Google arbeitet schon seit längerer Zeit am neuen Betriebssystem Fuchsia, dem natürlich irgendwann der Startschuss gegeben werden dürfte – in welcher Form auch immer. Sollten sich die hartnäckigen Gerüchte bewahrheiten, dass es eine Tages die Nachfolge von Android antreten soll, könnte ausgerechnet Huawei diesen Schritt verraten haben. Denn es zeigt sich, dass der Austausch des gesamten Betriebssystems auf einem Smartphone offenbar möglich ist.
Fuchsia gehört seit mehreren Jahren zu den spannendsten Google-Projekten und wird diese Rolle sicherlich auch noch für lange Zeit behalten. Das liegt aber nicht nur daran, dass das Betriebssystem neue Technologien und Möglichkeiten einführen soll, sondern ist vor allem deshalb so interessant, weil es trotz der zum Teil öffentlichen Entwicklung geheim gehalten wird. Google äußert sich nicht offiziell zu dem Projekt, informiert aber gleichzeitig über dessen Stärken und Vorteile für Entwickler. Eine kuriose Situation, die seit mehreren Jahren anhält.
Fuchsia ist keine Spielwiese, sondern ein ernsthaftes Projekt, das eines Tages veröffentlicht und als Betriebssystem auf den verschiedensten Geräten eingesetzt werden soll. Wann es soweit ist, steht in den Sternen. Auf welchen Geräten es eingesetzt werden könnte, ist ebenso ungewiss. Zwar gibt es eindeutige Tendenzen zu Smart Displays und starke Hinweise auf einen baldigen ersten Release, aber das muss noch lange nicht heißen, dass es in absehbarer Zeit als fertige Plattform veröffentlicht werden kann.
Schon von Beginn an wurde Fuchsia als Android-Nachfolger bezeichnet, was sich im Laufe der Zeit weder als korrekt noch als falsch herausgestellt hat. Mittlerweile wissen wir, dass ein Einsatz auf dem Smartphone möglich ist, genauso wie auf vielen weiteren Geräten von den bereits angesprochenen Smart Displays über den Fernseher bis zur Smartwatch und sogar Geräten ohne Display. Das eigentliche Produkt ist nämlich nicht das fertige Projekt, sondern der Zircon-Kernel mitsamt seiner darüber liegenden Layer-Architektur, die den universellen Einsatz ermöglicht.
Springen wir einfach einmal an einen unbekannten Zeitpunkt in der Zukunft, in dem Fuchsia fertig entwickelt ist und die Nachfolge von Android antreten soll. Diese Situation könnte eines Tages kommen und mit einem Blick auf das große Ganze zeichnet sich ab, dass Google dies seit längerer Zeit vorbereitet.
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Wir befinden uns im Jahr X und Fuchsia ist als fertiges modulares Betriebssystem veröffentlicht worden, das sich dank austauschbarer Komponenten vom Unterbau bis zur Oberfläche auf vielen Geräten einsetzen lässt. Nun wird es von Google auf Smartphones gebracht und die Nachfolge von Android antreten. Auch wenn das ein riesengroßer Schritt ist, ist der Übergang von einem Produkt zu einem anderen bei Google Alltag und schon sehr häufig durchgeführt worden.
Android ist auch modular
Fuchsia wird nun für Smartphones veröffentlicht und soll Android ersetzen. Schon seit der Version Android 8.0 Oreo arbeitet Google daran, dass Betriebssystem modular zu gestalten und den Update-Prozess für die Smartphone-Hersteller zu erleichtern. Diese Update-Turbos für Android haben bereits große Erfolge gezeigt und können nun auch beim Update auf Fuchsia eine große Rolle spielen. Wenn beide Betriebssysteme modular aufgebaut sind, lassen sie sich vermeintlich einfach zusammenführen.
Der wichtigste Austausch ist ohne Frage der Kernel, der unter dem Projektnamen Zircon bei Fuchsia vollständig neu entwickelt wurde und nicht mehr auf Linux basiert. Alles was darüber liegt, sind nur Schnittstellen. Fuchsia hat schon vor über zwei Jahren die theoretische Unterstützung zur Ausführung von Android-Apps erhalten. Dafür gibt es einen eigenen Kompatibilitäts-Layer, der die Apps zahlreicher Plattformen unterstützen kann. Das ist natürlich perfekt für den Übergang.
Der Nutzer muss es ja nicht wissen…
Tauschen wir also den Kernel, schaffen die Kompatibilität zu den Android-Apps und verpassen Fuchsia eine Android-Oberfläche, ist der Austausch schon fertig. Einfacher gesagt als getan, aber die seit Jahren laufenden Vorarbeiten auf beiden Plattformen (!) sind weit fortgeschritten. Das große Ziel wird es sein, dass die Nutzer den Austausch im besten Fall gar nicht bemerken. Und ausgerechnet das könnte nun Huawei verraten haben.
Der Smartphone-Hersteller hat angekündigt, im kommenden Jahr Android durch HarmonyOS ersetzen zu wollen – womöglich per Update auch auf bereits am Markt befindlichen Geräten. Es wäre eine Feuerprobe für die Austauschbarkeit von Android, gerade bei einem Unternehmen, das Hunderte Millionen Smartphones am Markt hat. Huawei könnte für diesen Austausch die Technologien verwenden, die Google seit langer Zeit vorbereitet und den ähnlichen Austausch für Fuchsia durchführen könnte.
Das größte Problem werden die Smartphone-Hersteller sein, denn bekanntlich erfolgt der Update-Prozess bei Android schrittweise und läuft auch über den Schreibtisch der Smartphone-Hersteller. Google könnte das Ganze einfach als „Fuchsia Upgrade“ verkaufen und somit den üblichen Druck wie beim Release einer neuen Android-Version aufbauen. Eine Update-Garantie wird es nicht geben können und spätestens durch den Verkauf neuer Geräte würde sich Fuchsia ganz von selbst nach einigen Jahren auf der dominanten Masse von Smartphones verbreiten.
In die Quere kommt hier allerdings Googles Update-Versprechen: Wenn nach Android 12, vielleicht sogar nach Android 11, Fuchsia folgt, dann würde die Weiterentwicklung von Android selbstverständlich gestoppt werden. Das würde aber auch bedeuten, dass es weder ein Android-Update noch das Fuchsia Upgrade für viele Nutzer gibt. Auf Grundlage des Versprechens müsste man für einige Jahre beide Betriebssysteme weiterentwickeln, auch mit dem Wissen, dass eines von beiden schon bald nicht mehr benötigt wird. Aber auch Play Music und Google Duo, um mal etwas abzuschweifen, wurden/werden ja weiter entwickelt, obwohl sie eingestellt werden.
Sicherheitsupdates würde es ohne Frage weiterhin geben müssen, bis zum End-of-Life Datum. Dieses liegt aber „nur“ zwei Jahre in der Zukunft und wäre ein kurzer Zeitraum zur Überbrückung. Ein möglicher Übergang könnte also tatsächlich sowohl organisatorisch als auch technisch gar keine so große Hürde sein. Und wenn man Fuchsia dann aus Marketing-Gründen einfach als „Android“ verkauft, wird es nicht mal jemand bemerken. Auch Chrome OS könnte durch den Beginn der Modularisierung zukünftig den gleichen Weg gehen.
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Natürlich wissen wir nach wie vor nicht, wie es mit Fuchsia weitergehen bzw. überhaupt erst einmal beginnen soll. Faktisch ist das neue Betriebssystem sowohl Android als auch Chrome OS überlegen: Sicherheit, Flexibilität und Zukunftssicherheit. Ein Austausch, auch wenn es erst im nächsten Jahrzehnt wäre, könnte irgendwann unausweichlich werden.
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[BGR]