Gestern hat das EU-Parlament zum entsetzen vieler Nutzer die Urheberrechtsreform beschlossen – und das unter merkwürdigsten Bedingungen. Wozu das Leistungsschutzrecht und die Uploadfilter führen werden, lässt sich derzeit kaum abschätzen und könnte national sehr unterschiedlich sein. In jedem Fall wird man aber wohl bald vom Internet in der Mehrzahl sprechen müssen, denn die Reform führt dazu, dass viele Inhalte regional nicht mehr zur Verfügung stehen könnten.
Das Internet bzw. das World Wide Web ist eine der wohl wichtigsten Erfindungen der Neuzeit und wurde von Google gerade erst zum 30. Jubiläum mit einem Doodle zelebriert sowie einer interaktiven Ausstellung zur Geschichte des Computers begleitet. Die Idee hinter dem Web und auch dem gesamten Internet geht allerdings langsam aber sicher verloren, wenn die Inhalte nicht mehr überall zur Verfügung stehen.
Ein interessanter Artikel bei The Verge zur EU-Urheberrechtsreform spricht nun von „3 Internets“ und hat damit vielleicht gar nicht so unrecht. Bisher gab es DAS Internet und das stark reglementierte und großteils abgeriegelte Internet in Staaten wie China oder auch Nordkorea. Und jetzt kommt das europäische Internet dazu, das sich irgendwo zwischen den beiden ansiedelt. Das klingt etwas übertrieben, aber mittelfristig wird dazu führen, denn viele Angebote aus „DEM Internet“ werden aus dem „europäischen Internet“ nicht erreichbar sein.
Die Gesetze erfordern dies natürlich nicht, aber viele internationale Webseiten werden sich kaum mit Dingen wie den Uploadfiltern oder dem Leistungsschutzrecht beschäftigen wollen und alle EU-Bürger einfach aussperren. Schon bei der Einführung der DSGVO hat es monatelang und teilweise heute noch zu Sperren für EU-Nutzer geführt – und diese Richtlinie war vergleichsweise leicht umsetzbar. Die Urheberrechtsreform hingegen macht sehr viele Geschäftsmodelle unmöglich bzw. erfordert so extreme Anpassungen, dass es global nicht umsetzbar ist, ohne auch alle Nutzer auf dem Rest der Welt zu benachteiligen. Also sperrt man die Europäer einfach aus. Sperrt man aber alle EU-Nutzer aus, kann das gewaltige wirtschaftliche Schäden für die globalen Anbieter haben. Eine Zwickmühle.
Der Artikel ist nicht als Panikmache zu verstehen und soll eigentlich nur dazu dienen, das Konzept der 3 oder mehr Internets vorzustellen und einen Denkanstoß zu geben. Ob es dazu kommt, ist ungewiss, aber wenn man sich die Reform und deren Vorgaben ansieht, ist ein anderer Ausweg kaum denkbar.
Siehe auch
» Alles war umsonst: Das EU-Parlament beschließt die Urheberrechsreform – Google & YouTube stark betroffen
» Uploadfilter & Leistungsschutzrecht: Heute stimmt das EU-Parlament über die Urheberrechtsreform ab