Google Glass vor Comeback: Sieben Jahre später – ist die Zeit jetzt endlich reif für Googles Datenbrille?

glass 

In den kommenden Monaten könnte ein Google-Produkt ein Comeback feiern, das seiner Zeit damals weit voraus war und aufgrund vieler Probleme niemals richtig auf dem Markt angekommen ist: Google Glass. Vor wenigen Tagen gab es erstmals seit langer Zeit viele Fotos und Spezifikationen eines neuen Modells, an dem das Unternehmen schon seit langer Zeit arbeitet. Zwar ist es vorerst für den Unternehmenseinsatz konzipiert, aber dabei muss es ja nicht bleiben. Und nun darf man fragen: Ist die Zeit jetzt endlich reif für ein solches Produkt?


Google ist seit jeher ein sehr experimentierfreudiges Unternehmen und bringt ständig neue Produkte auf den Markt, die bei einem Misserfolg oder einer Strategieänderung auch genauso schnell wieder eingestellt werden können. Diese Phase dauert manchmal etwas länger, wie bei der aktuellen Flut an Einstellungen, und manchmal geht es auch ganz schnell. Bei Google Glass ging es gefühlt ganz schnell, auch wenn es von der Präsentation bis zur Einstellung tatsächlich fast drei Jahre gedauert hat.

Google Glass Sergey Brin

Im April 2012 hat Google-Gründer Sergey Brin höchstpersönlich erstmals Google Glass vorgestellt und bereits auf der großen Bühne getragen. Begleitet wurde die Vorstellung von einem Werbevideo (unten eingebunden), mit dem das Produkt erst einmal grundsätzlich vorgestellt und die Möglichkeiten gezeigt werden. Vom Fallschirmspringen über eine Achterbahnfahrt bis hin zur Navigation oder Aufnahme von besonderen Momenten mit den Kindern ist alles dabei.

Die Präsentation löste bei den Beobachtern und auch den Medien einen WOW-Effekt und einen sofortigen riesigen Hype aus. Fünf Jahre nachdem Steve Jobs das iPhone präsentierte, hatte man endlich wieder das Gefühl, hier DAS Next Big Thing zu sehen – die Zukunft. Das wirkt aus heutiger Sicht, gerade einmal sieben Jahre später, stark überzogen, aber wer sich noch an die Zeit nach der Präsentation erinnert, wird diesen Eindruck vielleicht bestätigen können.

Daraus geworden ist bekanntlich nichts – und das hatte viele Gründe. Diese reichen vom Timing über den Schutz der Privatsphäre und Datenschutz bis hin zur Optik des Gadgets. Aber all das hat sich heute geändert.



Die im Video gezeigten Einsatzgebiete wurden schon damals vom Smartphone abgedeckt, aber dass sie dem Nutzer direkt vor das Auge projiziert werden, war die eigentliche Innovation. Auch die Vorstellung, dass die Informationen automatisch eingeblendet werden, wenn sie benötigt werden, war nicht mehr ganz Revolutionär, aber dennoch beeindruckend. Doch Glass kämpfte mit drei großen Problemen, die damals nicht gelöst wurden und dann Anfang 2015 zur endgültigen Einstellung des Projekts geführt haben.

  • Zuviel Vision: Die ersten „Explorer Editions“, die für 1.500 Dollar verkauft wurden, unterschieden sich dann doch sehr deutlich von der Ankündigung und waren längst nicht mehr so beeindruckend. Das hat das gesamte Produkt entzaubert
  • Die lange Wartezeit: Von der ersten Ankündigung bis zum offiziellen Verkaufsstart vergingen zwei Jahre. Natürlich konnte der Hype nicht gehalten werden und durch den rasanten Fortschritt der Technologie war alles im Jahr 2014 längst nicht mehr so beeindruckend wie 2012
  • Die Kamera & Glassholes: Direkt an der Front war eine Kamera platziert, mit der die Brille ihre Umwelt wahrgenommen hat und viele Funktionen erst ermöglicht hat. Weil man sich aber nie sicher sein konnte, ob man nicht ständig von den Glass-Trägern gefilmt wird, wurden diese wenigen Tester wenig freundlich empfangen und teilweise sogar Gewalt angedroht. Der Begriff der „Glassholes“ war geboren – und damit der Marketing-Supergau, der schlussendlich zum Aus geführt hat

Privatsphäre
Heute sieht all das ein bisschen anders aus. Sieben Jahre später hat (gefühlt) die halbe Welt einen ständig lauschenden Smart Speaker im Wohnzimmer sowie ein lauschendes Smartphone in der Hosentasche. Auch Smart Displays mit Kamera, die direkt in das Wohnzimmer oder gar Schlafzimmer der Menschen zeigt, erfreuen sich großer Beliebtheit. Privatsphäre ist nach wie vor wichtig, doch die Menschen sehen vieles mittlerweile lockerer.

Technologie & Praxis
Die damals von Google Glass gezeigten Möglichkeiten sind erst heute tatsächlich vollständig möglich und werden von vielen Menschen am Smartphone genutzt. Unter anderem durch Smartwatches aber auch Smart Displays geht der Trend weiter dahin, Informationen auch an anderer Stelle zu bekommen. Viele Nutzer würden es sicher begrüßen, die aktuell benötigten Informationen direkt vor dem Auge eingeblendet zu bekommen. Der nächste Punkt für Glass.

Der Hype
Zuletzt der Punkt Wartezeit: Die großen Unternehmen haben mittlerweile gelernt, dass innovative Produkte wenige Wochen nach der Präsentation erhältlich sein sollten. Google tut sich damit zwar vor allem international schwer, aber so lange einige große Märkte bedient werden und die Begeisterung hochgehalten wird, werden die Medien ihr übriges tun, um das Will-Haben-Gefühl weiterhin zu stärken. Als erstes Produkt auf dem Markt, ohne echte Konkurrenz, wird es außerdem noch leichter.



google glass 1

Zeitgeist
Der wichtigste Punkt, der damals als Grund für das Scheitern ausgemacht wurde: Dass das Produkt seiner Zeit voraus war. Dieses Problem löst sich von selbst, aber auch die aktuellen Entwicklungen würden eine Markteinführung im Jahr 2019 begünstigen. Die Augmented Reality hat in den sieben Jahren natürlich sehr große Sprünge gemacht und entsprechende Brillen werden von vielen großen Unternehmen entwickelt. Google hat AR mittlerweile auch auf das Smartphone gebracht und trägt so weiter zur Etablierung bei.

Aber auch ganz praktische Einsätze gibt es mittlerweile – und eines der wohl besten Produkte in diesem Bereich hat Google selbst erst vor kurzem vorgestellt: Die Augmented Reality-Navigation in Google Maps. Diese ist nun für viele Local Guides bereits nutzbar und wird dann aktiv, wenn das Smartphone auf Augenhöhe gehalten wird. Das ließe sich natürlich perfekt auf eine solche Brille übertragen.

Insgesamt kann man also sagen, dass Google mit einer Wiedereinführung, vielleicht unter einem anderen Namen, heute deutlich mehr Erfolg haben könnte. Da Google mittlerweile, anders als damals, längst auch als Hardware-Hersteller wahrgenommen wird, hat sich auch der Eindruck verändert, dass die Suchmaschine plötzlich per Brille auf der Nase spionieren möchte. Wir dürfen also sehr gespannt sein, was daraus wird. Vorerst soll Glass nur in Unternehmen eingesetzt werden, aber das kann sich eben auch sehr schnell ändern.

» Google Glass: Geleakte Fotos zeigen viele Details der neuen Version der Datenbrille + Spezifikationen

Siehe auch
» The Big Bang Theory: Google Arts & Culture zeigt die Entstehung des Universums mit Augmented Reality




Teile diesen Artikel:

Facebook twitter Pocket Pocket