Google könnte schon in wenigen Wochen das neue Betriebssystem Fuchsia vorstellen, das sich seit Jahren in Entwicklung befindet und in vielen Dingen neue Wege einschlägt. Das wohl größte Fragezeichen bei Fuchsia steht aber nicht über dem wann, sondern über dem wofür. Lange Zeit wurde Fuchsia als Android-Nachfolger gesehen, der auf dem Weg auch noch Chrome OS auffrisst. Aber ist das wirklich realistisch?
Google ist in puncto Betriebssysteme mit einem breiten Portfolio sehr gut aufgestellt. Man hat mit Android und dessen Ablegern Betriebssysteme für Smartphones, Tablets, Smart TVs, Smartwatches und weiteren mobilen Gerätschaften. Daneben gibt es dann noch Chrome OS für die weiterhin aufstrebenden Chromebooks und Tablets, das sich längst etabliert hat und ein starkes Wachstum zeigt. Aus dieser Betrachtung gäbe es keine Notwendigkeit, eines der beiden Produkte zu ersetzen.
Trotz aller Informationen und der offenen Entwicklung ist vieles bei Fuchsia noch unklar, aber aus der kurzen Vorstellung geht immerhin hervor, dass es sich um ein Betriebssystem handelt, das nicht auf Linux basiert und für eine große Palette an Gerätetypen konzipiert ist. Es ist seit langer Zeit bekannt, dass Fuchsia intern bereits auf den Pixel-Smartphones, auf einigen Tablets und auch auf Chromebooks ausprobiert wurde. Das bedeutet, dass Fuchsia theoretisch auch auf Smartphones, Tablets und Computern eingesetzt werden könnte.
Doch das waren nur Experimente, denn es scheint tatsächlich glaubhaft, dass Fuchsia von Anfang an gar nicht für eine bestimmte Geräteklasse oder Einsatzgebiet konzipiert war. Stattdessen schafft man hier ein Betriebssystem für alles, das sich keine Grenzen aufzwängen lässt und überall dort zum Einsatz kommen könnte, wo es noch keine gute Alternative gibt.
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Die seit vielen Jahren in ihren Bereichen dominierenden oder zumindest etablierten Betriebssysteme wurden alle mit einem speziellen Blick auf ihr Einsatzgebiet entwickelt: Windows und Mac OS für den Desktop, Android und iOS für mobile Geräte und auch die diversen Linux-Ableger unterscheiden sich durch Plattform-spezifische Entwicklungen oder Oberflächen. Das war und ist sicherlich sehr sinnvoll, doch wenn die Grenzen zwischen den Geräteklassen verschwimmen, wird es holprig.
Fuchsia scheint hingegen einfach ein Betriebssystem zu sein, das sich auf seine Hauptaufgabe konzentriert, ohne die Schnittstellen und Oberflächen zu sehr festzulegen. Im Kern dreht sich vieles um Daten, drumherum ist alles modular aufgebaut und eine Benutzeroberfläche ist soweit ausgelagert, dass sie recht problemlos ausgetauscht werden kann. Schaut euch dazu auch den internen Aufbau von Fuchsia an, der diese Modularität von der ersten bis zur letzten Codezeile in den Mittelpunkt stellt.
Und so kommt es dann auch, dass Google schon vor knapp zwei Jahren die damals bekannten Fuchsia-Oberflächen begraben hat, die ohnehin nur Testzwecken dienten. Seitdem findet ein großer Teil der Entwicklung hinter verschlossenen Türen statt, sodass nicht mehr viel bekannt ist. Es ist durchaus möglich, dass Fuchsia wie Android oder Chrome OS aussieht. Es könnte in derselben Instanz verschiedene Oberflächen darstellen oder sich anderweitig verändern lassen.
Vorerst kein Ersatz für Android oder Chrome OS
Das Betriebssystem dürfte zuerst auf Geräten eingesetzt werden, für die Google bisher kein Betriebssystem im petto hat. Schon seit langer Zeit wird über Smart Displays und andere Smart Home-Gerätschaften spekuliert, auf denen Fuchsia das Debüt feiern soll. Vielleicht wird der erste Release über gar keine Benutzeroberfläche verfügen und über den Google Assistant lediglich per Sprache mit den Nutzern kommunizieren. Smart Displays wären hingegen die perfekte Schnittmenge aus Smartphone und Computer, auf der sich die Plattform etablieren könnte.
Fuchsia wäre die dritte Kraft neben Android und Chrome OS, die trotz jahrelanger Gerüchte nach wie vor eigenständige Plattformen sind. Doch genauso wie sich Android und Chrome OS über die Jahre angenähert haben, könnte auch Fuchsia sehr nah an den beiden Betriebssystemen platziert werden. Eine gemeinsame Oberfläche wäre mit einem Blick auf die aktuellen Entwicklungen gar nicht so weit entfernt und dank Cloud sowie plattformübergreifenden Apps und Funktionen ist schon heute ein schneller Gerätewechsel möglich.
Das muss aber nicht heißen, dass es dabei bleibt.
Ich gehe davon aus, dass Fuchsia, Android und Chrome OS in der ersten Zeit (wohl mehrere Jahre) weiterhin eigenständige Produkte bleiben. Doch in späterer Folge wäre es vielleicht sogar vernünftig, die Kerne der Plattformen zusammenzuführen. Das ist etwas, über das ich persönlich schon sehr lange spekuliere und ein vielversprechender Ansatz sein könnte. Fuchsia wäre der neue Kernel von Android und Chrome OS, bei denen es sich dann unter der Haube um das gleiche Produkt handelt. Die Unterscheidung fände nur noch an der Oberfläche statt.
„Android“ ist dann nur noch die auf mobile Geräte angepasste Oberfläche von Fuchsia und Chrome OS ist die auf Chromebooks angepasste Oberfläche von Fuchsia. Für den Endnutzer würde das keinen Unterschied machen, denn dieser wird es im besten Fall gar nicht bemerken. Unter der Haube wurde schon vor langer Zeit vieles zusammengeführt: Android-Apps laufen sowohl unter Chrome OS als auch unter Fuchsia. Web-Apps laufen überall. Das hat auch für Entwickler große Vorteile, die sie gerne mitnehmen werden.
Und so ist Fuchsia dann vielleicht gar kein Endprodukt, so wie es der Android-Chef schon vor zwei Jahren verkündet hatte, sondern nur ein Unterbau. Der erste Fuchsia-Release könnte eine neue Google Assistant-Oberfläche für Smart Displays sein. Der zweite ist ein neuer Wear OS-Kern, später ein neuer Android-Kern und auch der Weg auf Chromebooks ist dann nicht mehr so weit.
Um zur Frage im Titel zurückzukommen: Kann Fuchsia Android und Chrome OS ersetzen? Jein.