Google wird in wenigen Wochen die neue Suchmaschinen-Weiche in Android einführen und allen EU-Nutzern die Möglichkeit geben, die Standardsuchmaschine in nur einem Schritt global zu ändern. Diese neue Methode ist eine Folge der zahlreichen EU-Verfahren gegen Google und sorgt schon vorab aus ganz verschiedenen Gründen für Diskussionen. Während vielen Nutzern dieser zusätzliche Schritt eher lästig sein wird, ist er für die Suchmaschinen-Konkurrenz ein sehr teurer Spaß, von dem schlussendlich vermutlich nur Google profitiert. Dennoch ist es fair.
Google dominiert in vielen Bereich des digitalen Alltags und erreicht insbesondere mit der Suchmaschine und dem Betriebssystem Android sehr hohe Marktanteile. Die beiden Geschäftsbereiche sind völlig unabhängig voneinander entstanden, sind aber längst tief miteinander verwurzelt und ein Dorn im Auge der Wettbewerbshüter und Konkurrenten. Im Herbst 2018 musste Google deshalb eine hohe Milliardenstrafe in der EU zahlen und wurde zu einigen Änderungen verdonnert. Doch diese dürften auch dieses mal ihr eigentliches Ziel verfehlen.
Android: EU-Auflagen werden für Google zur Goldgrube – auf Kosten der alternativen Suchmaschinen
Google muss es den Nutzern in der EU erleichtern, den Standard-Browser sowie die Standard-Suchmaschine zu ändern, weil sie es offenbar selbst nicht alleine hinbekommen. Es muss aber nicht nur der Änderungsprozess erleichtert werden, sondern den Nutzern müssen auch Alternativen vorgeschlagen werden, die sehr leicht eingestellt werden können. Schon vor einigen Monaten wurde die Browserweiche im Play Store eingeführt und in wenigen Wochen zündet mit der Suchmaschinenauswahl bei der Smartphone-Einrichtung die zweite und letzte Stufe.
Ab dem 1. März wird Google alle Nutzer nach ihrer bevorzugten Standard-Suchmaschine fragen (hier seht ihr Screenshots) und den Wechsel sehr leicht machen. Mit nur einem Schritt wird die Suchmaschine im Browser und im Widget umgestellt und sogar die Android-App des gewählten Anbieters installiert. Doch die kurze Liste der Alternativen ist nicht zufällig oder nach Verbreitung ausgewählt, sondern Google lässt sich dafür bezahlen. Jede dort gelistete Suchmaschine hat ein Gebot pro Nutzer abgegeben, das man bereit ist zu zahlen. Die drei Höchstbietenden werden in den jeweils folgenden vier Monaten dort aufgelistet und erhalten den Zuschlag.
Man kann also nicht von einer Auswahl reden, sondern eher von einer großen Werbeanzeige, an der Google auf jeden Fall mitverdient und von jeder Auswahl des Nutzers profitiert. Wird Google ausgewählt, hält man den Nutzer. Wird ein Konkurrent ausgewählt, fließt Geld nach Mountain View.
Android: Google zeigt neue Suchmaschinen-Weiche für alle EU-Nutzer – diese Alternativen könnt ihr wählen
Wie hoch der Betrag sein wird, den die anderen Suchmaschinen pro Nutzer zahlen müssen, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Durch das Auktionssystem kann die Höhe je nach Region sehr unterschiedlich ausfallen. In Land A können es vielleicht nur wenige Cent sein, während es in Land B auf mehrere Euro hochgehen kann. Das kann man mit dem AdWords-System hinter den Werbebannern vergleichen, denn dort gehen die Klickpreise pro Begriff ebenfalls vom einstelligen Cent-Bereich bis zum zweistelligen Euro-Bereich.
Prominente Werbeplätze kosten viel Geld
Der „Werbeplatz“ bei der Einrichtung eines neuen Android-Smartphones und in weiter Folge DER Platz auf dem Homescreen von Hunderten Millionen Nutzern ist mehr als attraktiv und vielleicht der beste Werbeplatz der Welt – zumindest für eine Suchmaschine. Es ist also gut möglich, dass hier hohe Eurosummen pro Nutzer gezahlt werden. Dabei darf man nicht vergessen, dass die neuen Suchmaschinen dann schließlich mit dem neuen Nutzer viel Geld durch Werbeanzeigen in den Suchergebnissen verdienen können.
Die Auswahl wird kaum funktionieren
Problematisch ist allerdings, dass die Menschen in vielen Ländern nur Google kennen. Von anderen Suchmaschinen haben sie noch nie etwas gehört und können auch mit den Namen wie Qwant, Info.com oder auch DuckDuckGo nicht viel anfangen. Da die Auswahlliste keine weiteren Informationen gibt, werden wohl nur sehr wenige Nutzer eine andere Auswahl als „Google“ treffen. Niemand wird denken, „oh, diese Suchmaschine wollte ich schon lange verwenden“ und dann die Auswahl treffen. Wer wechseln wollte, hat das schon längst getan.
Das nächste Problem ist es, dass viele Suchmaschinen aufgrund von Googles jahrelanger Dominanz nur vergleichsweise kleine Fische sind und nur in wenigen Ländern große und finanzkräftige Konkurrenten existieren. Es werden sich also nur wenige Anbieter den Luxus leisten können, überhaupt in dieser Liste aufzutauchen. Und die, die es sich leisten können, hätten es vermutlich ohnehin nicht notwendig. Der Nutzer schlittert also vom Regen in die Traufe. Diese mangelnde Auswahl an attraktiver Konkurrenz kann man Google aber nicht vorwerfen.
Braucht Google die Suchleiste?
Die nächste Frage ist, ob Google die Suchleiste überhaupt unbedingt benötigt. Wenn dort plötzlich Suchmaschine X aufgeführt ist, dann öffnen die Nutzer eben den Browser und nutzen die Google-Suche. Außerdem ist die Google Suche im Discover Feed, im Google Assistant und selbst in der Tastatur-App Gboard integriert und somit stets nur wenige Schritte entfernt verfügbar. Suchmaschine X zahlt also viel Geld und am Ende bleibt der Nutzer doch bei Google. Das kann die Konkurrenz, wenn das im großen Stil geschieht, sogar schwächen.
Das Aus für die Konkurrenz?
Für die Suchmaschinen-Konkurrenz kann Googles neues System nun sogar zum Fallstrick werden: Neugierige Nutzer könnten eine alternative Auswahl treffen, diese kurzzeitig verwenden und dann wieder zurück zu Google wechseln. Mit absoluter Sicherheit wird Google Mittel und Wege finden, diesen erneuten Wechsel zu Google sehr leicht und mit wenigen Schritten zu gestalten. Die Konkurrenz zahlt also an Google und kann den Nutzer nicht halten. Google hingegen verdient doppelt. Für die ohnehin finanziell meist nicht ganz so starke Konkurrenz ein riesiges Problem, das sich erst durch die EU-Regelung aufgetan hat…
Warum das System dennoch fair ist
Google hat Android über Jahre aufgebaut und es zum heutigen Erfolg geführt – und die Früchte dieser für alle kostenlos nutzbaren Plattform möchte man natürlich auch ernten. Natürlich soll und muss es Konkurrenz geben, aber warum sollte Google diese mit sehr viel Geld aufgebaute Plattform nun kostenlos der Konkurrenz überlassen? Dafür gibt es überhaupt keinen Grund und auch keine rechtliche Grundlage. Dass die Nutzer die Möglichkeit zum Wechsel haben sollen ist selbstverständlich, aber der Konkurrenz gleichzeitig den roten Teppich auszurollen, kann niemand verlangen.
Es ist also nur fair, dass Google diesen wichtigen Platz nicht verschenkt, sondern verkauft. Andere Unternehmen können auch von keinem Gericht der Welt dazu gezwungen werden, ihre Kunden kostenlos an die Konkurrenz abzugeben, nur weil sie zuviele davon haben. Google finanziert die Android-Entwicklung zu großen Teilen über die Einnahmen der Websuche. Wenn diese wegbrechen, müssen sie durch andere Umsatzquellen ersetzt werden. Dass der Nutzer dabei „verkauft“ wird, ist eben das Ergebnis der wieder einmal lächerlichen EU-Forderung, der Google erneut mit einem geschickten System entgegnet.
Natürlich ist das nicht im Sinne der eigentlichen Intention der EU-Kartellbehörden, aber schlussendlich ist es ein faires offenes System im Sinne der freien Marktwirtschaft. Erfolg muss man sich erarbeiten und nicht auf dem Präsentierteller geschenkt bekommen – und ohne Marketing (als nichts anderes kann man diesen Platz in der Android-Auswahl bezeichnen) geht es in den meisten Fällen nun mal nicht.
Zu guter Letzt sollten wir nicht vergessen, dass umgekehrt Google 10 Milliarden Dollar an Apple zahlt, um als Standard-Suchmaschine vorinstalliert zu sein. Es hat also einen erheblichen Marktwert.
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