Vor wenigen Tagen hat Google News ein neues Nachrichtenprodukt in Deutschland gestartet, das schon vor einigen Monaten angekündigt wurde und eigentlich ein großer Hoffnungsträger sein soll: Das Google News Showcase. Schon von Beginn an ist dem Produkt allerdings anzumerken, dass es aus der Not heraus geboren wurde und mittelfristig wohl mehr Probleme schafft, als es lösen kann.
Google News gehört zu den ältesten Google-Produkten überhaupt und hat im Jahr 2002 als Ableger der Google Websuche begonnen. Glaubt man den Aussagen des Unternehmens, dann haben die Terror-Anschläge vom 11. September 2001 den Ausschlag für die Entwicklung gegeben, denn damals waren Nutzermassen rund um die Welt auf der Suche nach Informationen, die Google aber nicht liefern konnte. Der Index war nicht auf News ausgelegt und die Nutzer fanden nur „alte“ Einträge der letzten Tage. Das sollte sich ändern.
Mehr als 18 Jahre nach dem Start von Google News hat sich die Plattform grundlegend nicht verändert: Es werden noch immer Schlagzeilen aus verschiedensten Quellen automatisiert zusammengetragen, zu einer Nachrichtenplattform zusammengewürfelt und kommen auch in der Websuche zum Einsatz. Was sich aber geändert hat, sind die Rahmenbedingungen. Für praktisch alle Verlage ist das Internet längst die Hauptbühne und die Print-Umsätze sinken ohne Aussicht auf Besserung.
Das Konzept war und ist perfekt: Google holt sich die Inhalte völlig kostenfrei, bereitet diese auf und bietet sie den Nutzern zum Anklicken an – grob gesagt. Der Nutzer klickt, die Online-Publikation hat einen Besucher mehr und durch Werbung / Affiliate oder sonstiges vielleicht noch ein paar Cent verdient. Dieses Konstrukt hat jahrelang wunderbar funktioniert, sodass alle Beteiligten profitieren konnten: Google hat ein erfolgreiches Produkt, der Verlag hat Geld verdient, der Werbepartner hat eine große Zielgruppe und der Nutzer erhält kostenlose Informationen.
Doch mit den Diskussionen rund um das Leistungsschutzrecht, die in Deutschland ihren Ursprung haben und mittlerweile weltweit geführt oder gar per Gesetz eingeführt worden sind, kam das gesamte System ins Wanken. Die Fronten waren jahrelang verhärtet, aber nun will Google einen Schritt auf die Verlage zugehen. Doch das macht es noch schlimmer.
Die neuen Google-Logos: Die Designer hatten wohl einen sehr schlechten Tag – zu bunt, zu ähnlich & zu beliebig
Dieses aus der Not heraus geborene Produkt nennt sich nun Google News Showcase. Dabei handelt es sich vorerst um eine neue Sektion in Google News, in der die Inhalte etwas ansprechender aufbereitet werden können – nicht mehr und nicht weniger. Als großes Highlight stellt man heraus, dass Google das Geld für Bezahlartikel auf den Tisch legt. Wer als Nutzer bei Google News Showcase unterwegs ist, wird also keine Paywall mehr sehen. Google zahlt. Und damit wird man sich wohl erhoffen, die LSR-Diskussionen erst einmal im Keim zu ersticken.
Was nun als perfekte Lösung klingt, ist aber genau das Gegenteil: Google hat zum Start ein paar Dutzend Partner gewinnen können, die nun mit dabei sind und dementsprechend bevorzugt werden. Die Liste der Partner ist allerdings fragwürdig: Seriöse Quellen sind kaum darunter, Clickbait-Portale sind mit dabei und die Inhalte des LSR-Verfechters Axel-Springer-Verlag finden sich überhaupt nicht darunter. Was aber viel wichtiger ist: Kleine Publikationen haben wohl kaum eine Chance, darin aufgenommen zu werden. Und das ist der Worst Case für Nutzer und Webseiten.
Google fördert die Ungerechtigkeit
Die großen Portale brauchen sicher keine Werbung durch Google, denn die Nutzer kommen direkt. Kleinere Angebote hingegen sind häufig vom Google News-Traffic abhängig. Wenn dieser nun einbricht und die großen noch stärker bevorzugt werden, gehen ganz schnell die Lichter aus. Dazu kommt, dass die großen Angebote nun noch zusätzlich Kasse mit den Paywall-Artikeln machen, für die Google bezahlt. Das werden diese natürlich auszunutzen wissen und vermutlich jegliche Artikel hinter der Wand aus Geldscheinen verstecken. Google zahlt ja. Das Unternehmen hat sich dafür ein Budget von einer Milliarde Dollar (!) für drei Jahre gesetzt.
Nun haben wir also das Problem, das Google für einige wenige Inhalte zahlt und für viele andere nicht. Das ist eine Abweichung von der klaren Linie, die man jahrelang gefahren hat: Wir zahlen nicht für Inhalte. Jetzt aber doch. Ich gehe davon aus, dass das bei den nicht-bedachten Verlagen nicht gut ankommt und vielleicht zu der einen oder andere Klage führen wird. Natürlich weckt das Begehrlichkeiten, ganz logisch. Ich bin absolut kein Verfechter davon, dass Google für Inhalte zahlen soll und bin LSR-Gegner. Dennoch ist es natürlich für mich ganz persönlich nicht gut, dass Newsseite A Geld von Google erhält und Ich weiterhin alle Inhalte kostenlos abgeben muss.
Vielleicht tue ich dem gesamten Portal Unrecht, aber als Betroffener (sowohl Leser als auch Autor) habe ich die Situation rund um den Start sehr genau beobachtet. Die wenigen positiven Berichte über den Start stammten ausnahmslos von den Webseiten, die Teil dieses Projekts sind. Einige weitere haben sehr kritisch darüber berichtet und viele viele haben _überhaupt nicht_ darüber berichtet. Klar, warum soll Newsseite A auch darüber schreiben, dass Konkurrent B nun vermeintlich komfortabler zu lesen ist. Man spaltet die News-Landschaft damit sogar noch.
Wie sieht die Zukunft aus?
Die große Frage wird es sein, wie die Zukunft aussehen soll. Wird man dauerhaft diese Spaltung haben wollen? Werden viele weitere Portale aufgenommen, für deren Nachrichten Google dann auch noch Geld zahlt? Wenn ja, woher soll das Geld plötzlich kommen? Selbst wenn Google News Werbung erhalten sollte, wird das wohl kaum für eine Refinanzierung ausreichen. Und wenn man das Ganze nun doch vor die Wand fährt, wovon ich ausgehe, ist der Schaden besonders groß und Googles LSR-Haltung vollständig ramponiert.
Wie man es auch dreht und wendet, das neue Produkt hätte man sich sparen können und hat mehr Nachteile als Vorteile. Ich sehe es persönlich aber auch als das, was es ausstrahlt: Google hat aufgegeben, gegen die Verlage zu kämpfen. Nun hat man diesen letzten Strohhalm und wenn auch dieser nichts richten kann, dann sollte sich das Unternehmen einfach von Google News verabschieden. Die Plattform funktioniert seit einigen Tagen sowieso nicht mehr, was spürbare Auswirkungen hat.