Nur wenige Tage vor der geplanten Präsentation hat Google am Freitagabend überraschend das Android 11-Event abgesagt und auch den Launch der Beta-Version auf einen unbekannten Zeitpunkt verschoben. Das fügt sich derzeit nahtlos in eine Welle von Problemen rund um die mobile Abteilung ein, bei der man sich als Beobachter langsam aber sicher fragen muss, ob bei Google aus ganz anderen Gründen ein Durcheinander ausgebrochen ist.
Seit Monaten kämpfen weltweit Milliarden Menschen und Unternehmen mit den Auswirkungen und Folgen des Coronavirus, davor ist bekanntlich auch Google nicht immun und musste sehr viele Pläne über den Haufen werfen. Dafür dürfte jeder Verständnis haben, aber irgendwann sollte natürlich gerade bei einem so großen Unternehmen wie Google auch wieder Ruhe einkehren und zumindest halbwegs Ordnung herrschen. Aber davon scheint man aktuell sehr weit entfernt.
Die Welt und aktuell insbesondere die USA haben größere Probleme als die Verschiebung eines Google-Betriebssystem und Google-Smartphones – das ist ganz klar. Dennoch wird man das Gefühl nicht los, dass es auch ohne die Pandemie und der aktuellen Situation in den USA bei Google etwas holprig geworden ist und Sand ins Getriebe gelangt ist. Das hat sich erst vor zwei Tagen gezeigt, als man wie aus dem Nichts das Android 11-Event abgesagt und den Release der Beta-Version gleich mit verschoben hat.
We are excited to tell you more about Android 11, but now is not the time to celebrate. We are postponing the June 3rd event and beta release. We'll be back with more on Android 11, soon.
— Android Developers (@AndroidDev) May 30, 2020
Google hat das Event mit der Begründung abgesagt, dass jetzt nicht die richtige Zeit zum Feiern ist. Damit mag man nicht ganz Unrecht haben, aber ist die Vorstellung der Beta-Version eines Betriebssystems eine Feier? Wollte man eine Android 11-Party veranstalten, auf der vermutlich gleichzeitig weitere Produkte präsentiert werden? Es ist nicht viel über das geplante Event bekannt, das man schon vor gut drei Wochen erstmals angekündigt hatte. Umso überraschender ist es nun, dass es ohne echte Begründung abgesagt wurde. Warum nicht einfach das Produkt ohne Feier veröffentlichen?
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Das Jahr hat noch harmlos begonnen und so hat Google bereits Ende Januar die Entwicklerkonferenz Google I/O 2020 für Mai angekündigt. Als sich dann die Corona-Pandemie abzeichnete bzw. bereits in vielen Teilen der Welt verbreitete, wurde die „physische Konferenz abgesagt“ und stattdessen ein digitales Event in Aussicht gestellt. Das wäre eine gute Lösung gewesen und es hätten die wichtigsten Produkte wie geplant gezeigt und angekündigt werden können. Was man dabei nicht vergessen darf: Zu diesem Zeitpunkt hatte Google bereits den Großteil aller Mitarbeiter auf Home Office umgestellt, wurde also von dieser Einschränkung nicht überrascht.
Wenig später wurde dann auch dem digitalen Event eine Absage erteilt, ohne große Begründung. Anfang Mai lud man dann plötzlich zum Android 11 Launch Event, das sich als kleine Google I/O hätte positionieren sollen und für das erst am Mittwoch letzter Woche das Programm veröffentlicht wurde. Nur zwei Tage dann die erneute Absage (in dieser Reihe die dritte Absage eines Events), die nur damit begründet wird, dass es nicht die richtige Zeit zum Feiern ist. Nagut, auf das Event können wir verzichten – aber was ist denn nun der eigentliche Grund für die Absage?
Android 11 verschiebt sich weiter – wegen den Unruhen in den USA?
Google hat nicht nur das Event abgesagt, sondern auch den Release der Beta-Version von Android 11. Die Absage des Events ist vielleicht nachvollziehbar, aber warum wird auch die Android 11 Beta zurückgehalten? Kann man die Version nicht trotzdem veröffentlichen und dann eben später, zur zweiten Beta, über alle Neuerungen informieren? Es drängt sich mir ganz persönlich der Verdacht auf, dass bei der Android 11-Entwicklung ordentlich Sand im Getriebe ist und es größere Probleme zu geben scheint. Nicht umsonst gab es bei allen drei geplanten Developer Previews jeweils ein Bugfix-Update, das dringliche Probleme behoben hatte.
Würde es sich um den Release der finalen Android 11-Version handeln, wäre die Verschiebung nachvollziehbar. Aber es geht nur um die Beta, die ohnehin nur die Menschen interessiert, die schon seit drei Monaten die Preview-Versionen nutzen oder sich zumindest darüber informieren. Ist die Beta nun fertig und wird zurückgehalten, bis sich die Situation in den USA beruhigt? Wie geht die Entwicklung nun weiter? Was, wenn es weiter eskaliert? Wir wollen es natürlich nicht hoffen, aber es ist nicht auszuschließen. Den Android 11-Launch davon abhängig zu machen ist trotz aller Tragik nicht nachvollziehbar. Dann einfach ohne Event und nur per Blogpost.
Dass Google die Absage mit wenigen Worten via Twitter verkündet und sonst bisher nicht weiter kommentiert hat, lässt auf eine sehr kurzfristige Entscheidung schließen. Diese kann dann aber wieder langfristige Folgen haben, wenn sich auch der finale Release dadurch weiter nach hinten verschiebt.
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Aber es ist nicht nur Android 11, das sich nun schon zum zweiten Mal verschiebt. Auch das Pixel 4a liegt wohl schon seit Wochen fertig produziert in Lagerhallen und wartet darauf, irgendwann ausgeliefert oder wenigstens offiziell vorgestellt zu werden. Ursprünglich geplant für Mai, verschob es sich in den Juni, dann Juli und mittlerweile bis in den August sowie für alle Farbvarianten bis in den Oktober.
Weil sich Google sehr bedeckt hält, kann über die Gründe für diese beiden Verschiebungen nur spekuliert werden. Klar, die Erfolgschancen stehen aktuell nicht wirklich gut – aber das wird in drei Monaten auch nicht besser aussehen. Eher das Gegenteil. Vielleicht ist das alles Teil einer großen Strategieverschiebung, die man aber natürlich transparenter kommunizieren könnte. Gerade bei Produkten mit mehr oder weniger festen Releasezyklen fallen solche Verschiebungen eben auf.