haben die Möglichkeit, die Plattform an ihre Bedürfnisse anzupassen. Und so kann es schon bald ein „Wear OS powered by Fossil“, „Wear OS powered by Mobvoi“ oder Ähnliches geben.
Es bleibt leider unklar, wo die beiden Unternehmen bei den gezeigten Bildern und Videos der Galaxy Watch 4 die Grenze gezogen haben. Wo endet „das neue Wear OS“ und wo beginnt „powered by Samsung“? Wenn man das so sieht, muss die Grenze ziemlich tief verlaufen, sodass sich das neue Wear OS nicht an der Oberfläche zeigen kann und eher unter der Haube werkelt – gemeinsam mit dem neuen Power-Prozessor. Wer ein Pixel-Smartphone mit einem Samsung-Smartphone vergleicht, kann zu ähnlichen Ergebnissen kommen, wenn auch mit möglicherweise weniger krassen Unterschieden.
Wie sieht das neue Wear OS aus?
Es ist gut möglich, dass wir DAS neue Wear OS noch gar nicht gesehen haben. Es könnte ein Grundversion sein, so wie es auch eine Grundversion von Android gibt. Auf einer möglichen Pixel Watch oder einer Google Fitbit-Smartwatch kann dann „Wear OS powered by Google“ laufen, das völlig anders aussehen könnte als die Samsung-Umsetzung. Dabei geht es nicht um die verfügbaren Apps, sondern das Oberflächendesign, den Funktionsumfang ohne zusätzliche Apps und auch die KI-Features.
Ich würde mich darauf festlegen, dass wir das neue Wear OS noch immer nicht gesehen haben und Google dies noch einige Zeit zurückhalten wird. Sollte es eine Pixel Watch geben, wäre dies vermutlich die erste, auf der wir einen echten Blick auf das neue Betriebssystem werfen können. Dafür spricht, dass Google das neue Wear OS nach wie vor nicht vollständig vorgestellt hat, sondern nur einige Tipps für Samsung-Nutzer veröffentlicht hat, die die Google-Dienst bisher nicht auf ihren Smartwatches kannten.
Die Frage ist, wann es soweit sein wird. Eine mögliche Pixel Watch im Oktober wird immer unwahrscheinlicher, eine Premiere auf einer Fitbit-Smartwatch würde den großen Ambitionen vielleicht nicht gerecht werden und dass Hersteller wie Mobvoi und Fossil erst im 3. Quartal 2022 updaten können, spricht eher für einen späteren Launch. Wir bleiben dran.