Vor wenigen Tagen hat Google angekündigt, den Umgang mit Drittanbieter-Cookies im Chrome-Browser zu überdenken und diese langfristig aus dem Browser zu entfernen. Das ist insofern erstaunlich, weil Google durch die anderen Browserhersteller zu diesem Schritt gezwungen wird, den man wohl am liebsten nicht gegangen wäre. Nun soll alles besser und transparenter werden, schlussendlich spielt sich Google aber wohl vor allem selbst in die Karten.
Jeder mag Kekse. Nur nicht im Browser. Cookies sind eine sehr alte Web-Technologie, sorgen aber seit einigen Jahren für immer größere Diskussionen und haben dementsprechend mittlerweile einen schlechten Ruf. Die mehr als lästigen und von der EU angestoßenen Cookie-Warnungen auf praktisch allen Webseiten haben das Fass für viele Nutzer zum Überlaufen gebracht, das eigentliche Problem wird damit aber natürlich überhaupt nicht gelöst – denn das nehmen nun die Browserhersteller in die Hand.
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Drittanbieter-Cookies sorgen schon seit längerer Zeit für Diskussionen und sollen nun auch aus dem Chrome-Browser verbannt werden – allerdings erst langfristig. Während die ersten Browser diese Cookies bereits vollständig blockieren, möchte Google einen sehr viel behutsameren Weg gehen und nach neuen Lösungen und Technologien suchen. Das überrascht nicht, denn Google selbst befindet sich in diesem Fall auf beiden Seiten und hat einen sehr großen eigenen Interessenskonflikt.
Das nur für die eigenen Interessen arbeitende Chrome-Team möchte die Privatsphäre der Nutzer soweit wie möglich schützen und muss natürlich auch mit den Datenschutz-Funktionen der Konkurrenz mithalten. Die Werbeabteilung des Unternehmens, die die das große Geld verdient und indirekt auch die Entwicklung des Chrome-Browsers finanziert, hingegen ist natürlich wenig begeistert und derzeit noch auf diese Drittanbieter-Cookies angewiesen. Hier prallen also zwei Welten aufeinander, die sogar nicht zusammenpassen wollen.
Google hat nun einen mehrstufigen Plan angekündigt, mit denen man die Drittanbieter-Cookies zuerst stärker absichern und später durch eine neue Technologie ersetzen möchte. Diese soll aber nicht nur im Chrome-Browser zum Einsatz kommen, sondern möglichst auf allen Plattformen und in allen Browsern.
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Google hat schon im vergangenen Jahr das neue Konzept der Privacy Sandbox angekündigt, mit der die Daten der Nutzer besser geschützt werden sollen und das Tracking über viele Seiten hinweg sehr viel kontrollierter ablaufen soll. Den großen Werbenetzwerken ist es über Drittanbieter-Cookies möglich, dem Nutzer quer durch das Web zu folgen und somit ein starkes Interessenprofil aufzubauen, was wiederum zu verbesserten Werbeanzeigen und mehr Klicks führt.
Auch Google nutzt diese Technologie und wird somit von den Browserherstellern vor den Kopf gestoßen, die diese nun einfach standardmäßig blockieren. Schon im vergangenen Jahr hatte man davor gewarnt, dass nicht-personalisierte Werbung für etwa 52 Prozent weniger Klicks sorgt – die Umsätze brechen also zur Hälfte ein. Gut, dass kann den Browserherstellern und auch den Nutzern erst einmal egal sein – schlussendlich ist es das aber nicht.
Wenn die Umsätze der ohnehin schon arg gebeutelten Portale einbrechen, dann wird das große Auswirkungen auf das gesamte Internet-Ökosystem haben. Viele Angebote werden verschwinden, es wird an noch mehr Stellen bezahlt werden müssen oder es muss noch mehr und noch penetrantere Werbung geschaltet werden – was wiederum zum nächsten Thema der Werbeblocker führt. Es kann also nicht im Interesse der Nutzer sein, dass die Webseiten weniger Umsätze generieren.
Google möchte nun schon bald neue Privacy Sandbox-Technologien vorstellen, mit denen die Informationen zur Identifizierung der Nutzer lokal auf dem Computer bzw. im Browser gespeichert wird. Das wird es jetzt zwar in Form der Cookies auch schon, aber die Auswertung und Profilbildung findet bei den Werbenetzwerken statt. Google möchte stattdessen nur einzelne Informationen herausgeben und die eindeutige Identifizierung erschweren bis unmöglich machen. Wie das genau funktionieren soll, erfahren wir in den nächsten Monaten.
Google Chrome ist zwar der dominierende Browser, aber dennoch kann so etwas global nur funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen. Man hofft also auf eine Zusammenarbeit mit anderen Browserherstellern, die diese Technologien ebenfalls implementieren sollen. Für Google geht es dabei vor allem um die Absicherung des eigenen Werbegeschäfts, das dann auch in den blockierenden Browsern wieder stärker anlaufen kann. Indirekt erlangt man so aber auch noch mehr Kontrolle und könnte es der werbenden Konkurrenz schwerer machen als dem eigenen Werbenetzwerk.
Google Chrome: Google macht Drittanbieter-Cookies sicherer & verbannt sie langfristig aus dem Browser
Google schützt sich selbst – na und?
Sowohl die kommende Cookie-Alternative als auch der im vergangenen Jahr eingeführte Werbeblocker im Chrome-Browser werden von Google als Innovation verkauft. Das sind sie vermutlich auch, denn sie gehen die grundlegenden Daten- und Monetarisierungsprobleme im Web an und sind erste Schritte dahin, diese dauerhaft zu lösen. Das ist sehr positiv und kann dafür sorgen, dass sich die seit Jahren immer weiter verschärfenden Zustände langsam wieder normalisieren.
Dass Google bei all diesen Schritten immer mehr Kontrolle gewinnt und somit die eigenen Interessen als Werbenetzwerk gegenüber der Browserlandschaft vertritt, sorgt nachvollziehbarerweise für Kritik. Rettet Google also das gesamte Web oder nur sich selbst? Die Frage ist schwer zu beantworten und vielleicht trifft auch beides zu. Die wichtigere Frage wird eher sein, ob auch die Konkurrenz ohne eigenen Webbrowser weiter ihren Geschäften nachgehen kann oder auf der Strecke bleibt.
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Ich persönlich bin noch nie auf die Idee gekommen, einen Werbeblocker oder Trackingschutz zu installieren und werde das auch in Zukunft niemals tun – denn als langjähriger Blogger sieht man die Sache ein bisschen anders. Das kann natürlich nicht jeder nachvollziehen, aber aus ganz persönlichen Gründen hoffe ich natürlich, dass solche Ambitionen Erfolg haben und zur Beruhigung beitragen, statt die Situation weiter zu eskalieren.
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