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HongMeng OS & Aptoide: Welche Folgen könnten Huaweis Google-Alternativen für Android haben?

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In der Huawei-Zentrale dürfte seit einigen Tagen Notstand herrschen, auch wenn sich das Unternehmen diesen Umstand öffentlich nicht anmerken lassen will. Praktisch alle großen Zulieferer und Organisationen mit Verbindungen in die USA haben ihre Verträge mit Huawei auf Eis gelegt und werden das Unternehmen nicht mehr beliefern – dazu gehört auch Google. Für die Google-Produkte hat Huawei bereits Ersatz organisiert und nun stellt sich die große Frage, ob das langfristige Auswirkungen auf Android und damit auch auf das Unternehmen Google haben kann.


Vor wenigen Tagen hatten wir an dieser Stelle erstmals Überlegungen angestellt, wie es mit Android weitergehen würde, wenn die großen Hersteller ihr eigenes Betriebssystem entwickeln. Was am Sonntag Nachmittag noch etwas abenteuerlich klang, war schon wenige Stunden später Realität geworden: Google hatte Huawei die Android-Lizenz entzogen und somit mal eben den zweitgrößten Smartphone-Hersteller der Welt von seiner Kundenliste gestrichen. Details und viele Fragen & Antworten dazu findet ihr in diesem Artikel.

Bei Huawei ist aktuell nicht nur Feuer am Dach, sondern auch der Keller steht lichterloh in Flammen und droht, das gesamten Kartenhaus einstürzen zu lassen. Diese Metapher ist sicherlich nicht übertrieben, denn nicht nur Google hat dem Unternehmen die Zusammenarbeit gekündigt, sondern auch viele weitere Unternehmen stoppen ihre Lieferungen an den chinesischen Hersteller. Auf Softwareseite wäre noch Microsoft zu nennen, das sich zwar noch nicht offiziell geäußert hat, aber ebenfalls nicht um eine Aufkündung der Partnerschaft drumherum kommt.

Aber nicht nur die benötigte Software kommt Huawei damit abhanden, sondern auch viele große Lieferanten oder Auftragsfertiger wichtiger Komponenten wie Speicherchips und Prozessoren haben die Partnerschaft zwangsweise einseitig beendet. Schmerzlich ist vor allem der Verlust der ARM-Lizenz zur Fertigung der Prozessoren, die man nicht Mal so eben ersetzen kann. Vermutlich kann man sich auf diesen Fall noch so gut vorbereiten – was Huawei seit langer Zeit getan haben soll – wird aber dennoch kaum um Unternehmen herumkommen, die Verbindungen in die USA haben.

Aktuell sind die Lager noch gut gefüllt und das Unternehmen kann Smartphones und andere Geräte ausliefern, aber irgendwann sind die Vorräte aufgebraucht. Derzeit muss man davon ausgehen, dass Huawei die Produktion vorübergehend einstellen muss, denn einen kompletten Austausch aller Komponenten kann man nicht über Nacht durchführen, sondern wird sehr viel Zeit benötigen. Außerdem darf das Unternehmen weder Bluetooth noch SD-Karten verbauen, was einen Neustart zusätzlich extrem erschwert bis unmöglich macht.



Springen wir nun einfach mal 1 bis 2 Jahre weiter, gehen davon aus, dass Huawei noch immer keine Geschäfte mit US-Unternehmen machen darf und alle Produkte durch asiatische und europäisch Zulieferer ersetzen konnte. Weiter gehen wir davon aus, dass Huawei auch die Google-Produkte Android & Play Store durch HongMeng & Aptoide ersetzt hat. Welche Auswirkungen würde das auf den Markt haben? Mit Sicherheit wissen kann das natürlich niemand, aber spekulieren wird erlaubt sein.

Android ist nicht das große Problem
Der Verlust von Googles Android prinzipiell kein großes Problem, denn schließlich gibt es genügend Ableger und das freie AOSP, das jeder Hersteller jederzeit verwenden darf, ohne Google oder Andere um Erlaubnis zu fragen. Das größere Problem ist der Play Store, denn mit der App-Auswahl steht und fällt heute jedes Betriebssystem bzw. jede Plattform. Der Play Store ist der Grund, warum alle Smartphone-Hersteller die Google-Produkte Vorinstallieren und sich immer wieder neue Bedingungen diktieren lassen (müssen). Wer, außer Apple, keinen Play Store vorinstalliert, muss in USA und Europa erst gar kein Smartphone auf den Markt bringen.

Nun wird Huawei den Play Store aber durch Aptoide ersetzen wollen – der drittgrößte App Store der Welt, der auch noch praktisch alle Apps von Google und Facebook enthält. Das ist ein gewichtiges Argument und kann den Verlust des Play Store fast schon vergessen machen. Wir haben also folgende Situation: Ein sehr populärer Smartphone-Hersteller bringt eine Android-Alternative auf den Markt, die keine zwanghaften Google-Apps vorinstalliert hat, diese aber dennoch optional anbieten kann. Ist das nicht genau das, was viele Nutzer möchten?

Die Konkurrenz würde die Situation genau beobachten
Dass es nicht Android oder iOS ist, wird den Menschen anfänglich schwer zu verkaufen sein, doch mit den (objektiv gesehen) sehr guten Geräten und der großen App-Welt dürften viele Nutzer auch mal wieder Lust auf etwas Neues haben. Im wichtigen chinesischen Heimatmarkt, in dem die Smartphones seit jeher ohne Google-Dienste und Play Store ausgeliefert werden, ist das Problem noch kleiner. Auch wenn die Smartphones zu Beginn global keine großen Marktanteile erzielen, senden sie das eindeutige Signal: Es geht auch ohne Google. Aktuell noch undenkbar.

Und an dieser Stelle könnten dann plötzlich auch andere Hersteller hellhörig werden. Sollte Samsung nicht doch wieder Tizen auspacken und das auf anderen Plattformen bereits verwendete Betriebssystem stärken? Sollten OnePlus, Xiaomi oder auch kleinere Hersteller wie Nokia, LG, Sony & Co. sich nicht von Google lösen und stattdessen die freie Version AOSP Vorinstallieren?

Die Smartphone-Hersteller könnten davon profitieren, dass die Nutzer einen alternativen App Store (mit ähnlich großer Auswahl) akzeptieren und auch die Google-Produkte selbst installieren. Gleichzeitig hätten sie mehr Freiheiten und könnten Apps aus dem eigenen Sortiment oder von anderen Partnern Vorinstallieren, was sie sich natürlich gut bezahlen lassen. Die Nutzer kommen natürlich vom Regen in die Traufe, aber das lässt sich bei gewinnorientierten Unternehmen nun mal nicht verhindern.



Für Googles Android hätte eine solche Entwicklung schwere Folgen, denn sowohl der Play Store als auch die aktuelle Dominanz sind der Garant für den Erfolg. Fällt nun aber der erste Baustein (Huawei) kann schnell eine Kettenreaktion ausgelöst werden und der Marktanteil sinkt schneller in den Keller, als man es heute denken würde. Auf dem wichtigen China-Markt spielt Google ohnehin schon keine Rolle, aber ein Verlust auf den etablierten Märkten wäre ein Treffer. Dazu passt es auch, dass es aktuell auf dem extrem wichtigen indischen Markt ein Wettbewerbsverfahren gegen Android (wegen 99 Prozent Marktanteil!) gibt.

Nicht zu unterschätzen ist auch die immense Bedeutung von Android für Google. Das Betriebssystem sichert dem Unternehmen die Vormachtstellung in vielen Bereichen. Wenn aber erstmal im großen Stil Smartphones ohne vorinstallierte Google-Produkte ausgeliefert werden, könnten ganz schnell auch Alternativen – vielleicht sogar vorinstalliert – interessant werden. Für Google, das gerade erst mit der großen Android-Monetarisierung beginnt) könnte das eine extrem schnelle Abwärtsspirale werden. Denn so unverzichtbar wie früher sind die Produkte heute nicht mehr, es weiß nur fast niemand. Und mit dem Image steht es auch nicht mehr zum Besten.

Die aktuelle Situation hält also noch sehr viel Sprengstoff bereit und wird nicht nur Huawei wohl noch sehr lange beschäftigen. Natürlich hat niemand eine Glaskugel und kann das Ganze vorhersehen, doch genauso abenteuerlich wie meine Spekulationen war vor einer Woche auch noch die Szenerie eines Android-Entzugs für einen großen Hersteller. Keine Dominanz ist für die Ewigkeit und irgendwann kommt immer der erste Stein der Lawine ins Rollen. Vielleicht ist die aktuelle Geschichte dieser erste Stein.

Dass Google durch das Fuchsia-Mysterium selbst, sehr sanft aber doch, am Android-Thron sägt, macht es natürlich nicht besser.

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