Googles Spieleplattform Stadia macht aktuell vor allem durch Negativ-Schlagzeilen auf sich aufmerksam, denn die Nutzer werden ungeduldig und erwarten von Google neue Spiele, neue Features und konkrete Ankündigungen. Das ist auf der einen Seite verständlich, auf der anderen aber auch etwas kurz gedacht. Offenbar haben die Nutzer vergessen, welche Rolle sie aktuell spielen: Betatester.
Schon die Ankündigung von Stadia im März 2019 hat nicht nur für Begeisterung, sondern auch für Skepsis unter den interessierten Spielern besorgt. Zuerst darüber, ob die Infrastruktur für ein solches Angebot tatsächlich schon bereit ist, dann darüber dass es von Google stammt und als letztes wohl auch einfach nur darüber, dass hier ein Unternehmen etwas Neues ausprobieren möchte. Und genau in dieser Phase des Ausprobierens befindet sich Stadia bis heute.
Stadia ist nun schon seit etwa zweieinhalb Monaten für die ersten Nutzer geöffnet, die die gut zwei Dutzend Titel spielen können – einen nicht geringen Anteil davon sogar vollkommen kostenlos (wenn man alle Aktionen mitgemacht hat). Bisher wurde Stadia nicht für die breite Masse geöffnet und steht auch nur sehr eingeschränkt zur Verfügung – denn im Hintergrund dürften die Vorbereitungen für den erhofften großen Ansturm auf Hochtouren laufen.
In den Stadia-Communities gibt es derzeit vor allem Unmut darüber, dass Google keine neuen Spiele auf die Plattform bringt, keine konkreten Ankündigungen über neue Titel im Gepäck hat und auch die Einschränkungen noch nicht aufgehoben hat. All das wird zwar für dieses Jahr in Aussicht gestellt, aber konkrete Informationen fehlen. Für die Medien und einige mitlaufende Nutzer ist das natürlich ein gefundenes Fressen, denn mit diesen Argumenten lässt sich Stadia wunderbar für Tot erklären.
Google hatte sich nach längerer Zeit auf die Kritik zu Wort gemeldet und die Spieler damit vertröstet, dass es schon bald vorangehen wird und man die neuen Spieletitel nicht selbst vorstellen möchte oder es vielleicht auch gar nicht kann. Und das ist gar nicht so ungewöhnlich.
Die ersten Stadia-Nutzer sind nur Betatester
Was die frühen Stadia-Nutzer gerne vergessen: Sie sind nur Betatester. Zwar bezeichnet Google Stadia offiziell nicht als Beta, hat aber ansonsten genügend Vorwarnungen gegeben, die die Spieler hätten erkennen müssen. Die frühen Vorbesteller haben die FOUNDERS Edition bestellt, die etwas späteren immerhin noch die PREMIERE Edition – klingt nicht unbedingt nach dem typischen Starterpaket für die Masse. Außerdem ist die Plattform nach wie vor nicht für alle Nutzer zugänglich und Google hatte frühzeitig gewarnt, dass zu Beginn nicht alle Features zur Verfügung stehen werden. Und genauso ist es gekommen.
Die Tester sollten, auch wenn es schwerfällt, etwas mehr Geduld mitbringen und nicht gleich die Fackeln zücken. Dass Google 120 neue Spiele angekündigt hat ohne dabei viele Namen oder Releasedaten zu nennen, hat viele Spieler erzürnt. Aber ist das denn wirklich so ungewöhnlich? Ich hatte es schon einmal in diesem Artikel erklärt: Google verkauft die Spiele und vermietet die Konsole. Mit den Spielen an sich hat man aber nichts zu tun, denn diese werden von externen Unternehmen entwickelt. Das wird später mit den Stadia Games Studios anders aussehen, aber derzeit ist das der aktuelle Stand.
Viele Spiele werden gleichzeitig für alle Plattformen erscheinen, einige auch für einen kurzen Zeitraum Stadia-exklusiv sein. Google kann nun aber nicht einfach die Titel und Daten verraten, wenn das in der Macht und Verantwortung der großen Publisher liegt. Es wurde klargestellt, dass man diese Aufgabe den Publishern überlässt, was weder merkwürdig noch Teil einer Hinhaltetaktik ist. Stadia hat mit den Spielen nichts zu tun und kann sie einfach nicht ankündigen. Die Info, „120 neue Spiele“, muss reichen – alles weitere kommt noch früh genug.
Bisher musste kein Spieler Abo-Gebühren zahlen
Es wird sich aber auch darüber mokiert, dass die Spieler viel Geld für Stadia zahlen und nun keine neuen Features oder Spiele erhalten. Das mag aus Sicht der Spieler korrekt sein, ist aber faktisch falsch. Die Spieler haben sich für 129 Euro den Controller, den Chromecast Ultra sowie einige Vorteile für die Spieleplattform gekauft. Oben drauf haben sie drei Monate Stadia Pro Gratis erhalten – und dieses Gratis-Abo läuft auch heute noch. Kein Spieler hat bisher, abgesehen vom Starterpaket, auch nur einen Cent für die Spieleplattform bezahlt. Natürlich haben sie sich mehr erhofft, aber dass sie viel Geld „bezahlen“ (nicht „bezahlt haben“), ist nicht korrekt.
Dass sich bei Stadia bisher nicht viel getan hat, liegt aber auch am leicht unglücklich gewählten Zeitpunkt des Launches. Über die Weihnachtsfeiertage kann man bei keinem Unternehmen viel erwarten und auch der Jahresbeginn verläuft häufig sehr schleppend. Und dass es gar keine Verbesserungen für Stadia gegeben hat, ist in der Form auch nicht korrekt. Natürlich wird man sich Verbesserungen aber auch für die Zeit nach der Öffnung der Spieleplattform aufheben um immer wieder neue Spieler durch Medienberichte anzulocken.
Google hat Fehler gemacht / macht Fehler
Google macht bei Stadia in puncto Kommunikation so ziemlich alles falsch, was man nur falsch machen kann. Das gesamte Konzept der Kommunikation mit den Fans und Spielern wirkt planlos, denn allein in den drei Monaten seit dem Start wurde mehrfach das Format für Ankündigungen gewechselt und auch der zuvor verkündete Rhythmus nicht eingehalten. Das kann und muss man Google vorwerfen, aber auch das wird sich mit Sicherheit irgendwann einspielen. Erstaunlich nur, dass Stadia in dem Punkt recht autark von Google zu agieren scheint, wo man eigentlich Erfahrung in solchen Bereichen haben sollte.
Der Artikel soll nun keine Verteidigung der Spieleplattform sein, aber vielleicht dennoch einige Spiele zum Nachdenken bewegen, was sie für Vorstellungen haben und mit welchen überhöhten Erwartungen sie offenbar damals das Starterkit bestellt haben. Stadia funktioniert – das wird ja gerne unter den Tisch gekehrt, aber darauf kommt es in erster Linie an. Alles weitere braucht Zeit und die muss man den Entwicklern auch zugestehen.
Dass viele Medien Googles Spieleplattform immer wieder für Tot oder zumindest einen Riesenflop erklären, macht die Sache natürlich nicht besser. Fragt sich, was sie sich davon versprechen. Möglicherweise das hier?