Googles neues Betriebssystem Fuchsia steht in den Startlöchern – und das schon seit gut vier Jahren. Obwohl das neue Produkt niemals offiziell angekündigt wurde, hat es schon eine längere Geschichte mit mehreren Aufs und Abs hinter sich, aber spätestens seit dieser Woche wissen wir, dass es ein sehr ernsthaftes Projekt ist. Google hat Fuchsia nicht nur halboffiziell angekündigt, sondern schafft nun auch alle Vorbereitungen für einen Launch im Frühjahr 2021.
Wir begleiten das neue Betriebssystem Fuchsia hier im Blog schon seit mehreren Jahren und hatten euch immer wieder auf dem Laufenden gehalten, wenn es neue Details gab, neue Fakten geschaffen wurden oder sich die Aussichten für den Launch verbessert bzw. verschlechtert haben. Obwohl der Hype insbesondere im Jahr 2018 immer größer wurde, hatte sich Google niemals daran beteiligt und sich nicht öffentlich dazu geäußert. Was wohl auch daran lag, dass der Hypetrain drei Jahre zu früh losgefahren ist.
Im Frühjahr 2019 hatte man dann sogar die Notbremse gezogen und Android-Chef Hiroshi Lockheimer vorgeschickt, um Fuchsia eine Absage zu erteilen und das gesamte Projekt als experimentelle Spielwiese abzutun. Tatsächlich konnte Lockheimer mit nur wenigen Sätzen die gesamte Euphorie bremsen und in den meisten Medien wurde Fuchsia als Vaporware abgetan. Hier im Blog habe ich hingegen weiterhin daran festgehalten, dass Fuchsia ein ernsthaftes Projekt ist und schon wenige Monate später hatte Google weitere Fakten geschaffen, die die Aussage vom Frühjahr widerlegten.
Und weil sich Fuchsia jetzt aber wirklich auf der Zielgeraden für den ersten Launch befindet, schauen wir uns noch einmal die wichtigsten Meilensteine und Informationshäppchen an, die es in den letzten Jahren gegeben hat. Mit der Öffnung für externe Entwickler wurde gerade erst ein neuer Höhepunkt erreicht.
Mitte 2017 – Fuchsia taucht auf
Laut Googles Ankündigung in dieser Woche, arbeitet man schon seit vier Jahren an Fuchsia. Die ersten offiziellen Hinweise auf das neue Betriebssystem gab es aber erst ab Mitte 2017, als man den Quellcode veröffentlichte und die Weiterentwicklung der Codebasis in aller Öffentlichkeit fortsetzte. Bis heute ist ein Großteil der Fuchsia-Sourcecodes öffentlich zugänglich und lediglich die proprietären Bestandteile werden hinter verschlossenen Türen entwickelt. Ähnlich wie Android oder Chromium.
April 2018 – Fuchsia Screenshots
Weil alle Fuchsia-Sourcen zur Verfügung stehen, gelang es im April 2018 erstmals, das Betriebssystem nach dem damals aktuellen Stand zu kompilieren und somit zu testen. Wir hatten euch damals viele Screenshots gezeigt, die ein auf den ersten Blick fertiges Betriebssystem gezeigt hatten. Tatsächlich handelte es sich aber wohl um vorübergehende experimentelle Oberflächen, die sehr stark an Chrome OS und die Android-Oberfläche angelehnt waren. Aber dabei sollte es nicht bleiben.
Dezember 2018 – die Oberfläche verschwindet
Im selben Jahr hatte Google die Oberflächen von Fuchsia zurückgezogen, weil es sich um experimentelle UIs handelte. Diese wurden für die Entwicklung und das Testen benötigt, aber Google dürfte wohl völlig andere Oberflächen im Sinn haben. Und weil auch die Oberflächen nur ein Modul auf der obersten Ebene sind, wurden sie vollständig aus dem Projekt entfernt und werden seitdem als proprietärer Bestandteil hinter verschlossenen Türen entwickelt. Wie die Fuchsia-Oberfläche aussieht, ist bis heute nicht bekannt und alle damaligen Screenshots waren eher Platzhalter.
Mai 2019 – die Notbremse
Der Fuchsia-Hype war rund um die Google I/O 2019 auf dem absoluten Siedepunkt und nicht wenige, auch ich, rechneten damit, dass das Betriebssystem offiziell vorgestellt wird. Dazu kam es allerdings nicht und auf die zahlreichen Nachfragen aus den Medien antwortete der Android-Chef Hiroshi Lockheimer irgendwann, dass es sich bei Fuchsia nur um ein Experiment handelt, eine interne Spielwiese und sich dahinter kein echtes Produkt verbirgt. Ob das nur eine Nebelkerze war oder Lockheimer es selbst nicht besser wusste, ist nicht bekannt.
Es ist bekannt, dass viele Projekte Google-intern miteinander konkurrieren und viele Abteilungen häufig nicht über die Pläne der anderen Projekte informiert werden – selbst wenn sie zum Teil Schnittstellen zueinander bieten. Und weil Fuchsia lange Zeit als „Android-Nachfolger“ tituliert wurde, ist es nicht weiter verwunderlich, dass Lockheimer „sein Betriebssystem“ schützen und Fuchsia kleinreden wollte. Es hatte auf jeden Fall funktioniert, denn die Medien waren plötzlich nicht mehr an Fuchsia interessiert.
Juni 2019 – die Fuchsia-Webseite ist da
Nur wenige Wochen nach dem Abgesang des Android-Chefs hat Google die offizielle Fuchsia.dev Webseite gestartet, auf der man erstmals über das Projekt informiert, die Sourcen einfacher zugänglich macht und Fuchsia erstmals eine Heimat gegeben hat. Da ging es mit dem experimentellen Spaßprojekt plötzlich doch schnell voran. Auch die Domain Fuchsia.com wurde rund um diesen Zeitpunkt freigeschaltet, führt heute aber noch auf die Google-Startseite.
Oktober 2019 – Unternehmen arbeiten an Fuchsia
Im Herbst 2019 wurde bekannt, dass Google das Betriebssystem längst den wichtigsten Partnern präsentiert hat. Viele große Hardware- und Komponenten-Hersteller arbeiten seit diesem Jahr an Fuchsia, haben Verbesserungen angebracht, Entscheidungen diskutiert und vieles mehr. Darunter auch große und wichtige Namen wie Samsung, Huawei, Intel und Qualcomm. Na klar, sie sollen ja eines Tages Geräte auf den Markt bringen, die von Fuchsia angetrieben werden. Diese interne Konkurrenz warf dann auch ein neues Licht auf die Aussagen des Android-Chefs, der vielleicht von einem ungeliebten Konkurrenzprodukt sprach.
März 2020 – Fuchsia in der Dogfood-Phase
Es war ein riesiger Schritt, der im Frühjahr 2020 bekannt wurde: Fuchsia befindet sich seit März 2020 in der Dogfood-Phase. Das bedeutet, dass das Projekt Google-intern freigegeben wurde und von vielen (vielleicht auch allen) Google-Mitarbeitern getestet werden kann. Es ist der erste Schritt aus den verschlossenen Entwicklerräumen in die Halb-Öffentlichkeit, den viele Produkte vor dem Launch durchmachen. Die zeitliche Nähe zur Google I/O beflügelte erneut die Fantasien, dass es bald vorgestellt werden könnte. Doch die Google I/O wurde bekanntlich abgesagt und einem solchen Projekt muss man natürlich eine große Bühne bieten.
August 2020 – Fuchsia erhält Bluetooth-Zertifizierung
Ein weiterer großer Schritt: Fuchsia hat im Sommer dieses Jahres die Bluetooth-Zertifizierung erhalten und ist somit bereit, auf Geräten mit Bluetooth-Technologie eingesetzt zu werden. Es zeigte sich erneut, dass es nicht nur eine Spielwiese ist, sondern irgendwann auch auf neuer Hardware eingesetzt werden soll.
August 2020 – Was ist Fuchsia?
Im selben Monat hat Google die Fuchsia-Webseite aktualisiert und dort recht ausführlich darüber gesprochen, was Fuchsia ist, was es nicht ist und welche Vision man verfolgt. Tatsächlich hat man in sehr vielen Worten eigentlich kaum etwas verraten, aber dennoch einen klaren Rahmen abgesteckt und erneut bestätigt, dass es eines Tages auch auf die Endnutzer losgelassen werden wird. Was Fuchsia ist und was es nicht ist, könnt ihr in diesem Artikel nachlesen.
Dezember 2020 – Öffnung für externe Entwickler
Der jüngste Schritt: Google hat Fuchsia nun offiziell für externe Entwickler geöffnet, die nicht mehr nur dem Wachstum und Fortschritt des Projekts zusehen, sondern aktiv mitwirken können. Die Bugtracker wurden veröffentlicht, eine technische Roadmap zur Verfügung gestellt und wer die Muße hat und dafür aufgenommen wird, kann auch Code-Änderungen einreichen. Es ist ein großer Schritt, mit dem man Fuchsia dafür bereit macht, ein neues Ökosystem aufzubauen und entsprechend Kompatibilitäten zu schaffen bzw. Bedenken oder Vorschläge der externen Entwickler mit einfließen zu lassen.
2021 – to be continued…
Ich lehne mich nun zum wiederholten male weit aus dem Fenster und sage, dass Fuchsia zur Google I/O 2021 offiziell vorgestellt wird. Das habe ich zwar schon 2019 und 2020 gesagt, aber wie ihr in diesem Artikel sehen könnt, gab es dafür auch konkrete Hinweise. Doch mit einem Blick auf die vollständige Timeline kann man nun sagen, dass eigentlich kaum noch etwas kommen kann, das den ersten Release weiter verschiebt. Und die Entwicklerkonferenz Google I/O ist nun einmal der beste Rahmen für eine solche Präsentation. Und 2022 ist dann wohl doch ein wenig spät.
Im Mai 2021 könnte Fuchsia offiziell als Developer Preview vorgestellt werden, so wie man es seit langer Zeit auch mit Android handhabt, das ja mittlerweile schon drei Monate früher erscheint. In den folgenden Monaten kann man dann das Ökosystem wachsen lassen, das ja durch die Kompatibilität zu den Android-Apps sowie den Web-Apps sehr schnell geflutet werden kann. Einen finalen Release würde ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht erwarten, sondern diesen eher auf Herbst 2021 legen – ebenfalls in zeitlicher Nähe zum finalen Android 12 sowie der neuen Google-Hardware.