Die Fotoplattform Google Fotos gehört zu den beliebtesten Google-Produkten überhaupt und hat sich gefühlt vom Start weg etabliert. Das dürfte an zwei Kernfunktionen liegen, die die Plattform gerade in den ersten Jahren in diesem Umfang einzigartig gemacht haben, aber nun innerhalb kürzester Zeit stark eingeschränkt werden könnten. Man darf die Frage in den Raum stellen, ob es das Ende von Google Fotos in der bekannten Form ist – zumindest für einen großen Teil der Nutzer.
Google Fotos ist das Nachfolgeprodukt von Google+ Fotos, das wiederum die Nachfolge von Picasa Web Albums angetreten hatte. Alle drei Produkte waren sehr populär, aber Google Fotos hat aus dem Stand sehr viel mehr Nutzer begeistern können. Das lag natürlich auch daran, dass das Produkt eigenständig war (statt wie die beiden Vorgänger an größere Produkte angelehnt zu sein), das es sich recht schnell als Galerie-App etablieren konnte und an zwei Kernfunktionen, um die es in diesem Artikel gehen sollen.
Die erste Kernfunktion von Google Fotos ist das Auto Backup. Dieses sorgt dafür, dass alle auf dem Smartphone gespeicherten Fotos automatisch und zuverlässig in die Cloud geladen werden – in zwei wählbaren Qualitätsstufen. Die Masse der Nutzer dürfte wohl die untere Stufe nutzen und somit den kostenlosen unbegrenzten Speicherplatz fluten. Doch dieser wird bekanntlich schon in wenigen Monaten eingestellt und macht aus der wirklich sehr praktischen Funktion eine Belastung.
Das zweite Kernfeature ist die automatische Sortierung sowie die schlauen Algorithmen und Assistenten, die stets für Ordnung und nette Effekte sorgen. Diese bleiben Stand heute zwar bestehen, aber dass Google Fotos nun damit experimentiert, einige Features hinter eine Bezahlschranke zu packen, verheißt nichts Gutes.
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Auto Backup wird zur Belastung
Gibt es etwas bequemeres als das Google Fotos Auto Backup? Es verrichtet im Hintergrund vollautomatisch seine Arbeit, belastet auf Wunsch weder Datentarif noch den Akku und ist (mit sehr sehr wenigen Ausnahmen) absolut zuverlässig. Niemand muss sich darum, Bilder oder Videos zu verlieren, wenn das Smartphone den Geist aufgibt oder aus diversen Gründen verloren geht. Google Fotos ist immer da und hält alle Medien zum Abruf bereit.
Die Masse der Nutzer dürfte die „Hohe Qualität“ gewählt haben, die die Standardeinstellung ist und für die allermeisten Bilder vollkommen ausreichend ist. Wer nicht gerade Riesenplakate drucken oder endlos zoomen möchte, ist damit sehr gut bedient. Dass das vollkommen unbegrenzt genutzt werden kann, trägt zur Popularität bei und dürfte dafür gesorgt haben, dass nur wenige Nutzer – wenn sie überhaupt davon wussten – das automatische Backup deaktiviert haben.
Doch im Juni 2021 wird sich alles ändern. Das Auto Backup wird vom praktischen Feature plötzlich zur Last: Man schießt unzählige Fotos und schwupps sind sie schon in der Cloud und fressen das wertvolle Google-Kontingent. Wer die Bilder nicht mit Google Fotos löscht, sondern eine andere Galerie-App verwendet, löscht sie nur lokal. In der Cloud bleiben sie bestehen, belegen Speicherplatz, und müssen separat gelöscht werden.
Und so muss man sich dann immer wieder hinsetzen und regelmäßig bei Google Fotos ausmisten. Wer das nicht tun möchte, kann sich natürlich auch zusätzlichen Speicherplatz bei Google One kaufen. Wer sich aber 100 Gigabyte zusätzlich kauft, der kauft nur Zeit. Auch die 100 Gigabyte sind schneller weg, als so mancher denken würde. Wenn jedes einzelne Bild hochgeladen wird und jedes einzelne Video den Weg in die Cloud findet, können da sehr schnell große Datenmengen zusammenkommen. Also 2 TB kaufen. Damit erkauft man sich sehr viel mehr Zeit, löst aber weder das Grundproblem und zahlt außerdem bis zu 10 Euro im Monat – ist den Nutzern das bisher „kostenlose“ Produkt das wert?
Das Ende von Google Fotos, wie wir es kennen?
Oder man deaktiviert das Auto Backup vollständig und muss sich damit von einer Kernfunktion des Produkts verabschieden. Warum also nicht gleich Google Fotos vollständig den Rücken kehren? Nun kommen wir nämlich zur Frage im Titel des Artikels: Ist es das Ende von Google Fotos, wie wir es heute kennen? Meiner Meinung nach JA, denn wenn DIE Kernfunktion nicht genutzt werden kann, macht das Produkt gleich viel weniger Spaß.
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Wird Google Fotos weiter beschnitten?
Vor wenigen Tagen hat Google Fotos einen Filter hinter die Bezahlschranke verbannt. Dabei geht es nur um einen harmlosen kleinen Filter, den kaum jemand vermissen wird – aber dabei wird es nicht bleiben. Es ist ein Testballon, der erst einmal sehr harmlos ist, aber später mit Sicherheit weiter abheben wird. Schon jetzt ist bekannt, dass neue Filter hinzukommen werden, die nur für Bezahlnutzer von Google One zur Verfügung stehen.
Es ist davon auszugehen, dass auch einige bestehende Features eines Tages hinter die Bezahlschranke wandern. Vielleicht die automatische Sortierung? Vielleicht die starke Gesichtserkennung? Womöglich die Animationen, Videos und Collagen? Darüber kann man nur spekulieren, aber dass die Liste der Bezahlfilter zunehmen wird, dafür muss man keine Glaskugel haben. Das erhöht die Attraktivität für alle bestehenden Google One-Nutzer, aber senkt die Attraktivität von Google Fotos als Plattform, die viele Nutzer bisher als kostenlose Selbstverständlichkeit gesehen haben.
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Die Einschnitte sind notwendig, das habe ich in einigen anderen Artikeln bereits angesprochen. Google Fotos dürfte ein enormer Speicherfresser bei Google sein, der sich mit den paar Fotobüchern, Ausdrücken oder den bestehenden Google One-Nutzern wohl kaum finanzieren lässt. Dazu kommt, dass die Fotos für Google wertlos sind. Sie sind private Daten des Nutzers, die nicht für Werbung oder zur Profilbildung genutzt werden. Und wer das Nutzer nicht das Produkt sein kann, dann muss eben das Produkt irgendwann kostenpflichtig werden. Aber wie viele Nutzer Google Fotos dann noch langfristig weiter verwenden werden, bleibt abzuwarten.