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Windows 11: Android-Apps kommen auf den Desktop – schafft sich Windows damit selbst ein bisschen ab?

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Mit dem Start von Windows 11 wird Microsoft die Android-Apps auf den Desktop bringen und damit aus Nutzersicht einen der vielleicht größten Schritte in der Geschichte des Betriebssystems gehen. Doch diese Öffnung seitens Microsoft birgt nicht nur Chancen, sondern auch eine große Gefahr: Sobald sich die Android-App durchsetzen, ist Windows 11 für viele Endnutzer nahezu austauschbar.


Windows 11 ist ein Windows, das eigentlich gar nicht existieren sollte, zumindest wenn es nach den damaligen Aussagen eines Microsoft-Entwicklers geht, der Windows 10 als die letzte Version bezeichnet hatte. Aber auch funktionell öffnet sich Microsoft mit Windows 11 so weit wie niemals zuvor in der Geschichte des Betriebssystems: Man wird die Android-Apps auf den Desktop bringen und damit der größten Konkurrenzplattform die Türen öffnen.

Vor wenigen Tagen hatte ich darüber philosophiert, warum dieser Schritt für Microsoft sehr wichtig ist und dem Unternehmen die Kontroller über den Android-Desktop geben könnte. Das ist tatsächlich etwas, das Google auch nach einem Jahrzehnt nicht geschafft hat und auch niemals ernsthaft angegangen ist. Bei diesen Argumenten bleibe ich, aber bei einer solchen Zusammenführung gibt es natürlich auch eine Kehrseite, die man nicht außer Acht lassen darf.

Android kann für Windows 11 nicht nur eine Chance sein, sondern auch ein großes Risiko. Dabei geht die Gefahr weniger von Google oder dem Produkt Android aus, sondern von den Nutzern und deren Gewohnheiten. Schafft man ihnen erst einmal diesen Luxus, werden sie ihn vermutlich auch nutzen und keine anderen Lösungen mehr benötigen. Das könnte Windows 11 langfristig obsolet machen.




Windows war drei Jahrzehnte lang dominant
Windows war spätestens seit Mitte der 90er die dominante Plattform auf dem Computer und wenn man die glorreichen Zeiten von Windows 3.x auf DOS-Basis heranzieht, sogar schon seit Anfang der 90er. Auf dem PC ist das bis heute so geblieben, doch der Computer hat in vielen Belangen gegenüber dem Smartphone das Nachsehen, sodass heute Android die dominierende Plattform ist. Die Dominanz von Windows und die erfolgreiche Abwehr von Linux (wenn man das so nennen mag) lag auch an der überwältigenden Masse von verfügbaren Anwendungen und Spielen.

Lokale Anwendungen sind unter Windows auch heute noch sehr wichtig, doch der Alltag vieler Privatnutzer dürfte sich längst in den Browser und einige wenige Desktop-Anwendungen verschoben haben. Das ist der Grund, dass Googles Chrome OS derzeit einen kometenhaften Aufstieg erlebt, der natürlich auch vom Home Office-Boom getrieben ist. Viel mehr als einen Browser braucht es im Allgemeinen einfach nicht mehr. Und wenn es doch mal eine Anwendung sein muss, hat man vielleicht noch einen Windows-PC in der Hinterhand.

Android ersetzt die Windows-Anwendungen
Nun bringt Microsoft die Android-Apps zu Windows 11, die das Potenzial haben, viele Desktop-Anwendungen und sogar die Spiele zu ersetzen. Android-Spiele unter Windows klingen erst einmal nach Stolpersteinen, doch wenn Microsoft die Android-Infrastruktur so tief integrieren kann wie versprochen, werden es die Nutzer vielleicht gar nicht bemerken. Exe, APK oder App Store – vollkommen egal. Das dürfte genau das sein, worauf Microsoft abzielt – nämlich Windows für diese große Zielgruppe wieder interessanter zu machen.

Doch Windows wird dadurch nicht nur interessanter, sondern vor allem eines: Austauschbar. Wenn man als Endnutzer nur noch Android-Apps und den Browser benutzt, kann man auch gleich zu einem Chromebook oder einem Android-Tablet greifen. Es gibt kaum einen Grund, auf den Windows-Unterbau und die Brücke zu Android zu setzen, wenn man es noch bequemer (und günstiger!) haben kann. Das ist aus meiner Sicht eine sehr reale Gefahr, über die sich Microsofts Strategen ohne Frage auch Gedanken gemacht haben.

Erinnert sogar ein wenig an die Apple iMessage-Geschichte, bei der man sich Apple nicht selbst durch eine iMessage-Öffnung schwächen wollte. An einem ähnlichen Punkt, wenn auch in deutlich größeren Dimensionen, steht nun auch Microsoft.




Windows-Anwendung, Android oder Browser – alles gleich
Microsoft Office war (und ist) viele Jahre lang eine heilige Kuh, die den Erfolg von Windows mitbegründet und festgehalten hat. Doch mittlerweile lässt sich Office auch im Browser oder sogar in der Android-App verwenden. Der gebotene Funktionsumfang reicht für >90 Prozent der Privatnutzer sicherlich vollkommen aus. Es gibt also keinen Grund, nur für Office eine Windows-Installation zu verwenden. Das ließe sich auf viele weitere Apps übertragen und es gibt kaum noch wichtige Desktop-Anwendungen für Windows, für die es keine Alternative gibt.

Meine ganze Argumentation basiert auf der Sicht eines Privatnutzers. Natürlich gibt es spezielle Anwendungen, bei denen man um Windows nicht herumkommt und aus dem Büro ist Microsoft wohl noch mehrere Jahrzehnte lang nicht wegzudenken. Das muss es auch gar nicht. Windows ist toll und hat eine solide Daseinsberechtigung, ich nutze es sehr gerne. Doch Windows ist auch ein Betriebssystem, das auf dem absoluten Massenmarkt Zuhause ist und dieser könnte durch Android stärker als jetzt schon Schwanken.

Ich bin sehr gespannt, welche Auswirkungen Android für Windows haben wird. Aus Microsoft-Sicht könnte ich fast schon empfehlen, das ganze halbherzig umzusetzen: Gerade funktional, aber nicht perfekt. Es wäre ein Mittelweg.

» Windows 11: Gewinnt Microsoft den Android-Desktop? Google hat es viele Jahre nicht geschafft oder verhindert


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