Mit Fuchsia arbeitet Google nun schon seit langer Zeit an einem völlig neuen Betriebssystem, das nicht nur an der Oberfläche viele Konzepte über den Haufen wirft. Auch in der tiefsten Ebene der Software stehen alle Zeichen auf einen Neustart, denn der Zircon-Kernel basiert nicht auf Linux und ist zu großen Teilen eine Eigenentwicklung des Unternehmens. Selbst wenn die Fuchsia-Oberfläche niemals genutzt werden sollte, ist Zircon der Bestandteil des Projekts, auf dem zukünftig viel aufgebaut werden könnte.
Jedes größere Betriebssystem besteht aus einer Reihe von Ebenen, die aufeinander aufbauen und jeweils ganz bestimmte Aufgaben haben. Der Kernel ist häufig die unterste Ebene und sorgt für die Kommunikation zwischen Hardware und Software, hat aber auch längst viele weitere Aufgaben übernommen und ist somit das Herzstück eines jeden Betriebssystems. Bei einem über Jahrzehnte gewachsenen Projekt wie etwa Microsoft Windows kann der Kernel daher sehr viel Gewicht auf die Waage bringen.
Fuchsia besteht bekanntlich aus vier Layern, wobei der als Zircon bekannte Kernel auf unterster Ebene aktiv ist. Zircon sorgt für die Kommunikation mit der Hardware und ist somit der Bestandteil, der von den Hardware-Herstellern angepasst bzw. von den Komponenten-Herstellern beachtet werden muss, um eine Kompatibilität herzustellen. Eigentlich ein wenig interessanter Bereich, aber nach und nach kristallisiert sich heraus, dass Zircon der Teil ist, der vom großen Fuchsia-Projekt übrig bleiben wird.
Viele moderne Betriebssysteme basieren auf dem Linux-Kernel, auch Googles eigenes Android sowie Chrome OS. Allerdings ist auch dieser Kernel über mehrere Jahrzehnte gewachsen und in einer Zeit entstanden, als es nur Computer gab und sowohl von Smartphones, mobilen Geräten als auch dem Internet of Things noch längst keine Rede war. Natürlich gibt es immer wieder Anpassungen und Verbesserungen, aber nicht alle Entscheidungen oder Richtungen der damaligen Zeit lassen sich so einfach umkehren.
Es wird also Zeit, etwas Neues zu wagen und einen Kernel für die nächsten ein bis zwei Jahrzehnte zu entwickeln. Genau das hat Google mit dem Zircon-Kernel in Fuchsia in Angriff genommen und ist dabei offenbar sehr erfolgreich gewesen. Alles, was darüber angesiedelt ist, lässt sich leichter austauschen als der Kernel.
Fuchsia basiert auf dem LittleKernel
Auch bei Zircon haben Googles Entwickler aber überraschenderweise nicht komplett bei Null begonnen, sondern haben sich ein Open Source-Projekt zum Vorbild genommen und dieses stark verbessert. Die Grundlage bildet der LittleKernel, der möglichst schlank sein soll und somit auch für schwachbrüstige Geräte für das Internet of Things geeignet ist. Darauf aufzubauen und den gesamten weiteren Ballast – der einfach bei einem modernen Betriebssystem benötigt wird – vollkommen auszulagern, ist also nicht die schlechteste Idee.
Es gibt allerdings große Unterschiede zwischen Fuchsias Zircon und dem LittleKernel, die die Entwickler in kurzen Stichpunkten aufgeführt haben:
- LK can run in 32-bit systems. Zircon is 64-bit only.
- Zircon has first class user-mode support. LK does not.
- Zircon has a capability-based security model. In LK all code is trusted.
Während andere Kernel stark verschlankt werden müssen, um für IoT-Plattformen in Betracht zu kommen, ist Zircon bereits so schlank wie möglich gehalten und kann umgekehrt erweitert werden – ein riesiger Vorteil. Und genau das macht Zircon so interessant und könnte dafür sorgen, dass es schon sehr bald die erste Wahl für IoT-Geräte wird, selbst wenn das gesamte darauf aufbauende Fuchsia-Konstrukt keine Verwendung finden sollte.
Weil der Kernel auch noch komplett Open Source ist und somit für alle interessierten Unternehmen und Entwickler zur Verfügung steht, könnte es sich recht schnell verbreiten. In erster Linie hat Google als Haupt-Entwickler nichts davon, doch dieses Konzept hat bereits bei Android und Chromium sehr gut funktioniert und wird nun auch auf der Kernel-Ebene angewandt.
Schon von Beginn an hieß es, „Fuchsia is not Linux“. Das war der erste und einzige Leitsatz, mit dem das Betriebssystem beschrieben wurde – und das wohl nicht ohne Grund. Denn Fuchsia ist nicht Linux, sondern Fuchsia ist Zircon. Alles andere sind nur gerätespezifische Erweiterungen, Anpassungen für die jeweilige Plattform und den Einsatzbereich sowie in höheren Ebenen die vielen Assistenten oder auch die Benutzeroberflächen. All das sind modulare Erweiterungen für den Fuchsia-Kernel.
Kein Wunder also, dass selbst Huawei großes Interesse an Zircon hat und möglicherweise der erste große Fuchsia-Partner sein könnte, in welcher Form auch immer. Auch wenn trotz vieler jüngerer Veröffentlichungen mehr Informationen zu Fuchsia bekannt sind, gibt es noch immer kein großes Gesamtbild, wo das Betriebssystem eines Tages platziert werden könnte. Und man kann Google vielleicht sogar glauben, wenn es heißt, dass man noch keine konkreten Pläne hat. Vorstellungen und Visionen mit Sicherheit, aber eben keine festen Pläne.
Das gesamte Fuchsia-Projekt kann vielleicht als Demonstration für die Möglichkeiten des Zircon-Kernels gesehen werden, was auch erklären würde, warum es bereits auf vielen Geräteklassen vom Laptop über Smartphones bis hin zu Smart Displays im Testlabor zum Einsatz gekommen ist. Weil sich Google aber nach wie vor nicht konkret äußert, könnte das leider noch länger im Dunkeln bleiben, als vielen lieb ist. Nicht ausgeschlossen, das Unternehmen wie Huawei Fuchsia noch vor Google einsetzt. Vielleicht sogar als Teil von Harmony OS.
Siehe auch
» Harmony OS: Huaweis neues Betriebssystem könnte Android ersetzen & Googles Fuchsia zuvorkommen
» Huaweis Android-Ersatz ist da: Das neue Harmony OS kann Android ’sehr leicht und schnell‘ ersetzen
[Mit Material von: Quora]