Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass die US-Regierung Kartellklage gegen Google eingereicht hat, die dem Unternehmen nicht nur das Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung attestiert, sondern auch große Teile des Geschäftsmodells infrage stellt. Das Verfahren wird sich mit Sicherheit über viele Jahre ziehen, aber auch irgendwann zu einem Urteil kommen. Und das könnte sehr weitreichende Folgen haben.
Ein Weltkonzern wie Google ist jeden Tag mit Klagen und Verfahren rund um den Erdball beschäftigt und dürfte eine nicht zu knapp bemessene Rechtsabteilung besitzen – insbesondere bei diesem Geschäftsmodell. Doch in den letzten Jahren wurde es durch Verfahren und hohe Strafzahlungen an die EU sehr ungemütlich für das Unternehmen. Die Strafen fielen empfindlich aus und waren mit einigen Auflagen verbunden, aber dennoch bestand niemals die Gefahr, das Unternehmen ernsthaft ins Wanken zu bringen. Das könnte sich in den USA ändern.
Während Google und die anderen großen Tech-Konzerne in den USA lange Zeit Narrenfreiheit hatten, zumindest konnte man das Gefühl gewinnen, wird der Gegenwind zunehmend rauer. Vor wenigen Tagen reichte die US-Regierung Kartellklage gegen Google ein und vermutlich wird es in den nächsten Monaten auch noch weitere Giganten wie Facebook, Apple oder Amazon treffen. Doch bei Google geht es nicht nur um irgendein Produkt, sondern um die Gelddruckmaschine, die das gesamte Unternehmen finanziert: Die Websuche.
Die Kartellbehörden werfen dem Unternehmen vor, die Nutzer zur Google Websuche zu zwingen und sowohl den Nutzern als auch Konkurrenten und Kunden keine andere Wahl zu lassen. Aufbauend auf dieser Macht betreibt man das weltweit größte Werbenetzwerk, pusht unzählige weitere Produkte und finanziert das gesamte Unternehmen. Es steht also einiges auf dem Spiel.
Eine Gefahr für Firefox? Mozilla befürchtet sich selbst als Kollateralschaden durch die Google-Kartellklage
Google zeigte sich in einer ersten Stellungnahme sichtlich geschockt und sprach von einem zutiefst fehlerhaften Verfahren, das man nun führen müsse. Dies belegte man auch gleich mit einigen Grafiken und Animationen, die den einfachen Wechsel der Suchmaschine auf allen Plattformen zeigen. Faktisch hat man damit vollkommen recht, denn der Wechsel ist bei weitem keine Wissenschaft. Aber offiziell weiß man auch noch gar nicht so genau, was dem Unternehmen ganz konkret vorgeworfen wird und was sich ändern soll.
Fest steht, dass man die Marktmacht Googles brechen möchte, ganz egal, auf welcher Grundlage diese aufgebaut wurde. Sicherlich gibt es einige Google-Produkte, bei denen man als Nutzer keine Wahl hat. Das größte Stichwort ist wohl Android, das ja in der EU bereits ein eigenes Verfahren hatte und mit einer Strafzahlung in Milliardenhöhe beendet wurde. Doch um Android geht es gar nicht, sondern „nur“ um die Websuche. Diese wird aber niemandem aufgezwungen, sondern die Nutzer verwenden sie freiwillig.
Die Nutzer wissen sehr genau, wie man die Suchmaschine wechselt
Google belegt das damit, dass vor einigen Jahren Yahoo! die Standard-Suchmaschine im Firefox geworden ist. Innerhalb weniger Tage wechselten Millionen Nutzer die Suchmaschine zurück zu Google, was für Yahoo! sehr schmerzhaft gewesen sein dürfte. Die Nutzer haben sich sehr bewusst für Google entschieden und wurden wohl kaum dazu gezwungen. Jetzt ist Google die Standard-Suchmaschine und immer wieder attestieren einige Stellen den Nutzern, dass sie nicht zum Wechsel in der Lage sind. Das ist Humbug.
Es wird also darauf hinauslaufen, dass man die Reichweite der Google Websuche künstlich beschränken wollen wird. Dafür wurde bereits die Möglichkeit ins Spiel gebracht, das Unternehmen zum Verkauf des Chrome-Browsers zu zwingen. Es wäre sicherlich kurzzeitig ein sehr wirkungsvolles Mittel. Natürlich nur dann, wenn der neue Besitzer die Standard-Suchmaschine auf die Konkurrenz ändert. Die nächste Variante ist die vollständige Abspaltung des Werbegeschäfts. Und das ist der große Knall.
Das Werbegeschäft IST Google. Ein Großteil der Produkte des Unternehmens sind für die Nutzer vollkommen kostenlos. Die Masse der Produkte verfolgt nur das Ziel, die Nutzer zu binden, Daten zu sammeln und passende Werbung anzuzeigen. Es mag Ausnahmen geben, aber das gesamte Geschäftsmodell basiert auf dieser einfachen Regel: Die Nutzer zahlen mit ihren Daten und Profilen. Sollte man nun zwei Unternehmen „Google Werbung“ und „Google alles andere“ haben, dann kann das nicht funktionieren.
Google-Produkte nicht mehr kostenlos?
Die Google-Produkte werden vom Werbegeschäft subventioniert, weil sie mit ihren Daten in dessen Erfolg einzahlen. Fällt das weg, muss eine andere Finanzierungsmethode gesucht werden – und die lautet, dass die Nutzer ihre Geldbörse öffnen müssen. Die Google-Produkte könnten somit nicht mehr kostenlos angeboten werden. Das hatte Google schon beim Android-Verfahren mehrfach ins Spiel gebracht: Wenn man die Google-Produkte nicht vorinstallieren darf, dann muss Android kostenpflichtig werden. Wenn man kein Geld durch Werbung verdienen kann, dann eben durch den Verkauf der Dienstleistungen.
Umgekehrt hätten wir das Unternehmen „Google Werbung“, dem jegliche Grundlage fehlt. Wie soll es passende Werbung anzeigen, wenn es keine echten Nutzer gibt, wenn die Datenschutz-Regeln immer stärker werden (was aus Nutzersicht natürlich zu begrüßen ist) und man eigentlich auch gar keine Flächen hat, auf denen diese Werbung angezeigt wird? Wie das funktionieren kann, zeigen unzählige weitere Werbenetzwerke, die auf jeder Webseite Hunderte von Cookies verteilen. Ist das ein Fortschritt?
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Das Kartellverfahren gegen Microsoft dauerte damals ein Jahrzehnt und ging für viele Beobachter enttäuschend aus. Dennoch markierte es das Ende der Microsoft-Dominanz im IT-Bereich, weil das Unternehmen viele Jahre lang abgelenkt war und sich auf den eigenen Lorbeeren ausruhte – das hat Bill Gates später selbst zugegeben. Selbst wenn Google also mehr oder weniger folgenlos aus dem Verfahren kommt, könnte es den Anfang vom Ende des Internetgiganten markieren.