Am Dienstag hat das EU-Parlament die Urheberrechtsreform beschlossen und damit eine ganze Reihe von Verordnungen auf den Weg gebracht, die – anders als öffentlich dargestellt – nicht unbedingt vorteilhaft für Urheber sein werden. Die größten Diskussionen gab es aber bekanntlich über die Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht. Beides wird das Unternehmen Google sehr stark betreffen und könnte zu großen Änderungen für die Nutzer und Partner führen.
Wozu der Beschluss der EU-Urheberrechtsreform führen wird, ist absolut nicht absehbar – aber besser wird es mit Sicherheit nicht. Praktisch alle IT-Experten, Netz-Veteranen und mit dem Web vertrauen Berater und Personen haben vor dem Beschluss gewarnt – aber er kam dennoch durch. Auch international ist man wenig begeistert und befürchtet sogar eine Spaltung des Internets und damit einen Verlust von dem, was bisher so selbstverständlich war. Auswandern ist also auch keine Lösung.
Die Proteste gegen die EU-Urheberrechtsreform hatten zuletzt noch einmal an Fahrt aufgenommen, in der Hoffnung, irgendetwas zu bewirken. Die Zustimmung ging zwar zwischen dem Entwurf und dem Beschluss zurück, war aber noch immer viel zu groß und so ist das Kind dann in den Brunnen gefallen. Selbst die Online-Enzyklopädie Wikipedia hatte scharf protestiert, obwohl sie selbst nicht betroffen ist. In der folgenden eingebetteten Rede der Ex-Piratin im EU-Parlament, Julia Reda, wird noch einmal sehr gut zusammengefasst, was das für Auswirkungen hat und welche verheerenden Signale damit an die Jugend gesendet werden.
Aber nun ist es beschlossen und es gibt kaum einen Weg zurück, denn auch die Instanz im EU-Rat dürfte es durchwinken, von der Bundesregierung ist keine „Hilfe“ zu erwarten und einer bereits ins Spiel gebracht Anfechtung vor dem Europäischen Gerichtshof werden auch kaum Chancen auf Realisierung eingeräumt. Also beschäftigen wir uns mal damit, was da – neben einem gespaltenen Internet – auf uns zukommt.
Uploadfilter
DAS große Streitthema der gesamten Reform, das auch ein bisschen von den anderen Themen wie Artikel 12 und dem Leistungsschutzrecht abgelenkt hat. Die nationalen Gesetze auf Grundlage der Reform werden zwar erst für das Jahr 2021 erwartet, aber schon jetzt kann man sagen, dass solche Filter nicht funktionieren können und auch niemals werden. Grundsätzlich wird das Gesetz besagen, dass der Plattformbetreiber für alles verantwortlich ist und haftet, was die Nutzer hochladen.
Doch eine „Plattform“ ist eben nicht nur das milliardenschwere YouTube oder Facebook, sondern jede Webseite, die älter als drei Jahre ist. Wer also ein einfaches Diskussionsforum betreibt, ist davon genauso betroffen und muss hochgeladene Medien überprüfen. Medien sind aber nicht nur Bilder und Videos, die man vielleicht noch komplett sperren könnte, sondern auch Texte. Jeder Beitrag und jeder Kommentar muss auf eine Urheberrechtsverletzung überprüft werden. Urheber sind außerdem ALLE Menschen. Dürfte man also nichts mehr schreiben, was schon jemals jemand geschrieben hat, könnte es in den Foren sehr ruhig werden.
Das ist mal die Grundlage, aber auch in der Praxis kann ein Uploadfilter gar nicht funktionieren: Selbst wenn es technisch möglich wäre, sind die Folgen gar nicht klar. Ein Beispiel: Ein Nutzer möchte ein 10-sekündiges Video auf meine Plattform hochladen, das die Person vor dem Eiffelturm zeigt. Kein Problem. Aber leider spielt im Hintergrund ein Straßenmusiker einen bekannten Song und im Hintergrund laufen andere Menschen mit Star Wars- und Micky Maus-Shirts durch das Bild. Muss ich als Plattformbetreiber nun an den Straßenmusiker oder an den Originalinterpreten bezahlen? Wie komme ich an die Kontaktdaten des Musikers? Muss ich von Disney eine Lizenz für die Darstellung der Logos erwerben?
Wenn diese Fragen geklärt sind, stellt sich die Frage, wie hoch diese Gebühr bzw. Lizenz sein soll. Wie lange dauert der Prozess zum Erwerb? Und müssen die Rechteinhaber dem zustimmen? Wie viele Wochen soll denn der Uploader warten, bis ich im Hintergrund alle Verhandlungen erfolgreich durchgeführt habe? Und wovon soll ich das überhaupt bezahlen? Diese ganzen Ungewissheiten werden sowohl einem menschlichen als auch einem maschinellen Uploadfilter im Wege stehen.
Leistungsschutzrecht
Wie die Websuche aussehen wird, wenn das Leistungsschutzrecht europaweit in Kraft treten wird, hat Google bereits zu Beginn des Jahres in einem großangelegten Test gezeigt, dessen Ergebnisse einen extremen Traffic-Rückgang gezeigt haben. Kein Wunder, denn es gab in der schärfsten Version weder ein Vorschaubild noch eine Überschrift (!). Man weiß also lediglich, dass es einen Inhalt von Publikation X gibt, weiß aber nicht, worum es geht.
Nachdem die kurzen Auszüge (Snippets) schon längst verschwunden sind und spätestens seit dem Relaunch von Google News nicht mehr in der Plattform zu finden sind, geht es auch den Überschriften und Vorschaubildern an den Kragen. Verlinken darf man noch, das Ziel auch noch nennen, für alles andere sollen die Plattformen aber zahlen. Google hat schon vor Jahren betont, keinen Cent an die Verlage zu zahlen und stattdessen Google News eher einstellen. Zu letztem könnte es, dank einer Hintertür im Gesetz, aber nicht kommen.
Das Gesetz stellt es weiterhin frei, dass die Plattformen mit den Verlagen vereinbaren können, auf das Leistungsschutzrecht zu verzichten und sich unentgeltlich zu einigen. Genau darauf wird Googles auch hinauslaufen lassen und alle Verlage und Quellen aus den News entfernen, die dieser Vereinbarung nicht zustimmen. In Deutschland gibt es das LSR seit Jahren und Google hat noch nie einen Cent für die Inhalte gezahlt. Nach einer kurzen Phase der Abstinenz werden dann wohl auch alle Verlage wieder ihre Zustimmung geben.
Also alles gut? Mitnichten. In dem Punkt ist Google fein raus und auch für die Nutzer ändert sich nichts – wohl aber für alle anderen Plattformbetreiber. Plattform X mit wenigen Zehntausend Besuchern muss wohl gar nicht erst versuchen, den Verlagen mit Entlistung zu drohen, denn darüber lachen sie nur. Sprich: Der Betrieb von alternativen News-Plattformen ist kaum mehr möglich, da sich die Gebühren kaum bis gar nicht refinanzieren lassen. Tatsächlich hat die EU also nun für eine Festigung von Googles Marktmacht gesorgt und schränkt die Vielfalt im Web ein. Herzlichen Glückwunsch.
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Vergiss nie, was sie hier gemacht haben. Da die @CDU_CSU_EP gestimmt hat für nie mehr Internetfreiheit, muss das Internet für nie mehr @CDU_CSU_EP stimmen. #nieMehrCDU https://t.co/fyGLXfGw3n
— Edward Snowden (@Snowden) March 26, 2019
Es gibt natürlich noch andere Artikel in der Urheberrechtsreform, die – das wird die Verleger freuen – durch die anderen beiden Themen völlig untergegangen sind. Die Urheber, die durch die Reform eigentlich gestärkt werden sollten und sich auch in größerer Zahl für die Reform eingesetzt haben, sind am Ende nämlich die Verlierer. Nicht nur dass die zusätzlichen Einnahmen, woher sie auch immer kommen sollten, nicht bei ihnen ankommen – nein – sie werden künftig wohl noch weniger von ihrem Geld sehen.
In einem Artikel heißt es, dass die Verlage wieder an den Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften beteiligt werden müssen – und das bis zu einer Höhe von 50 Prozent. Statt mehr Geld, bekommen die Urheber nun also weniger – aber das war und ist den meisten gar nicht bewusst. Es ist also nicht verwunderlich, dass große Verlagskonzerne wie Axel Springer oder Bertelsmann hinter der Reform stehen und diese mit aller Macht durchgedrückt haben – weil sie an allen Ecken und Enden glauben mitzuverdienen. Beim LSR fließt Geld von den Portalen, bei den Uploadfiltern ebenfalls und mit Artikel 12 schröpft man auch noch die eigenen Autoren.
Dass es bei der Abstimmung Unregelmäßigkeiten gegeben hat und bis zu 10 Abgeordnete den JA und NEIN-Knopf nicht unterscheiden konnten, passt bei der gesamten Farce noch sehr gut ins Bild. Hätten sie korrekt getippt, hätte es Detailabstimmungen geben und einzelne Artikel kippen können. Aber das lässt sich nun auch nicht mehr ändern…
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