In wenigen Wochen wird Google+ eingestellt und Google somit seine mühsam aufgebaute (und später fallen gelassene) soziale Plattform verlieren. Damit werden nun wieder Ressourcen für andere Projekte und Plattformen frei, die möglicherweise von der Einstellung profitieren können. Eines dieser Projekte könnte Blogger sein, das seit Jahren am Boden liegt, aber zwischen den Zeilen ein kleines (oder großes) Comeback angekündigt hat.
Derzeit haben viele Google+ Nutzer damit zu tun, ihre Daten aus Google+ zu exportieren und die Follower und Communitys dazu zu bewegen, ihnen auf die neuen Plattformen zu folgen. Spätestens am 2. April ist der Spuk dann aber vorbei, denn dann wird das Netzwerk abgeschaltet und die Nutzer sind hoffentlich erfolgreich umgezogen. Ob Google eines Tages einen Neustart wagen wird, steht in den Sternen. Vorerst wird man nun wohl andere Schwerpunkte haben und Optionen abwägen. Und das wird wieder sehr interessant.
Blogger gehört zu den ältesten Produkten in Googles Portfolio und kam 2003 durch die Übernahme von Pyra Labs in das Unternehmen. Schon damals war Google die dominierende Suchmaschine, hatte aber noch nicht viel mehr als die Websuche im Programm und begann in dieser Phase gerade mit der großen Expansion. In dieser Phase gingen Produkte wie GMail, Google Maps oder auch Picasa Online bzw. wurden durch Übernahmen ins Unternehmen geholt. Viele sind noch heute ein sehr zentraler Bestandteil des Google-Netzwerks – Blogger hingegen schon lange nicht mehr.
Als Google Blogger übernommen hat, begann gerade die große weltweite Boomphase der Blogs und nicht wenige wurden auf dieser Plattform gestartet, da Tools wie WordPress noch in den Kinderschuhen steckten. Die Aussichten waren also mehr als rosig, aber die Weiterentwicklung von Blogger wurde eigentlich nie so richtig mit Priorität vorangetrieben. Natürlich gab es in den 15 folgenden Jahren immer wieder mal sehr große Updates, doch grob gesagt kann man die Aktivitäten rund um Blogger in den eineinhalb Jahrzehnten an einer Hand abzählen.
Das letzte echte Blogger-Update, über das wir berichtet haben, stammt von September 2013 und war ausgerechnet eine Google+ Integration, die gerade erst Rückgängig gemacht wurde. Danach folgten nur noch Zwangs-Updates, um den hauseigenen Richtlinien zu entsprechen. Aber seht selbst in unserem Blogger.com-Archiv. Man könnte also sagen, Blogger ist seit Jahren Mausetot.
Im Zuge der Google+ Extraktion aus Blogger hatte das Team angekündigt, schon sehr bald fresh, new features zu Blogger zu bringen. Googles Strategen haben also möglicherweise beim Abhaken der Todo-Liste für den Shutdown entdeckt, dass sie den Dienst Blogger im Portfolio haben, der mal wieder etwas Pflege gebrauchen könnte. Daran wird nun gearbeitet und wird es interessant sein, wie umfangreich diese Änderungen bzw. Verbesserungen sein werden.
Besser als Verbesserungen wäre bei Blogger wohl ein vollständiger Neustart der Plattform mit modernen Technologien, einem zeitgemäßen Design und mehr Flexibilität für den Durchschnittsnutzer. Um die Nutzer von WordPress, Medium und anderen Plattformen zu locken, muss man sich schon einiges einfallen lassen und viele Jahre Rückstand aufholen. Ein solcher Neustart ist aber immer auch schwer, da die Bestandsnutzer vielleicht ganz zufrieden sind und dem im Wege stehen könnten. Doch dieses Risiko sollte bei Blogger mittlerweile überschaubar sein.
Welche Features bei Blogger fehlen würde mit Sicherheit ein ganzes Buch füllen, aber darum soll es an dieser Stelle nicht gehen. Viel interessant wird es sein, ob Google den Dienst noch einmal völlig neu positionieren wird. Zur Erstellung eigener Webseiten hat man Google Sites im Angebot, kurze Beiträge wären bei Google+ am besten aufgehoben gewesen. Blogger muss also einen Platz dazwischen finden und entsprechend wieder Relevanz enthalten. Vor allem muss es aber auch darum gehen, Communitys drumherum aufzubauen und die Nutzer auf der Plattform zu halten.
Google-intern könnte YouTube ein gutes Vorbild sein, das sich von der Videoplattform hin zu einem beliebten Social Network entwickelt hat, zur vollwertigen Streamingplattform ausgebaut wurde, aber dennoch niemals den Kern der Videoplattform hat. Blogger kann also zum YouTube der Textinhalte aufgebaut werden, aber natürlich mit ganz anderen Ansätzen. Da Google nun keine echte Social- und Community-Plattform mehr hat, wäre gerade Blogger vielleicht genau das passende Puzzlestück.
Natürlich muss Google dann auch dahinter stehen und nicht nach einem großen Umbau und wenigen Monaten wieder das halbe Team versetzen und sich wundern, warum die Nutzer ausbleiben. Und genau daran hapert es häufig, ganz egal wie groß die Ideen und Motivation zu Beginn gewesen sind.
Insgesamt könnte dann auch Blogger in die Liste der Produkte aufgenommen werden, die die Nachfolge von Google+ antreten könnten. Bis dahin ist es ein sehr weiter Weg, aber der Blogger-Ansatz wäre mit Sicherheit vielversprechender als ein neuer Social Network-Ansatz, der bei Google einfach niemals funktionieren wird. Außerdem ließe sich das schwindende Nutzervertrauen mit diesem Ansatz sicherlich auch leichter zurückgewinnen.
Google selbst ist bereits seit langer Zeit bewusst, dass Blogger nicht mehr zeitgemäß ist und hat viele hauseigene Blogs schon längst von der eigenen Plattform abgezogen – was nie ein gutes Zeichen ist. Vor über zwei Jahren wurde the Keyword gestartet, das als Infoportal rund um die vielen Dienst des Unternehmens dient. Das ist meiner Meinung nach zwar auch nicht unbedingt ein Beispiel guter Usability, aber darum geht es bei dieser Speziallösung für die eigenen Bedürfnisse auch gar nicht.
Natürlich könnten all meine Gedanken auch umsonst sein und „shiny new featurs“ heißt einfach nur, dass die Plattform im Material Theme erstrahlt und es 2-3 neue Themes für die Blogger gibt. Aber hoffen wir einfach einmal darauf, dass das nicht der Fall ist und wir nach vielen Jahren des Dornröschenschlafs von einem großen Blogger-Comeback berichten dürfen.
» Google+ Einstellung: Blogger-Nutzer aufgepasst – Alle Kommentare und mehr werden am Montag gelöscht!
Siehe auch
» Nein, Google wird nicht eingestellt: Einstellung von Google+ sorgt bei vielen Nutzern für Verwirrung