Android hat es trotz langjähriger Anstrengungen noch immer nicht nativ auf den Desktop geschafft, sodass man bei Bedarf nach wie vor auf Emulatoren oder externe Plattformen angewiesen ist. Wie eine kostenlos erhältliche App seit einiger Zeit zeigt, ist die Übertragung der Android-Oberfläche inklusive Fernbedienung und Dateiübertragung zum Smartphone aber ohne große Hürden möglich. Die App wird aktuell mit Hochdruck weiterentwickelt und gehört eigentlich in jede Tool-Sammlung.
Smartphones sind unser täglicher Begleiter und werden von vielen Nutzern häufiger genutzt als der Computer oder Laptop. Nutzt man dann doch einmal wieder den Desktop, wäre es natürlich sehr praktisch, auch dort einige Smartphone-Funktionen vorzufinden oder zumindest auf dieses zugreifen zu können. Dafür gibt es einige Lösungen wie etwa das proprietäre wie Samsung DeX und ähnliche Produkte, aber keine einzige ist so kinderleicht nutzbar wie das Tool mit dem unaussprechlichen Namen.
Die Desktop-App scrcpy (steht für Screen Copy) baut ohne jegliche Einrichtung eine Verbindung zwischen dem Desktop-Computer und dem Smartphone auf und stellt das Smartphone-Display direkt auf dem Desktop in einem frei in der Größe veränderbaren Fenster dar. Das ist aber nicht nur eine Kopie des Smartphone-Displays, sondern eine interaktive Spiegelung der Oberfläche, die eine direkte Interaktion mit dem Smartphone ermöglicht. Jeder Klick und jede Eingabe per Tastatur wird direkt übertragen und auf dem Smartphone ausgeführt.
Mit diesem kleinen Tool kann das Smartphone so vollständig vom Computer per Maus und Tastatur oder natürlich auch per Touch ferngesteuert werden. Die Übertragung erfolgt direkt und ist so enorm schnell, dass man wirklich von einer Echtzeit-Übertragung sprechen kann. Am besten könnt ihr das ausprobieren, in dem ihr einfach einmal ein Video abspielt, die Kamera öffnet oder ein Spiel startet. Schneller geht es aus technischen Gründen gar nicht mehr. Selbst Copy & Paste vom Desktop auf das Smartphone funktioniert problemlos – und allein schon das kann manchmal sehr praktisch sein. Einfach eine Datei in das Fenster ziehen und schon ist es, in angemessenger Übertragungszeit, auf dem Smartphone zu finden.
Der Entwickler spricht davon, dass die Geschwindigkeit eines der Schwerpunkte bei der Entwicklung gewesen ist – und das merkt man. Aber auch die Qualität der Übertragung ist perfekt, sodass man zumindest mit dem Fokus auf das Fenster nicht bemerkt, dass man nicht das Smartphone in den Händen hält. Über diverse Parameter, die bei GitHub sehr gut dokumentiert sind, lässt sich ein Video aufnehmen, die Qualität ändern, der Displaybereich beschneiden und seit wenigen Tagen auch das Smartphone-Display aktivieren oder abschalten.
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Auch in puncto Kompatibilität zu älteren Smartphones (es ist mindestens Android 5.0 vorausgesetzt) hat die App einiges zu bieten. Die bei älteren Smartphones nicht vorhandenen Onscreen-Buttons lassen sich z.B. durch Tastenkombinationen simulieren. Sollte die App bei euch nicht funktionieren, habt ihr zuvor möglicherweise das ADB-Debugging auf dem Smartphone nicht aktiviert. Geht dafür einfach in die Einstellungen -> „Über das Telefon“ -> mehrfach auf die Build-Nummer tippen, bis die Information zur Freischaltung der Entwickleroptionen erscheint. Anschließend in diesen neuen Optionen das Debugging aktivieren. Bei YouTube findet ihr zahlreiche Anleitungen für eure Android-Version.
Die einfachste Variante zur Nutzung der App bzw. der Verbindung zwischen Smartphone und Computer ist per USB-Kabel. Aber auch das ist nicht unbedingt nötig, denn mit ein bisschen Vorarbeit lässt sich die Verbindung direkt über das WLAN-Netzwerk herstellen, sodass man selbst auf das Kabel verzichten kann – etwa dann, wenn das Smartphone nicht in Reichweite ist oder kabellos geladen wird. Ich persönlich nutze die App nur sporadisch, bin aber jedes Mal wieder erstaunt, wie gut das funktioniert.
Wie das ganze technisch funktioniert, wird sehr ausführlich vom Entwickler in der Dokumentation erklärt. Die App gibt es sowohl für Windows als auch für Mac OS und Linux, muss aber auf letzten beiden noch selbst kompiliert werden. Lediglich für Windows gibt es einen direkten Download, der trotz aller mitgelieferten Pakete und Bibliotheken mit knapp 60 MB noch angenehm schlank ist.