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Stadia: Holpriger Start & viele Enttäuschungen – was hat Google zum Start der Spieleplattform falsch gemacht?

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Im März 2019 hat Google die neue Spieleplattform Stadia angekündigt und allein schon mit der Präsentation für große Begeisterung, aber auch Diskussionen gesorgt. Ganze acht Monate später sollte Stadia dann endlich an den Start gehen und die ersten Spieler begrüßen – doch die anfängliche Begeisterung ist eher einer gesunden Skepsis und zu großen Teilen auch einer Enttäuschung gewichen. Stadia ist wahrscheinlich ein sehr gutes Produkt, aber Google hat viele Fehler gemacht. Die großen Neuerungen kommen erst 2020.


Wenn Google ernsthaft beschließt, in einen neuen Markt einzusteigen und nicht nur Testballons abzusetzen, dann können sich die Nutzer oft freuen und die Konkurrenz sehr warm anziehen. Mit GMail hat Google damals ganz neue Speicherplatz-Dimensionen ermöglicht, mit Chrome die aufgeblasenen Browser verdrängt, mit Android den Smartphone-Markt jenseits von Apple überhaupt erst ermöglicht und so weiter – es gibt noch viele Beispiele. Auch Stadia soll rückblickend irgendwann in diese Aufzählung passen, aber dafür muss sich Googles Team nun gewaltig ins Zeug legen.


Stadia: Google hat noch sehr große Pläne – diese Neuerungen kommen ab 2020 zur Spieleplattform

Stadia ist für Google nicht nur eine einfache Spieleplattform, sondern ein echtes Mammut-Projekt, an dem man seit vielen Jahren arbeitet und das in Zukunft zu einem sehr wichtigen Standbein des Unternehmens ausgebaut werden soll. Dass Google dazu in der Lage wäre, steht außer Frage: Das technische Know-How ist vorhanden, Partnerschaften in die Industrie hat man ebenfalls zur Genüge, die Reichweite der vielen Google-Produkte ist ungeschlagen und wenn alles nichts hilft, hat man noch das gut gepolsterte Bankkonto und kann sich groß in die Spiele-Industrie einkaufen.

Die große Frage wird es sein, wie ernst es Google mit Stadia wirklich meint und ob man bei Bedarf auch All-in gehen oder eher die Reißleine ziehen wird. In den Monaten nach der Ankündigung hat man keinen Zweifel daran gelassen, dass Stadia eine gewisse Priorität im Unternehmen genießt, doch zumindest beim Start hat man davon nicht mehr viel bemerkt. Es sind einige Dinge schiefgelaufen, viele Spieler mussten sich länger gedulden oder warten noch immer und selbst das erste und einzige Stadia-Zubehör lässt noch auf sich warten und dürfte wohl eher spontan als langfristig geplant entwickelt worden sein: Die Rede ist von The Claw.

Man sollte meinen, dass Google mit dem Release von neuen Produkten und Plattformen eine gewisse Erfahrung hat, aber diese ist bei Stadia in vielen Punkten nicht eingeflossen. Stattdessen hat man viele Fehler gemacht, die man sehr leicht hätte verhindern können und zwangsläufig zu Problemen führen mussten.



Google hat die Erwartungen in den Himmel geschraubt
Google hat Stadia mit sehr großen Worten und bildgewaltigen Präsentationen angekündigt – eine Revolution der gesamten Spielebranche. Stadia befreit die Nutzer endlich von ihren Konsolen und ermöglicht das Spielen immer und überall ohne jegliche Grenzen. Es hatte rückblickend betrachtet fast etwas von Apples 1984-Werbespot – und erzielte bei vielen Beobachtern vermutlich auch genau diese Wirkung. Stadia ist die Revolution, die den Spielemarkt vorantreibt. Spieler waren begeistert, die Presse aus dem Häuschen und die Konkurrenz bekam kalte Füße. Natürlich leicht überspitzt dargestellt.

Aber wer eine Revolution ankündigt, der muss dann auch liefern – aber das konnte Google am Anfang nicht. Es ist gut möglich, dass Stadia all das was versprochen wurde in einigen Jahren erfüllen wird, aber die Spieler spielen JETZT. Die Erwartungen wurden ab dem ersten Tag extrem hochgeschraubt, Google hat sich selbst einen enormen Druck aufgebaut und das Marketing hat versucht, diesen Hype bis in den Spätherbst zu transportieren – zum Teil mit Erfolg. Aber das konnte schlussendlich nur schiefgehen.

Zu große Versprechen und Ankündigungen
Google hat im März sehr große Versprechen gemacht und auch viele Funktionen gezeigt, die aktuell noch gar nicht zur Verfügung stehen. Ein Kernthema war es, dass Stadia sehr tief in YouTube integriert ist und die Nutzer jederzeit von einem Livestream in das Spiel eintauchen können. Dass sie Spielstände speichern und mit anderen Nutzern teilen können, dass Spiele nahtlos zu YouTube übertragen werden können. Doch noch ist davon nichts zu sehen und die im März 2019 auf der Bühne gezeigte YouTube-Integration kommt vielleicht nicht vor 2021.

Dass die Spiele kein versprochenes 4K haben, dass nicht alle Vorbesteller der Founders Edition am ersten Tag spielen können – was sie zurecht sauer werden lässt – oder dass es zum Start noch technische Einschränkungen gibt, ist da nochmal eine andere Sache. Vieles davon ist temporär und in zwei Wochen schon vergessen, aber es sind die vielen kleinen Enttäuschungen, die sich dann doch summieren. Fraglich ist, wie viele dieser Hürden aufgrund des gewollt kontrollierten Wachstums der Plattform selbst aufgestellt hat. Das man z.B. innerhalb von nur fünf Tagen das Line-Up von 12 auf 22 Spiele erhöhen kann zeigt doch nur, dass man diese Titel absichtlich zurückgehalten hat. Aber warum?

Zu wenige Informationen
Groß ankündigen und dann viele Fragen offen lassen war noch nie eine gute Idee – aber Google hat es mit Stadia fast auf die Spitze getrieben. Vorbesteller sollten das Starterpaket für 130 bestellen, ohne zu wissen, wann die Spieleplattform startet, wann das Starterkit erhalten wird, welche Spiele angeboten werden und auch nicht, welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen. Als alle diese Informationen dann nach und nach Preis gegeben wurden, folgten Schlag auf Schlag immer mehr Enttäuschungen: Der gestaffelte Versand, der fehlende Google Assistant, der auf ein Kabel angewiesene kabellose Controller, das überschaubare Line-Up und einiges mehr.



Google versteht die Spieler nicht
Google hat sich erfahrene Personen aus der Spielebranche geschnappt um Stadia aufzubauen, aber dennoch konnte man sich in gewisser Weise nicht in die Spieler hineinversetzen. Sonst hätte man sie nicht nur staffelweise, trotz Vorbestellung, auf die Plattform gelassen. Das gesamte „Founders“-Gefühl (Ich war der Erste!) ist nach acht Monaten vollständig hinüber, wenn man zwei Wochen länger warten muss als alle anderen. Wenn der Wunschname plötzlich schon vergeben ist. Und wenn sogar der Buddy Pass zum Einladen anderer Spieler erst später kommt.

Das sind Enttäuschungen, die wohl nur Spieler nachvollziehen können und die einfach nur auf einer Strategie von Google und keinerlei technischen Hürden beruht. Ein schwerer Fehler – und vermutlich nicht der Letzte. Google muss nun ranklotzen und die Spieler nicht nur mit hochqualitativen Streams, sondern auch zusätzlichen Angeboten locken und halten. Stadia mag technisch beeindruckend sein, aber den Spielern ist das egal, denn sie möchten spielen – und sich nicht nur darüber freuen, dass das wirklich alles so gut funktioniert wie versprochen. Das setzt man einfach voraus. Wer sich eine neue Xbox kauft, erwartet auch dass sie die angebotenen Titel flüssig abspielt und interessiert sich in den meisten Fällen nicht dafür, was im Hintergrund geschieht.


Es ist anzunehmen, dass Google aus den Fehlern lernt und sowohl die Kinderkrankheiten als auch die strategischen Fehlentscheidungen aufarbeitet. Man hatte stets betont, einen langen Atem haben zu wollen, es wurde also wohl von Anfang nicht damit gerechnet, dass Stadia direkt durch die Decke geht – das wäre auch unvernünftig. Nun kommt es darauf an, was Google daraus macht und wo die Spieleplattform in zwei oder drei Jahren steht. Erst dann lässt sich beurteilen, ob Stadia in die AAA-Liga der Google-Produkte aufsteigt oder doch irgendwann eine Etage tiefer zu finden ist.

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