Google hat im Laufe der über 20-jährigen Unternehmensgeschichte nicht nur Hunderte oder gar Tausende von Produkten geschaffen, sondern auch immer wieder Angebote und Plattformen eingestellt. Die jüngsten schmerzhaften Beispiele sind noch gut in Erinnerung, viele andere dürften aber längst aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden sein. Heute möchten wir erneut ein Produkt vorstellen, das bereits vor acht Jahren eingestellt wurde und schon damals keine Relevanz mehr hatte: Googles Wikipedia-Konkurrent Knol.
Im Internet sind die Rollen für die wichtigsten Märkte seit vielen Jahren abgesteckt. Google ist DIE Suchmaschine, Amazon DER Onlineshop und Facebook DAS Social Network-Unternehmen. Die Liste lässt sich auch mit der Online-Enzyklopädie Wikipedia fortsetzen, die für viele Nutzer DIE verlässliche Infoquelle für alle erdenklichen Themen ist. Genauso wie Google immer wieder mal Amazon und Facebook mehr oder weniger erfolgreich angreift, wollte man vor einigen Jahren auch Wikipedia an den Kragen. Aber auch das ging gründlich in die Hose.
Kaum zu glauben, aber es gab auch ein Internet vor der Wikipedia. Die Online-Enzyklopädie wurde im Januar 2001 gestartet und ist nach anfänglichen Schwierigkeiten kometenhaft gewachsen und hat sich schnell als erste Anlaufstelle für Informationen etabliert. Grundlegend war das aber eigentlich Googles Rolle (siehe oben), sodass es kein Wunder ist, dass man darauf reagieren musste. Hinzu kam, dass Wikipedia-Gründer Jimmy Wales mit Wikia auch noch eine eigene Suchmaschine starten wollte. Googles Reaktion auf Wikipedia wurde Ende 2007 erstmals vorgestellt: Knol.
Knol, dessen Bezeichnung sich vom englisch „Knowledge“ ableitet, war als offenes Lexikon konzipiert, an dem jeder Nutzer mitarbeiten und eigene Artikel einstellen kann. Diese Artikel konnten zu beliebigen Themen verfasst werden, sollten aber einen Enzyklopädie-Charakter haben und entsprechend aufgebaut sein, sowie natürlich auch eine gewisse Qualität voraussetzen. Das klingt im ersten Moment stark nach Wikipedia und war mit Sicherheit auch als Konkurrenz geplant, hat aber einige Dinge und Konzepte von Wikipedia grundsätzlich anders gehandhabt.
Aufgrund der Ausrichtung und einiger eingebrachter Konzepte wurde Knol nicht nur als Wikipedia-Konkurrent gesehen, sondern auch als eine Art Blogging-Plattform, nur eben mit hochwertigem Content. Aber auch als Lieferant für die Suchmaschine hätte es wohl eine große Rolle spielen sollen. Interessant an Knol war übrigens auch, dass das Produkt stets „Knol“ und niemals „Google Knol“ hieß.
Sowohl die Plattform als auch einzelne Artikel trugen die Bezeichnung „Knol“, womit schon deutlich wurde, dass jeder Artikel im besten Fall ein für sich abgeschlossenes Thema behandeln soll. Anders als bei Wikipedia, sollten Artikel allerdings nur von einer Person geschrieben werden, die aber bis zu 10 weitere Autoren einladen kann. Ein einzelner Knol wurde also von höchstens 10 Personen verfasst und konnte nicht von jedem Leser bearbeitet werden. Das hat sowohl Vorteile als auch Nachteile.
Bei Knol hatte jeder Autor somit die volle Freiheit und musste sich weder von anderen Nutzern reinreden lassen, noch endlose Diskussionen führen. Zugleich gab es keine der berühmten Relevanz-Diskussionen, denn bei Knol war grundsätzlich ALLES relevant. Ich persönlich habe (zu Testzwecken) eine Anleitung zum Basteln eines Papierfliegers erstellt und konnte gute Aufrufzahlen, Bewertungen und auch einen geringen Verdienst erzielen. Da Knol keine geschlossene Enzyklopädie war, haben solche Inhalte auch nicht gestört – musste ja keiner lesen.
Jeder Artikel konnte von anderen Lesern kommentiert werden, sodass im Kommentarbereich dennoch eine Diskussion entstehen konnte. Es wurde also glücklicherweise nicht unterbunden, sodass auch Leser auf Fehler hinweisen oder Zusatzinformationen einfügen konnten. Natürlich konnten sie dann über den Kontakt zum Autor auch Zugriff auf den Artikel beantragen und eventuell doch selbst etwas zu dem Knol beitragen.
Zusätzlich zur Motivation der Wissensverbreitung, die auch bei Wikipedia ausreichen muss, gab es auch finanzielle Anreize. Jeder Nutzer konnte die eigenen Knols monetarisieren und mit AdSense-Werbebannern versehen – allerdings nur dann, wenn mindestens 50 Prozent des Inhalts in der Form bisher nicht im Web (oder sprich in der Wikipedia) zu finden war. Wurde ein Artikel von Wikipedia kopiert (was laut Wikipedia faktisch nicht erlaubt ist, bei Knol aber grundsätzlich nicht verboten war), wurde die Monetarisierung nicht erlaubt.
Den letzten großen Unterschied zur Wikipedia seht ihr auf folgendem riesigen Screenshot eines gesamten Knol-Artikels: Das Design. Heute wirkt es natürlich altbacken, aber es war schon damals besser als das Wikipedia-Design – wobei das aber auch Geschmackssache sein kann.
Ein vollständiger Knol-Artikel
Obwohl Knol sehr breit aufgestellt war und viele attraktive Möglichkeiten geboten hat, allen voran natürlich auch die Monetarisierung, konnte sich die Plattform von Beginn an nicht durchsetzen. Google hatte einiges probiert und teilweise auch Autoren-Wettbewerbe veranstaltet, aber das meiste verlief im Sand. Der Grund war wieder mal darin zu suchen, dass es insgesamt viel zu wenig Marketing rund um Knol gegeben hat.
Und so hat es niemand gewundert, als dann Ende 2011 das Aus verkündet wurde – schon damals dürften die meisten Nutzer kaum noch gewusst haben, was Knol überhaupt ist. Google hat das Ende aber nicht geschadet, denn kurz darauf wurde der Knowledge Graph in der Websuche gestartet, der heute bei sehr vielen Suchanfragen erscheint und viele Fakten und Informationen strukturiert in die Websuche bringt. Anders als Knol, das auf die Mitarbeit der Nutzer angewiesen war, bezieht der Knowledge Graph seine Daten automatisch aus vielen Quellen – die Hauptquelle ist Wikipedia.
Heute sind Google und Wikipedia längst versöhnt und Google ist eines der wenigen Unternehmen, das nicht nur Informationen aus der Online-Enzyklopädie bezieht, sondern diese auch regelmäßig finanziell unterstützt. Zwar hat Wikipedia durch Googles Knowledge Graph einiges an Traffic verloren, aber auf der anderen Seite erfüllt die Enzyklopädie mit den vielen dort aufbereiteten Auszügen und Fakten genau ihre eigentliche Aufgabe.
Noch ein längst vergessenes Google-Produkt
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