Google hat vor einigen Monaten die FLoC-Technologie vorgestellt, mit deren Einsatz man auf das klassische Nutzer-Tracking verzichten möchte – allerdings mit fadem Beigeschmack. Mittlerweile ist die Technologie in Chrome integriert und für die ersten Nutzer freigeschaltet, aber der Gegenwind wird immer heftiger. Viele wichtige Onlinegiganten stellen sich gegen das Google-Tracking, sodass man mittlerweile davon ausgehen kann, dass das Projekt in der geplanten Form kaum noch umsetzbar ist: Update: Google hat die Einführung nun verschoben.
Werbung im Internet basiert seit langer Zeit auf umfangreichem Nutzertracking, das dafür sorgen soll, dass die Werbeanzeigen personalisiert sind und somit höhere Klickzahlen versprechen. Doch weil viele Menschen das Tracking, zurecht, nicht mehr hinnehmen wollen, steht die gesamte Branche seit langer Zeit vor Problemen. Google will diese Probleme mit FLoC lösen, das man als Nachfolger des Einzelnutzertrackings positioniert.
Doch statt die Nutzer weniger als bisher zu tracken, wie Google es verspricht, werden sie schlussendlich sogar mehr als zuvor verfolgt. Schon von Beginn an haben sich einige Organisationen gegen Googles Pläne ausgesprochen und nachdem man FLoC kürzlich ausführlich vorgestellt hat, positionieren sich nun viele weitere Anbieter. Es zeigt sich, dass eigentlich niemand FLoC möchte und Googles wichtige Technologie wohl gegen die Wand fahren könnte. Zumindest in der jetzigen Form.
Weil Google sowohl den Werbemarkt als auch den Browsermarkt dominiert, hat man eine große Macht und kann FLoC auch ohne Unterstützung durchdrücken. Vermutlich wird man dies auch tun, aber der Gegenwind wird mittlerweile so stark, dass auch Google diesen nicht mehr ignorieren kann und Probleme bekommen könnte.
Browserhersteller dagegen
Kurz nach der ausführlichen Vorstellung von FLoC haben sich die beiden Browser Vivaldi und Brave gegen FLoC gestemmt und angekündigt, die Technologie zu blockieren. Das Gleiche gilt für den von DuckDuckGo unterstützen Browser. Mozilla dürfte FLoC gar nicht erst umsetzen und auch Microsoft hat sich später geäußert, das Ganze nicht umsetzen zu wollen:
Wir glauben an eine Zukunft, in der das Web den Menschen Privatsphäre, Transparenz und Kontrolle bieten kann und gleichzeitig verantwortungsvolle Geschäftsmodelle unterstützt, um ein lebendiges, offenes und vielfältiges Ökosystem zu schaffen. Wie Google unterstützen wir Lösungen, die den Nutzern eine klare Zustimmung geben und die Wahl der Verbraucher nicht umgehen. Aus diesem Grund unterstützen wir aber auch keine Lösungen, die Signale der Nutzeridentität ohne deren Zustimmung einsetzen, wie etwa Fingerabdrücke.
WordPress blockiert
Doch während Google die Browserkonkurrenz nicht zu sehr fürchten muss, sieht das bei einem weiteren Bremser ganz anders aus: WordPress hat angekündigt, FLoC standardmäßig zu blockieren. Das soll über eine Anweisung im HTTP-Header durchgeführt werden, die vom Browser respektiert werden soll. Weil WordPress hinter 41 Prozent aller Webseiten im Web steht, ist das eine gewaltige Macht, der sich auch Google nicht entziehen kann. Webmaster sollen das zwar ändern können, doch die Mehrheit dürfte es beim Standard belassen.
WordPress könnte tatsächlich Ausschlaggebend sein und über Erfolg und Misserfolg von FLoC mitentscheiden. Es wird spannend, wie Google darauf reagiert. Gut möglich, dass man das eigene SiteKit Plugin dafür nutzen wird, diese Einstellung zu ändern. Das wiederum wäre allerdings ein No-Go und könnte zu ernsthaften Problemen zwischen Google und WordPress bzw. den Nutzern führen.
Amazon blockiert FLoc
Wie nun bekannt wurde, hat Google nicht nur die großen Browserhersteller und das größte CMS gegen sich, sondern auch den weltgrößten Onlinehändler: Amazon hat vor wenigen Tagen damit begonnen, Googles FLoC-Technologie mit verschiedensten Methoden auf den eigenen Webseiten zu blockieren. Das gilt für die Amazon-Hauptseite, für die Supermarkt-Tochter Whole Foods aber auch für Woot.com und andere Shoppingseiten. Weil Amazon beim Onlineshopping bekanntlich eine große Macht ist, gehen Google damit wichtige Datenströme verloren.
Der Gegenwind wird immer schärfer und nach aktuellem Stand ist es kaum vorstellbar, dass Google die FLoC-Technnologie in der Form global einführen und auf das klassische Nutzer-Tracking verzichten kann. In der EU ist FLoC ohnehin derzeit kein Thema und viele wichtige Akteure sowie Behörden kritisieren die Technologie oder lehnen sie ab. Auch viele Nutzer sind nicht unbedingt Happy damit.
Dass man das schlussendlich noch exzessivere Tracking als gar-kein-Tracking verkaufen wollte, was bekanntlich nicht der Fall ist, könnte sich schon bald als Bumerang erweisen. Es wird spannend, wie Google da nachbessern will oder ob man das Ganze trotz des Gegenwinds weiter durchdrückt…
UPDATE 24. Juni:
Google spürt den heftigen Gegenwind und hat sich nun entschieden, die Einführung um ein halbes Jahr nach hinten zu verschieben. Erst 2023 möchte man die Privacy Sandbox mit FLoC nun einführen. Offiziell sind britische Regularien an der Verschiebung schuld, aber der Gegenwind von vielen großen Institutionen wird gar nicht erwähnt. Hier findet ihr Googles Ankündigung.