Millionen von Android-Smartphones senden in regelmäßigen Abständen ihren Standort an die Google-Server, wo diese Daten dauerhaft aufgezeichnet und für die verschiedensten Produkte verwendet werden. Vor wenigen Tagen haben wir euch gezeigt, wie ihr diese Standortdaten im Google Maps Standortverlauf abrufen könnt. Heute beschäftigen wir uns anlässlich des aktuellen Corona-Trackings damit, in welchen Produkten und Dienstleistungen Google diese Daten einsetzt – und das sind ziemlich viele.
Smartphones können durch verschiedene Technologien ihren Standort sehr genau feststellen und diesen alles Apps auf Nachfrage und mit entsprechenden Berechtigungen zur Verfügung stellen, um relevantere Suchergebnisse, Angebote und andere Dinge auszuliefern. Normalerweise übernimmt Google Maps bzw. die Google Play Services diese Aufgabe und stellen die Daten allen anderen Apps zum Abruf bereit. Je nach Aktivität und Bewegung wird der Standort unterschiedlich oft abgerufen und an die Server gesendet – im Durchschnitt sind es aber mehrere hundert Mal pro Tag.
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Google verfügt über eine riesige Datenbank an Positions- und Bewegungsdaten von Hunderten Millionen Menschen, die ständig mit neuen Einträgen gefüllt wird. Die Daten werden zwar nur aus einer Quelle erfasst, aber auf zwei ganz verschiedene Arten verwendet: Einmal stehen die Daten dem Nutzer selbst vollständig zur Verfügung, der sie in der Google Maps Zeitachse sehr einfach abrufen, ergänzen oder auch beliebig ändern oder löschen kann.
Die zweite Form der Nutzung dieser Daten findet in anonymisierter Form statt, denn die rohen Daten werden auch in einen großen Pool geworfen und in der Masse ausgewertet. Diese Auswertung findet sowohl langfristig als auch sehr kurzfristig bzw. Live statt und wird allen Nutzern über viele praktische Funktionen wieder zur Verfügung gestellt. Schlussendlich handelt es sich dabei um ein Crowdsourcing, bei dem zwar alle profitieren, aber niemand etwas tun muss.
Eine offizielle Auflistung aller Dienste und Funktionen, die mit diesen Daten gefüttert werden, gibt es nicht. Deswegen erhebt dieser Artikel natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber die grundlegende Idee bzw. die Vorteile dürften damit gut erklärt sein. Erst gestern hat Google übrigens eine neue Plattform mit Trackingdaten rund um das Coronavirus gestartet.
Standortverlauf & Google Maps-Informationen
Die offensichtlichste Nutzung der Daten erfolgt an der Stelle, wo der Nutzer sie selbst ansehen kann. In der Google Maps Zeitachse kann jeder Nutzer einen beliebigen Zeitpunkt auswählen und sehr schnell erfahren, wo er sich an diesem Tag aufgehalten hat, welche Orte besucht wurden und wie der Weg dahin ausgesehen hat. Aber das ist längst nicht die einzige Stelle in der App, an der diese Daten offensichtlich für den Nutzer dargestellt werden.
Ruft ihre eine Detailinformation zu einem bereits besuchten Ort auf, gibt es dort die Information, wann ihr zuletzt dort gewesen seid sowie einen Link zu einer Übersicht aller vergangenen Besuche. Das kann manchmal ganz praktisch sein, wenn man beispielsweise selbst nicht mehr weiß, wann man zuletzt beim Zahnarzt war, mit dem Auto in der Werkstatt oder andere Dinge.
Popular Times & Wait Times
Sowohl Google Maps als auch die Websuche zeigen als eine der ersten Detailinformationen mittlerweile ein Diagramm zur Auslastung an – Popular Times. Wer also wissen möchte, wann man in den Supermarkt einkaufen gehen sollte, um nicht den halben Tag bei der Kasse zu verbringen, kann das dort häufig in Erfahrung bringen. Diese Daten stehen aber nicht nur statistisch zur Verfügung, sondern werden bei einer entsprechenden zur Verfügung stehenden Datenmenge auch Live angezeigt. Zwar erfährt man keine absoluten Zahlen, hat aber gute Einblicke zum Vergleich der normalen Werte.
Die zweite Anzeige ist Wait Times, die den Nutzer darüber informiert, wie lange er an diesem Ort mit Warten verbringen wird. Das ist vor allem für Restaurants interessant, genauso wie die reine Aufenthaltszeit. Wie die Algorithmen zwischen dem reinen Aufenthalt und der Wartezeit unterscheiden, ist leider nicht bekannt. Alle diese und ähnliche Funktionen basieren auf der Masse an anonymisierten Standortdaten der Nutzer.
Stauprognosen
Jeder Autofahrer dürfte es schätzen, wenn er vor einem Stau gewarnt wird, sei es durch das Radio, Erfahrungswerte oder eben durch das Navigationsgerät. Auch Google Maps bietet seit vielen Jahren eine in den meisten Fällen sehr verlässliche Stauprognose an. Diese Daten basieren ebenfalls auf einer Auswertung der Bewegungsdaten aller Smartphones der Menschen, die gerade in einem Fahrzeug unterwegs sind. Das Auflösen eines Staus ist dadurch ebenso schnell erkennbar wie die ungefähre verlorene Zeit.
Mittlerweile können viele Nutzer Staus auch manuell melden, aber grundsätzlich ist das durch die Bewegungsdaten gar nicht notwendig bzw. bis auf wenige Ausnahmen durch die automatische Erfassung deutlich präziser. Vor wenigen Wochen ist es einem Künstler sogar durch aggressive Mittel nur sehr eingeschränkt gelungen, die Stau-Daten zu manipulieren.
Auslastung von öffentlichen Verkehrsmitteln
Wer täglich mit Öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, der weiß meistens sehr genau, welche Strecke zu welcher Zeit ausgelastet ist bzw. wann und wo die Chance auf einen Sitzplatz besteht. In vielen großen Städten rund um die Welt kann Google Maps die Auslastung vieler Fahrzeuge bereits anzeigen. Diese Daten stammen sowohl aus den zahlreichen Bewertungen und kurzen Antworten der Nutzer als auch aus dem Bewegungsverlauf der Masse.
Wenn ein Zug voller Android-Smartphones sich in Bewegung setzt und an allen Haltepunkten zum Stehen kommt, ist es für die Algorithmen eindeutig zu erkennen, wie viele Personen sich im Zug befinden. Weil der ÖPNV häufig am gleichen Wochentag zur gleichen Uhrzeit die gleiche oder zumindest eine sehr ähnliche Auslastung hat, lässt sich mit diesen statistischen Daten sehr gut arbeiten.
Parkplatz-Prognosen
Google Maps kann den Nutzer nicht nur per Navigation zum Ziel leiten, sondern immer öfter auch über die Parkplatz-Situation am Zielort informieren. Das ist nur dadurch möglich, dass die Plattform sehr genau weiß, wann der Nutzer am Ziel ist und das Auto verlassen hat – was sich durch das Bewegungsprofil erfassen lässt. Auf Grundlage dieser Daten wird durch sehr komplizierte Berechnungen die Parkplatz-Situation am Zielort angezeigt. Das steht längst nicht überall zur Verfügung, ist aber auch in einigen deutschen Städten bereits verfügbar, wobei Google leider keine offizielle Liste zur Verfügung stellt.
Intelligente Navigation
Die intelligente Navigation ist ein Feature, an dem sowohl Google als auch Apple arbeiten und das in Zukunft noch eine größere Rolle spielen wird: Die Routenplanung bzw. Navigation führt den Nutzer dabei nicht mehr nur stur von A nach B, sondern berücksichtigt auf Grundlage der vielen Daten auch weitere Werte. Auf Basis vieler Bewegungsdaten sowie den eingestellten Zielen der Routenplanung ist es möglich, Staus oder volle Straßen bereits zu prognostizieren, bevor es überhaupt dazu kommt.
Diese Navigation wird gerade mit Weitblick auf die autonomen Fahrzeuge eine große Rolle spielen, die sich so gegenseitig „absprechen“ können, welche Route befahren werden soll, um alle Straßen möglichst gleichmäßig auszunutzen. Dabei spielt dann natürlich irgendwann auch die Infrastruktur eine Rolle, die in absehbarer Zeit ebenfalls smart werden dürfte. So wie Busse und Straßenbahnen in vielen Städten schon heute mit den Ampeln „sprechen“, könnten das irgendwann auch alle privaten PKWs tun.
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Das sind schon eine ganze Reihe an nützlichen Informationen, die ein Großteil der Nutzer sicher schon einmal verwendet hat und vielleicht auch gar nicht mehr darauf verzichten möchte. Das funktioniert natürlich nur dann, wenn die Masse ihre Daten freigibt. Wenn der eine oder andere dem widerspricht, ist das kein großes Problem, wenn es aber aus Gründen negativer Berichterstattung irgendwann eine Welle gibt, wird die Qualität der Daten leiden. Und dann droht eine ähnliche Situation wie bei Streetview in Deutschland. Weil das aber nicht absehbar ist, dürften diese Google Maps Features wohl auch in Zukunft weiterhin gute Dienste leisten und noch mehr Informationen liefern.
Gespeicherte Daten sorgen natürlich immer wieder für Begehrlichkeiten – auch von Behörden. Erst vor wenigen Wochen haben wir euch einen interessanten Einblick verschafft, wie Google den Standort an die Polizei weiterleitet. Tatsächlich ist das ein mehrstufiger Prozess, in dem Google sicherstellt, dass so wenige Daten wie möglich von Unbeteiligten weitergegeben werden. Ob das weltweit gilt, ist allerdings nicht bekannt.