In den letzten Jahren konnte ein starker Stimmungswechsel unter den Google-Nutzern beobachtet werden, der hier im Blog schon mehrmals thematisiert wurde. Aber auch auf der anderen Seite, nämlich intern, sieht es nicht wirklich besser aus. Vor kurzem ist eine interessante Diskussion unter mehreren Google-Mitarbeitern öffentlich geworden, aus der sehr gut hervorgeht, was bei dem Unternehmen in den letzten Jahren falsch läuft.
Vertrauen und Sympathie sind nicht unbedingt Eigenschaften, die man mit Unternehmen in Verbindung bringt – doch bei Google trafen sie viele Jahre lang zu. Beides geht aber zunehmend in allen Richtungen verloren und könnte irgendwann zu einer kleinen Implosion führen. Allein in den letzten Monaten gab es Berichte über gesunkenes Vertrauen der Kunden/Nutzer, ein starker Vertrauensverlust der Mitarbeiter in die Unternehmensführung und selbst ehemalige populäre Mitarbeiter haben sich bereits zu Wort gemeldet.
Bei Google wurden in den vergangenen Jahren viele merkwürdige Entscheidungen getroffen, die aus Nutzersicht nicht immer nachvollziehbar sind. Dazu gehören unklare Produktstrategien, ständige Änderungen von Oberflächen und Funktionen, Umbenennungen und natürlich auch unzählige Einstellungen. Wie nun aus einem sehr interessanten Kommentar bei Hacker News hervorgeht, sind das hausgemachte Probleme des Unternehmens, die sehr tief verwurzelt sind. Ich binde hier im Artikel einfach mal Fragmente ein und gehe dann näher darauf ein.
Grundsätzlich ist es ein amerikanisches Problem, denn bei US-Unternehmen herrscht eine unglaublich starke Feedback-Kultur mit unzähligen Kennzahlen und Bewertungen jeder einzelnen Leistung. Wer schon einmal bei einem aus den USA gesteuerten Unternehmen gearbeitet hat, weiß, wovon ich rede. Diese typische US-Kultur soll eigentlich jegliche Probleme im Keim ersticken, Mitarbeiter fördern und somit auch für mehr Zufriedenheit sorgen. Doch wenn man es übertreibt, ist genau das Gegenteil der Fall.
Bei Google scheint diese Kultur nun aber stark verfestigt zu sein, was möglicherweise auch durch CEO Sundar Pichai weiter verstärkt wurde, denn seit dessen Wahl an die Spitze bzw. dem Abgang von Larry Page waren die größten Veränderungen zu bemerken. Hier nun einmal die Auszüge des Frustabbaus eines Google-Mitarbeiters.
Google featureless ZERO penalties for fucking shit up! Zero! Do you know what the people who wasted two years on Allo got after it was canned? Nothing! Some of them actually got promoted!
Google GREATLY encourages „launches“ – releasing something publicly. And keep in mind – no penalties if the shit is half baked, not working, only works on chrome, or some such nonsense! This is the norm!
Da liegt schon die Wurzel allen Übels. Um auf der Karriereleiter voranzukommen („promoted“ zu werden), muss man etwas Großes schaffen und keine kleinen Schritte machen. Jeder Launch, und sei er noch so unsinnig, bringt den verantwortlichen Mitarbeiter bzw. Manager voran. Das erklärt schon einiges. Auf der anderen Seite gibt es aber auch kein Strafsystem für eine schlechte Umsetzung.
Why? Promotion. You cannot get promoted beyond a certain level in this place unless you „launch“ something big.
So what do you get when you add of all these perverse incentives? Nine thousand, eight hundred, and eighty-three chat apps, and a never-ending chain of redesigns and relaunches so some people can get promoted.
Die Mitarbeiter werden praktisch dazu gezwungen, neue Features und Produkte zu schaffen oder einer App das Hundertste Redesign zu verpassen. Ob es danach aus objektiver Sicht besser ist oder nicht, spielt keine Rolle. Selbst hier wird schon darauf verwiesen, dass das der Grund ist, warum Google unzählige Messenger hatte. Das sie später wieder eingestellt werden, interessiert dann schon niemanden mehr.
Do you know how many bugs you need to fix to get promoted? Infinity. No matter how many you fix, it will never get you enough „impact“ for promotion. Never.
How many useless redesigns do you need to launch to get promoted? ONE!
Auf der anderen Seite ist die undankbare Arbeit des Bugfixens auf dieser Skala nichts wert. Damit werden die Teams natürlich nicht unbedingt dazu motiviert, Lücken zu stopfen und ihre Zeit mit dem beheben von Fehlern zu „verschwenden“. Stattdessen lieber mal ein neues Feature ausdenken und schon geht es auf der Karriereleiter voran. Ein gefährliches Wertungssystem.
Extra fun: people internally usually warn about this shit, complain about it, file bugs about shitty performance, etc. It is ALL ignored. Most people who’ve been here for over a few years have given up filing bugs even. Because the reply is always the same: „you’re not the target audience“!
And we all know it! We all do! Some quit when they realize it, others just begin optimizing for promotion as opposed to optimizing for what is good for the user or the company. And this is how you get new gmail, for example.
Das kennt wohl jeder von seinem Arbeitgeber in irgendeiner Form: Viele Menschen wissen, dass etwas schief äuft, aber man kann einfach nichts dagegen tun. Man fährt also ganz bewusst an die Wand und gibt einfach Gas, nur um selbst vorher den Absprung schaffen zu können. Hinter mir die Sintflut. Selbst die Unternehmensführung soll sich dem bewusst sein, aber schlussendlich hat wohl nieman den Mut, etwas daran zu ändern. Und so läuft das Rädchen dann weiter, so wie bei vielen großen Konzernen.
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Der gesamte Thread ist lesenswert, aber die wichtigsten Punkte sind mit diesem einen Beitrag abgearbeitet. Als Nutzer hat man darauf natürlich keinen Einfluss, außer natürlich zur Konkurrenz zu wechsel, aber vielleicht kann man sich das dennoch mal im Hinterkopf behalten. Wie so häufig und in allen Branchen üblich, haben auch die Mitarbeiter keine Wahl und hauen dann eben das nächste Redesign heraus, ersetzen Funktionen oder bringen einfach mal ein neues Produkt heraus.
Siehe auch
» Die Stimmung droht zu kippen: Scheitert Google heute an den eigenen Ansprüchen? (Kommentar)