Alle sechs Wochen bringt Google eine neue Chrome-Version auf den Markt, die den Weg für neue Funktionen bereitet, die oftmals erst aus der Ferne über einen serverseitigen Schalter aktiviert werden. Aufgrund der gesamten Chrome-Infrastruktur funktioniert das sehr gut, aber in dieser Woche hat Google es etwas übetrieben und durch einen zu weit gefächerten Test dafür gesorgt, dass Tausende Browser in Unternehmen nicht mehr problemlos genutzt werden konnten.
Googles Browser-Team experimentiert sehr gerne, das lässt sich gerade wieder an der wirren neuen Tab-Übersicht im mobilen Browser ablesen. Aber auch Nutzer und Admins in Unternehmen mussten in dieser Woche feststellen, dass Google sehr einfach aus der Ferne Funktionen einspielen und aktivieren kann, die vielleicht nicht immer ganz fehlerfrei laufen und auch noch nicht vollständig zu Ende getestet worden sind.
Mit der Chrome Beta 79 testet Google derzeit die eingefrorenen Tabs, die dafür sorgen sollen, dass nicht verwendete Tabs kaum Speicher und Prozessorleistung benötigen. Eine solche Funktion will natürlich sehr gut geplant und im Anschluss auch getestet werden, bevor sie weltweit auf über eine Milliarde Nutzer losgelassen wird. Bisher hatte das Chrome-Team dieses Feature in den drei experimentellen Versionen Beta, Dev und Canary getestet – hat aber offenbar nicht ausreichend Feedback bekommen.
Um noch mehr Feedback und Nutzungsstatistiken zu sammeln, hatte sich Google dazu entschieden, die Funktion bereits im stabilen Channel zu testen. Am Montag in dieser Woche wurde die Funktion bei 1 Prozent aller Nutzer aktiviert und hat zu keinerlei Problemberichten geführt – und bei der Chrome-Verbreitung sind 1 Prozent schon weit mehr als 10 Millionen Nutzer. Also hatte man sich dazu entschlossen, den Test auszuweiten bei noch mehr Nutzern zu aktivieren – und so traf es die produktiven Systeme in Unternehmen.
Bei einigen Unternehmen hat diese neue Funktion dann zu erheblichen Problemen geführt, die von den Admins als „White Screen of Death“ getaugt wurde – angelehnt an den legendären Blue Screen of Death von Microsoft Windows.
Die Funktion hat dazu geführt, dass die Tabs nicht nur eingefroren, sondern deren Inhalt einfach vollständig gelöscht worden ist. Als die Nutzer einen eingefrorenen Tab dann wieder öffnen wollten – von dem sie nicht einmal wussten, dass er sich im Sparmodus befindet – sahen sie nur einen leeren weißen Tab. Ein Reload hat den Inhalt dann zwar wieder angezeigt, aber eben vollständig neu geladen. Wurden zuvor Aktionen durchgeführt oder Daten eingegeben, waren sie verschwunden.
In Zeiten von Web-Apps auf allen Ebenen kann das natürlich einen erheblichen Schaden verursachen, wenn die Arbeit von Stunden plötzlich verschwunden ist oder bestimmte Daten vielleicht vollständig verloren gegangen sind. Berichte über finanzielle Schäden gibt es zwar nicht, aber allein die verlorene Arbeitszeit bei den tausenden Betroffenen kann schon eine nette Summe ausmachen. Die Admins waren natürlich wenig begeistert, weil ihnen so kurzfristig auch die Hände gebunden waren und sie nicht mal so eben nebenbei einen neuen Browser im gesamten Unternehmensnetzwerk installieren konnten.
Vom US-Händler Costco ist bekannt, dass die Callcenter des Händlers gut eineinhalb Tage lang nicht vernünftig dazu in der Lage waren, mit Kunden zu interagieren.
Google hat nach etwa zwei Tagen reagiert, also am gestrigen Donnerstag, und das Experiment beendet. Sollte es bei einigen Nutzern noch aktiv sein, lässt es sich über die neuen Flags #web-contents-occlusion und #calculate-native-win-occlusion abschalten. Unklar ist, warum Google eine noch in der Beta-Phase befindliche Funktion freischaltet, um mehr Feedback zu sammeln. Damit so etwas nicht passiert, hat man schließlich die Beta-, Dev- und Canary-Infstruktur und die Flags…
Siehe auch
» Chrome für Android: Google testet völlig überladenes Design für den neuen Tab-Wechsel (Screenshots)
» Google Chrome: Der Browser soll zukünftig vor langsamen Webseiten warnen – so könnte es aussehen
Android: Backup aller Daten auf Google Drive sorgt seit Monaten für große Probleme – so könnt ihr es umgehen
[heise]