In wenigen Wochen wird Google gemeinsam mit Volvo die ersten Fahrzeuge mit dem neuen Betriebssystem Android Automotive auf die Straßen bringen und die Ambitionen der gesamten Android Auto-Plattform deutlich erhöhen. Das Betriebssystem unterliegt allerdings den gleichen Beschränkungen wie die Smartphone-Variante und wird somit in China in der Form nicht auf den Markt kommen können. Audi schafft für diesen Markt nun einen eigenen Ableger und könnte dadurch einen sehr mächtigen Android Automotive-Konkurrenten entwickeln.
Google hat mittlerweile alle großen Hersteller für Android Auto gewinnen können und steht nun mit Android Automotive praktisch wieder am Anfang – und vor einem deutlich steinigeren Weg. Während es bei Android Auto nur um die Freischaltung der Unterstützung ging, wird bei Android Automotive gleich das gesamte Betriebssystem der Infotainment-Plattform ausgetauscht. Die Hersteller müssen sich also nicht nur auf Google verlassen, sondern auch ihre eigene Lösung über Bord werfen.
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Mit Android Automotive greift Google im Fahrzeugmarkt richtig an und kämpft mit den Herstellern um die Vorherrschaft im Auto – und damit auch um die wertvollen Daten. Mit Volvo und dem verwandten Unternehmen Polestar hat Google bisher zwei Unternehmen gewinnen können, die schon in den nächsten Wochen ihre ersten Fahrzeuge mit dem neuen Betriebssystem auf den Markt bringen werden. Einige weitere große Hersteller haben bereits ihre Unterstützung zugesagt oder zumindest Interesse signalisiert, während andere – wie etwa VW – sich gegen Google stellen wollen.
Auf dem wichtigen chinesischen Markt wird Android Automotive allerdings nicht oder nur sehr begrenzt angeboten werden können, denn Google ist in diesem Markt praktisch nicht aktiv und kann somit keine Apps und keinen Assistenten anbieten. Das ist ein Problem für die Autohersteller, die ihre Fahrzeuge natürlich global verkaufen wollen und sich für China eine Sonderlösung überlegen müssen. Genau das ist aber auch die Chance für alle Unternehmen, einen mächtigen Konkurrenten aufzubauen.
Kurioserweise sind die beiden ersten Partner für Android Automotive in chinesischer Hand, werden die Fahrzeuge dann aber wohl nicht mit Googles Android Automotive im eigenen Land verkaufen können.
Audi arbeitet an einer eigenen Plattform auf Android-Basis
Audi hat nun angekündigt, für den chinesischen Markt eine ganz neue Infotainment-Plattform entwickeln zu wollen, die auf das Betriebssystem Android aufsetzt und somit in der Lage sein soll, alle Android-Apps auszuführen. Dabei ist wohlgemerkt vom freien Android die Rede, das zwar von Google vorangetrieben wird, aber keinerlei Google-Anbindung enthält und in China unter anderem der Standard auf allen Smartphones ist. Auf dieser Grundlage wird Audi eine eigene Oberfläche aufbauen, die sehr viel Flexibilität verspricht.
Details zu der geplanten Plattform gibt es noch nicht, aber Audi verschafft sich damit eine sehr interessante Position und könnte eventuell einen Grundstein für ein in Zukunft sehr erfolgreiches System legen, dass dann auch mit Googles Plattform konkurrieren kann. Durch die Verwendung von Android als Grundlage hält man sich das riesige Ökosystem offen, dürfte die Smartphone-Anbindung problemlos anbieten können und schafft eventuell auch noch eine Oberfläche, mit denen die Nutzer bereits vertraut sind.
Allerdings schafft sich Audi mit der Verwendung einer eigenen Android-Plattform auch einige Pflichten: Der Hersteller muss sich plötzlich auch um Sicherheitsupdates oder Betriebssystem-Updates kümmern und diese zeitnah ausliefern – etwas, woran bekanntlich schon die Smartphone-Hersteller immer wieder zu knabbern haben und sehr viel Zeit benötigen. Ob ein Fahrzeughersteller das besser lösen kann? Es könnte zumindest ein Stolperstein werden.
Interessant an dieser Entwicklung ist es, dass Audi eigentlich gar keine Alternative zu Android Automotive für den chinesischen Markt benötigt, denn das Unternehmen hat Stand Heute gar nicht vor, auf Googles Plattform zu setzen. VW hat schon vor einigen Monaten betont, sich nicht weiter von Google abhängig zu machen und eigene Plattformen auf Basis von Android entwickeln zu wollen. Zwar gibt es zu all diesen Projekten keine Details, aber aktuell scheint es so, als wenn es sich bei VW und Audi um ganz unterschiedliche Projekte handelt.
Zum derzeitigen Stand ist es aber wohl keine schlechte Idee, in verschiedene Richtungen zu entwickeln und sich nicht in eine Sackgasse zu verrennen. Gerade bei einem Autokonzern wie VW, mit zahlreichen starken Marken unter einem Dach, kann man sich erst einmal um verschiedene Ansätze bemühen, bis dann eines Tages wieder das berühmte Baukastenprinzip auch für den Infotainment-Bereich Anwendung findet.
Das Anti-Google-System?
Langfristig könnte eine solche Plattform von Audi große Chancen haben, denn bei entsprechendem Erfolg gibt es kaum einen Grund, es nicht in allen anderen Marken des VW-Konzerns zu verwenden – und VW ist bekanntlich immer wieder mal der weltweit größte Autohersteller. Eine solche Marktmacht ist nicht zu unterschätzen – vor allem dann nicht, wenn auch alle anderen Google-nutzenden Hersteller für China eine Alternative benötigen.
Der Markt der wirklich smarten Infotainment-Betriebssystem steckt noch in den Kinderschuhen und wird erst in den nächsten Jahren aufgeteilt werden, sodass es für Google trotz des Android Auto-Erfolgs alles andere als ein Selbstläufer wird. Über die bevorstehenden Schwierigkeiten und Probleme, die sich Google zum Teil selbst stellt, könnt ihr in diesem Artikel ausführlich nachlesen.
Wir dürfen sehr gespannt sein, was sich in den kommenden Monaten auf diesem Markt tun wird und wie sich die großen Hersteller rund um den ersten Start von Android Automotive äußern werden.