Vor gut vier Jahren wurde die Alphabet Holding als Muttergesellschaft der Google Inc. gegründet und hat vor allem das Ziel, in zukünftige Technologien zu investieren und zu entwickeln, ohne die Cash-Cow Google zu gefährden. Aus diesem Konstrukt sind bisher einige Unternehmen hervorgegangen, die in Zukunft eine große Rolle spielen könnten. Insbesondere die X-Abteilung tut sich hervor, aus der erst vor wenigen Tagen die neue Google Glass-Version vorgestellt wurde.
Rein finanziell betrachtet besteht die Alphabet Holding lediglich aus Google, denn die Tochter erwirtschaftet nicht nur weit über 99 Prozent der Umsätze, sondern auch mehr als 100 Prozent des Gewinns. In den aktuellen Quartalszahlen lässt sich ablesen, dass die Alphabet-Unternehmen ohne Google allein von Januar bis März einen Verlust von 868 Millionen Dollar eingefahren haben. Ganz grob gerundet ein Verlust von 10 Millionen Dollar pro Tag (!).
Die meisten der heutigen Alphabet-Unternehmen sind noch innerhalb von Google entstanden und wurden lediglich unter das neue Dach gebracht, wo sie nun bis zur Marktreife weiterentwickelt werden. Bei einigen Projekten ist das bereits gelungen – und genau diese wollen wir uns nun einmal etwas näher ansehen. Erst in dieser Woche konnte Alphabets X-Abteilung, die sich mit den Moonshots befasst, einen weiteren erfolgreichen Exit verkünden: Glass ist nun offiziell ein Teil von Google. Das wundert nicht, denn „X“ selbst hieß früher „Google X“ und entstand ebenfalls noch unter der alten Struktur.
Da Alphabet keine konkreten Umsatzzahlen für die Töchter außer Google ausweist und auch die einzelnen Google-Abteilungen keine Zahlen vorlegen, ist der finanzielle Erfolg der einzelnen Projekte nicht bekannt. Einige haben ein riesiges Potenzial, andere wiederum dürften wohl eher im vergleichsweise kleinen Rahmen bleiben und nur wenig zum zukünftigen Erfolg von Alphabet beitragen. Aber Alphabet geht es nicht immer nur um den finanziellen Erfolg, was aber natürlich das vorrangige Ziel ist, sondern auch darum, Technologien für die Zukunft zu entwickeln.
Und nun ein Blick auf die Unternehmen, die es bereits aus der X-Abteilung heraus geschafft und ihren Betrieb als echtes Unternehmen aufgenommen haben oder zumindest innerhalb von Produkten oder Google-Abteilungen weiterleben.
Waymo
Waymo dürfte neben Google aktuell das bekannteste Alphabet-Unternehmen sein. Waymo ging aus dem Self Driving Car-Projekt hervor, das intern bereits um das Jahr 2010 herum gestartet wurde und für längere Zeit als das mit Abstand größte und teuerste Google X-Projekt fortgeführt wurde. Unvergessen sind die aus dem Projekt hervorgegangenen Google Cars, die längst nicht mehr auf den Straßen unterwegs sind. Ende 2016 wurde aus dem Projekt das Unternehmen Waymo, das nun eigenständig unter dem Dach von Alphabet arbeitet.
Waymo hat mittlerweile in den ersten Teilen der USA den kommerziellen Betrieb aufgenommen und macht noch immer große Fortschritte. Erst kürzlich hat das Unternehmen eine eigene App veröffentlicht (hier seht ihr Screenshots und Details), dessen breitere Verfügbarkeit auf einen Start des Taxibetriebs in weiteren US-Staaten hindeutet. Bis wir in Europa in ein autonomes Waymo steigen, wird aber wohl noch einige Zeit vergehen.
» Alle Informationen rund um Waymo
Loon
Mitte 2013 hat Google das Project Loon gestartet und hat es sich zum Ziel gesetzt, Internetzugänge aus der Luft in Gebieten anzubieten, in denen diese wichtige Infrastruktur nicht zur Verfügung steht. Dazu kommen Ballons zum Einsatz, an denen die notwendige Technologie angehangen ist und die tagelang über den ausgewählten Regionen schweben können. Was anfänglich wie ein Scherz klang, hat sich nach vielen Jahren und auch Rückschlägen mittlerweile als Erfolg erwiesen. Heute ist Loon ein eigenständiges Alphabet-Unternehmen und hat mit dem Aufbau des ersten Mobilfunknetzes begonnen.
» Alle Informationen rund um Loon
Wing
Mitte 2014 hat Google erstmals verkündet, in den damals sehr aufstrebenden Drohnenmarkt einzusteigen. Zwar ist der Markt auch heute noch sehr interessant und dürfte eine große Zukunft vor sich haben, doch die erste Euphorie ist längst verflogen. Nach gut vier Jahren konnte das X-Labor eine marktreife Drohne sowie dazugehörige Navigations-Technologien präsentieren und hat das Unternehmen im vergangenen Jahr als selbstständige Alphabet-Tochter ausgegliedert. Erst vor wenigen Wochen wurde in Australien die kommerzielle Drohnenzustellung gestartet und schon sehr bald soll es auch in Finnland und weiteren Ländern soweit sein.
» Alle Informationen rund um Wing
Glass
Glass ist neben Waymo das bekannteste Projekt von Alphabet, doch nur wenigen dürfte bekannt sein, dass es niemals vollständig eingestellt wurde. Nach dem großen Flop der Datenbrille wurde die komplette Entwicklung wieder ins Hinterzimmer verlegt, später zu Alphabet verschoben und gemeinsam mit wenigen Partnern aus der Industrie vorangetrieben. Vor wenigen Tagen konnte die neue Version Glass Enterprise Edition 2 vorgestellt werden. Gleichzeitig wurde verkündet, dass das Projekt aus den X-Laboren zurück zu Google verschoben wird, wo es nun ein Teil der Google VR/AR-Abteilung sein wird.
» Alle Informationen rund um Glass
Chronicle
Chronicle gehört zu den unbekannteren Alphabet-Unternehmen und wird auch zukünftig eher unter dem Radar fliegen, da das Unternehmen im Hintergrund operiert und Dienstleistungen anbietet. Chronicle beschäftigt sich mit Cyber Security und soll unter anderem Sicherheitslücken sehr viel schneller erkennen. Ein Teil von Chronicle ist übrigens auch VirusTotal.
» Alle Informationen rund um Chronicle
Malta
Energiegewinnung und Energiespeicher sind heute mehr denn je ein großes Thema und natürlich beschäftigt sich auch Alphabet mit einem eigenen Projekt in diesem Bereich. Ende 2018 wurde das Projekt Malta zu einem eigenständigen Alphabet-Unternehmen und soll Energiespeicher mit Salzlösungen etablieren, die den bisherigen Technologien in einigen Bereichen voraus sind. Bisher hat man davon zwar seit der Vorstellung nicht mehr viel gehört, aber potenziell hat Malta eine große Zukunft vor sich – wenn es funktioniert.
» Alle Informationen rund um Malta
Smarte Kontaktlinse
Anfang Januar 2014 hat Google erstmals die smarten Kontaktlinsen vorgestellt, mit denen das Unternehmen sehr große Pläne hatte. Dabei ging es aber weniger darum, ein Display vor das Auge des Menschen zu bringen, sondern die Linse soll ständig den Blutzuckerspiegel des Trägers messen und bei Überschreitung von Grenzwerten warnen. Später ging die Entwicklung dann sogar in die Richtung, tatsächlich ein Display und sogar eine Kamera zu integrieren, doch daraus ist bisher nichts geworden. Gemeinsam mit Novartis und dem eigenen Schwester-Unternehmen Verily wird das Produkt bis heute weiterentwickelt.
» Alle Informationen rund um die smarte Kontaktlinse
Daydream View
Kaum zu glauben, aber auch so etwas vergleichsweise simples wie das Virtual Reality-Headset Daydream View ist ursprünglich in den X-Laboren entstanden. Schon seit langer Zeit ist das Headset ein Teil von Google und wird unter dem Markennamen Daydream vertrieben, doch der große Erfolg wollte sich bisher noch nicht einstellen. Nun setzt Google große Hoffnungen auf AR und VR.
Es wird interessant sein, wie sich die vielen anderen Alphabet-Projekte weiter entwickeln und was aus all den Projekten wird, die nun zu Produkten oder Unternehmen geformt wurden. Bisher hat sich noch kein einziges Projekt als echte Goldgrube erwiesen – doch bei den wahnsinnigen Investitionen, die Alphabet tätigt, sollte sich das langsam einmal abzeichnen. Jedes einzelne Unternehmen muss schließlich als Startup betrachtet werden, die von Alphabet mit mehreren Milliarden Dollar angeschoben werden.
Die besten Aussichten dürfte aktuell Waymo haben, das aber natürlich durch das Geschäftsmodell auch einen extrem hohen Kapitalbedarf hat. Weiterhin sind die Aktivitäten rund um die Sidewalk Labs sehr interessant, die sich das Ziel gesetzt haben, ganze Städte zu planen und zu errichten. Die Konkurrenz ist aber gerade in dem Bereich sehr groß, sodass auch das längst kein Selbstläufer sein wird.
Mehr Überlegungen rund um die vielen Alphabet-Unternehmen und deren seit Jahren betriebene Geldverbrennung – die sich hoffentlich bald mal ins Gegenteil dreht – findet ihr im folgenden Artikel:
Siehe auch
» Eine Ära geht zu Ende: Der heimliche Google-Vater Eric Schmidt verlässt den Alphabet-Vorstand