Seit einigen Tagen sind wieder Streetview-Fahrzeuge in Deutschland unterwegs und fotografieren noch bis November 2019 die Straßenzüge und Häuserfronten vieler deutscher Städte. Das bedeutet aber nicht, dass die Google Maps-Nutzer diese Aufnahmen zu sehen bekommen werden, denn sie werden tatsächlich nur zu internen Zwecken angefertigt. Und so langsam muss man sich fragen, wie lange das so noch weitergehen soll und vor allem weitergehen kann.
Google Maps Streetview ist eine feine Sache, denn durch die virtuellen Straßenaufnahme kann jeder Nutzer beliebige Orte auf der Welt besuchen und einen sehr genauen Eindruck von der Umgebung bekommen. Dabei muss es nicht nur um die Urlaubsplanung gehen, sondern natürlich auch um praktische Dinge wie die Routenplanung oder Abklärung der Parkplatz-Situation. Das ist in sehr vielen Ländern und Regionen dieser Welt möglich, in Deutschland aber nahezu unbrauchbar. Glücklicherweise lässt sich das aber durch einen kleinen Trick umgehen.
Wer war nicht schon einmal nach vielen Jahren an einem früher vertrauten Ort und hat gestaunt, wieviel sich doch im Laufe der Zeit verändert hat. Dieses Gefühl kennen vor allem die Nutzer der deutschen Streetview-Aufnahmen, denn die bald 10 Jahre alten Aufnahmen sind an vielen Stellen einfach hoffnungslos veraltet und somit auch nicht mehr nutzbar. Aus diesem Grund müssen die Aufnahmen auch immer wieder aktualisiert werden, was Google durch ständige und dauerhafte Fahrten rund um die Welt vornimmt.
Aber nicht nur die Alterung der Daten ist ein Problem, sondern auch die extreme Verpixelung bei den deutschen Aufnahmen. Es ist in Deutschland kaum möglich, einen kurzen virtuellen Spaziergang zu machen, ohne unkenntlich gemachte Häuser zu sehen. Das ist der damaligen Hysterie geschuldet, bei der plötzlich jeder dachte, sein Haus schützen zu müssen und der Darstellung in Streetview zu widersprechen. Das wurde von einer Viertelmillion Menschen genutzt. Was das bei einem Land mit 83 Millionen Einwohnern für Auswirkungen hat, kann man sich vorstellen.
Diese Verpixelung hat bei Google damals für einen solch enormen Aufwand und wohl auch Ärger gesorgt, dass das Unternehmen bis heute nachtragend ist und sich an das „Versprechen“ hält, bis auf weiteres keine neuen Fotos zu veröffentlichen. Damals fanden das viele Okay, aber wie sieht es heute aus?
Links: Das Streetview-Bild; Rechts: Die Realität (2018)
Vieles hat sich geändert
Als die Streetview-Hysterie in Deutschland begann, war das Produkt noch gar nicht so sehr bekannt, sondern wurde den meisten Menschen direkt als Spionagetool verkauft. Und das was dabei herauskommt, wenn schlecht informierte Menschen Entscheidungen treffen, sehen wir gerade sehr eindrucksvoll in Großbritannien und vor wenigen Tagen im EU-Parlament. Aber zurück zum Thema: Mittlerweile wissen viele Streetview zu schätzen und wissen, was nun verloren gegangen ist.
Das Problem ist allerdings, dass Google damals nicht nur verpixeln, sondern auch die Originale löschen musste. Wer also heute sagt, ich möchte mein Haus doch sehen, der hat Pech gehabt. Viel häufiger wird es aber wohl vorkommen, dass die „schuldigen“ (nicht negativ gemeint!) schon längst nicht mehr dort wohnen. Damals hatte es gereicht, wenn ein Bewohner eines Mehrfamilienhauses dagegen war, dass das gesamte Gebäude verschwindet – deswegen auch die extrem hohe Pixeldichte in Deutschland. Doch heute wohnen dort Menschen, die über die Entscheidung ihres Vorgängers vielleicht gar nicht so glücklich sind.
Ein wirtschaftlicher Schaden für das ganze Land
Streetview gehört für viele Menschen zu einem Standardprodukt und ist es völlig normal, dass man sich vor einer Reise den Ort genauer ansieht. Für deutsche Nutzer, die ins Ausland fliegen wollen, ist das bequem möglich, für Menschen aus anderen Ländern, die nach Deutschland kommen möchten, hingegen nicht. In gewisser Weise kann das ein wirtschaftlicher Schaden für die betroffenen Einrichtungen, Regionen und demzufolge auch für das ganze Land sein. Wenn der Urlaubsort verpixelt und das Hotel nicht sichtbar ist, fährt manch einer lieber woanders hin.
Aber auch als deutscher Nutzer hat man das Problem, bei der Routenplanung und Navigation nicht ganz so gute Orientierungen zu bekommen wie in anderen Ländern. Kreuzungen sind im Allgemeinen zwar nicht verpixelt, aber das Bildmaterial ist alt und somit nicht mehr verlässlich. Wenn nun auch die neue Augmented Reality Fußgänger-Navigation dazu kommt, sieht es ganz düster aus. Zwar aktualisiert Google die Metadaten, aber ohne neues Bildmaterial ist das nur halb so sinnvoll.
Wie soll das weitergehen?
Heute sind die Aufnahmen mehr als 10 Jahre alt und stehen noch immer in Google Maps zur Verfügung wie alle anderen Aufnahmen weltweit auch, die häufig nur 2 oder höchstens 3 Jahre alt sind. Für Aufnahmen von Freizeitparks oder verlassenen Landschaften mag ein solches Alter in Ordnung sein, aber für sich ständig verändernde Städte in einem modernen Land ist das nicht akzeptabel. Das weiß natürlich auch Google und langsam aber sicher muss man auch dem Unternehmen den schwarzen Peter zuschieben, dass sich an der Situation nichts geändert hat.
Natürlich lief das damals sehr unglücklich, aber wie lange soll man das noch nachtragen? Irgendwann wäre es an der Zeit, neue Fahrten frühzeitig anzukündigen, die öffentlichen und medialen Reaktionen abzuwarten und erst dann zu entscheiden, ob die Aufnahmen veröffentlicht werden oder nicht. Doch stattdessen gelangen die aktuellen Fahrten durch Deutschland erst drei Tage nach Beginn in den Medien, was wiederum nicht dazu beiträgt, das Image von Streetview zu fördern. Eine kurze Vorabankündigung, die ebenfalls von vielen Medien aufgegriffen werden würde, würde vollkommen ausreichen.
10 Jahre ist meiner Meinung nach eine Schmerzgrenze, die nicht weiter überschritten werden sollte. Jetzt ist es an der Zeit, entweder neue Bilder anzufertigen oder die alten einfach zu löschen. Für die 2019er-Fahrten hat man angekündigt, die Bilder nicht zu veröffentlichen. Aber für die 2020er-Fahrten sollte es besser laufen, sodass 2021 (die Verarbeitung dauert sehr lange) endlich neue Aufnahmen Online gehen können. Viele Deutsche würden das sicherlich begrüßen und nicht ewig die irgendwann mal jahrzehntealten Museumsaufnahmen sehen wollen.
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