In dieser Woche gab es einige interessante Entwicklungen bei Google: Es wurden viele neue Produkte gezeigt, andere wurden durch neue Generationen ersetzt und wieder andere wurden natürlich ohne große Ankündigung aus der Produktpalette gestrichen. Auf die Web-Plattform Blogger trifft irgendwie alles so ein bisschen zu, denn die App hat in dieser Woche völlig überraschend und aus dem Nicht heraus ein neues Design bekommen. Das nährt Hoffnungen auf einen Neustart.
Google verfolgt in einigen Bereichen eine merkwürdige Strategie, die von Außen häufig wenig durchdacht scheint und für Nutzer und Beobachter nicht nachvollziehbar ist. Aber natürlich arbeiten in Mountain View keine Idioten (rein umgangssprachlich), sondern die Strategen und Produktmanager verfolgen bestimmte Ziele und haben sich natürlich auch etwas bei ihren Entscheidungen gedacht. Manchmal dauert es eben ein bisschen, bis die Wege für Außenstehende deutlich werden oder zum Erfolg führen.
Vor wenigen Tagen hat Google der Android-App der Blogging-Plattform Blogger ein neues Design verpasst, das der App eine zeitgemäße Oberfläche gibt und zumindest in Ansätzen mit den vielen anderen „großen“ Google-Apps gleichzieht. Das Redesign selbst war seit Jahren überfällig, wäre aber eigentlich nicht der Rede wert, wenn es sich um eine X-beliebige andere Google-App gehandelt hätte. Doch bei Blogger sind die Dinge ein bisschen anders.
Die Blogging-Plattform muss leider schon seit vielen Jahren der Kategorie Zombie-Apps zugeordnet werden – also den untoten Google-Apps. Das sind die Apps, die seit langer Zeit nicht mehr weiter entwickelt werden, für das Unternehmen keine große Rolle mehr spielen, aber dennoch nicht eingestellt werden. Doch mittlerweile findet sich Blogger seit so langer Zeit auf dieser Liste, dass eine Einstellung heute überraschender denn je wäre. Und dazu wird es glücklicherweise wohl auch nicht kommen.
Weil Blogger bis heute in unveränderter Form nutzbar ist und sich auch nach wie vor bei den bloggenden Nutzern einiger Popularität erfreut, muss man mittlerweile davon ausgehen, dass die Plattform doch noch eine Rolle spielt und als strategisch wichtig angesehen wird. Gut möglich, dass wir schon bald einen kompletten Relaunch sehen werden. Erwartet wird das schon seit längerer Zeit.
Blogger gehört zu den ältesten Diensten im Google-Universum und kam durch die Übernahme von Pyra Labs im Jahr 2003 zu Google – eine der ersten größeren Übernahmen des Unternehmens. Die Übernahme von Blogger ist mit der einige Jahre später erfolgten Übernahme von YouTube zu vergleichen – denn beide Plattformen hatten großen Einfluss auf das „Web 2.0“, boten allen Nutzern die Möglichkeit zur Selbstdarstellung und standen gewissermaßen noch ganz am Anfang. Blogger wurde auch stark weiter entwickelt, doch irgendwann war die Luft raus.
Google dachte, Blogs sind tot
Irgendwann muss bei Google jemand die Entscheidung getroffen haben, dass Blogs keine Relevanz mehr besitzen und sich das Unternehmen stattdessen auf andere Soziale Plattformen konzentrieren sollte. Es folgten YouTube, Google Buzz, Google+ und viele weitere Produkte, auf denen die Nutzer ihre eigenen Inhalte veröffentlichen konnten und im Fall von YouTube auch noch immer können. Doch keines davon war und ist so flexibel wie Blogger. Das dürfte man langsam gemerkt haben.
Blogger kann nach wie vor eine sehr zentrale Rolle im Google-Universum spielen und mit einem umfangreichen Relaunch das Blogging auf die nächste Stufe bringen. Google besitzt spätestens seit dem Aus von Google+ keinen Social Stream mehr und bietet den Nutzern keine Möglichkeit, anderen Nutzern in irgendeiner Form global über alle Plattformen hinweg zu folgen. Das ist eine Lücke, die sich nicht so leicht füllen lässt, für die Blogger aber prädestiniert ist.
Google braucht Inhalte
Aber nicht nur der Social Stream ist etwas, das Google derzeit nicht zu bieten hat, sondern Blogger kann auch auf dem Kerngebiet sehr wichtig sein. Die Plattform liefert Inhalte und damit auch Informationen – und das ist genau das, wofür Google seit Beginn an steht. Die meisten Inhalte werden von externen Plattformen abgerufen, was aber aufgrund gesetzlicher Regeln und rechtlichen Problemen immer schwerer wird – siehe die jüngste Leistungsschutzrecht-Umsetzung.
Den Content selbst zu hosten, von den eigenen Nutzern produzieren zu lassen und dann auch noch die Monetarisierung in die Hand zu nehmen – AdSense ist natürlich seit vielen Jahren in Blogger integriert – scheint die bessere Lösung zu sein. Das YouTube-Modell lässt sich vortrefflich auf Blogger übertragen und natürlich sind strukturierte Textinhalte auch wesentlich einfacher zu kontrollieren und sinnvoll miteinander zu verknüpfen als Videos. Gerade Letztes sorgt derzeit durch eine Mozilla-Kampagne für Ärger.
Blogger wird vielleicht wieder zum Leben erweckt
Ist das kleine Redesign der Android-App nun tatsächlich der Anstoß für den Glauben, dass Blogger einem Relaunch unterzogen wird? Nein, aber ein weiteres Puzzlestück. Schon zu Beginn des Jahres gab es eindeutige Hinweise auf ein großes Blogger-Update und im Laufe der letzten Jahre wurden einige Produkte und Plattformen eingestellt, die vor dem Exodus den Export zu Blogger angeboten haben – das waren erst jüngst das Social Network Bulletin und auch Google+ Beiträge ließen sich zu Blogger exportieren bzw. Blogger wurde als mögliche Nachfolger-Plattform empfohlen.
Googles langer Atem, die Hinweise auf das Update, das nun erfolgte Update, der Export und einiges mehr sind alles Puzzlestückchen die vermuten lassen, das hinter den Kulissen großes in Planung ist. Natürlich kann ich das auch alles missinterpretieren und Blogger wird auch in fünf Jahren noch so aussehen wie heute, aber das kann man eben niemals wissen. Vielleicht gibt es auch noch große und relevante Blogs, die bei Blogger gehostet sind und nicht zu WordPress umgezogen sind oder selbst gehostet werden – das weiß ich leider nicht.
Ich bin wirklich sehr gespannt, ob sich die Vermutungen bestätigen werden, bisher hatte ich ganz persönlich häufig den richtigen Riecher bei solchen Dingen – vielleicht auch in diesem Fall wieder. Der Drahtseilakt für Google wird es dann aber natürlich sein, die teilweise seit über einem Jahrzehnt aktiven Nutzer gleichermaßen zu begeistern wie neue Nutzer, die dann natürlich in Scharen gesammelt werden müssen.