In dieser Woche hat Google eine große Änderung für die Android-Lizenzen angekündigt, die den europäischen Raum betreffen und eine direkte Folge aus dem EU-Urteil gegen die App-Bündelung sind. In den Medien wurde dieses Thema kaum beachtet, aber tatsächlich könnte das neue Modell und auch die neuen Möglichkeiten für die Smartphone-Hersteller sehr großer Auswirkungen haben und stark an Googles Android-Herrschaft rütteln.
Android war für Google vor weit über 10 Jahren ein echter Glücksgriff, deren Folgen damals nicht mal erahnt werden konnten. Google hat das Betriebssystem Android von Anfang an kostenlos für alle Smartphone-Hersteller angeboten, die das natürlich gerne angenommen haben und sich so die teure Entwicklung von eigenen Betriebssystem ersparen konnten. Doch mit im Paket war jeweils auch eine Lizenzvereinbarung, die die Vorinstallation einiger Google-Apps forderte.
Das EU-Urteil vom Juli 2018 besagt nicht nur, dass sich Larry Page von 4,3 Milliarden Euro aus seinem Geldspeicher verabschieden muss, sondern untersagt auch die von Google vorgeschrieben Bündelung. Als Folge daraus muss Google den Smartphone-Hersteller nun deutlich mehr Freiheiten bieten. Kurz und knapp: Sie dürfen Geräte mit alternativen Android-Versionen auf den Markt bringen, sie können Apps und den Play Store getrennt lizenzieren und sie werden dafür nun zu Kasse gebeten. Das alles gilt allerdings nur für Geräte, die in Europa verkauft werden.
Eigentlich ändert sich für die Smartphone-Hersteller dadurch nur die Tatsache, dass sie jetzt für etwas zahlen müssen, das sie viele Jahre lang kostenlos bekommen haben. Das könnte Smartphones in Zukunft für europäische Nutzer deutlich teurer machen – bis 40 Dollar pro Gerät (!) -, hätte ansonsten aber erst einmal keine größeren Auswirkungen. Doch tatsächlich bietet sich für die Hersteller so die vielleicht einmalige Chance, sich von der Google-Abhängigkeit ein Stück weit zu befreien bzw. das Unternehmen unter Druck setzen zu können.
Durch die untersagte Bündelung ist es ihnen nämlich möglich, alternative Android-Versionen vorzuinstallieren und dennoch den Play Store und die Google-Apps darauf anzubieten. Oder sie könnten die Google-Apps komplett von ihren Smartphones verbannen und vollkommen Google-freie Smartphones auf den Markt bringen. Eine vielleicht einmalige Chance.
Die großen Hersteller sind auf ein solches Szenario seit langer Zeit eingestellt und könnten vermutlich recht schnell reagieren, wenn sie es denn wollten. Die wichtigsten Hersteller haben alle einen Plan B in der Tasche und könnten diesen nun mit Geräten bzw. einem Testgerät in Europa einfach einmal ausprobieren, ohne gegen die Lizenzbestimmungen von Google zu verstoßen. Ein kleiner Überblick:
Die Android-Alternativen der großen Hersteller
- Samsung: Hat seit Jahren Tizen in der Hinterhand, das auf vielen anderen Geräten abseits der Smartphones reift, aber auch auf diesen bereits testweise zum Einsatz kam
- Huawei: Die Chinesen arbeiten schon seit längerer Zeit an einer eigenen Android-Version, die eines Tages zum Einsatz kommen könnte
- Xiaomi: Der König des chinesischen Marktes hat von Beginn an Erfahrung damit, Smartphones ohne Google-Apps auf den Markt zu bringen und unterstützt andere Plattformen
- Amazon: Mehrere Hersteller sollen an Amazons Fork Fire OS Interesse haben, den sie bisher aber nicht einsetzen durften. Jetzt wäre es möglich
- Microsoft: Schon vor einiger Zeit hatte ich die Vermutung ins Spiel gebracht, dass Microsoft an einer eigenen Android-Version arbeitet. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt für eine eventuelle Testphase
- Facebook: Selbst Facebook hat Pläne für einen „Krieg mit Google“ in der Schublade und könnte ohne Play Store leben.
Nichts davon ist komplett Spruchreif, aber die neue Situation kam ja auch recht überraschend. Bisher standen die Hersteller vor dem Problem, dass sie ohne die Google-Apps keine eigenen Plattformen hätten etablieren können. Das Problem fällt nun zumindest in Europa unter den Tisch, denn die Apps könnten auch für die alternativen Android-Versionen gekauft werden. Man hätte nun also einen riesigen Start-Vorteil, der bisher nicht möglich war.
Allerdings darf man bei diesen Überlegungen nicht vergessen, dass das Ganze auf wackligen Beinen steht: Solche Geschäfte wären nur in Europa (und China) möglich, im Rest der Welt hingegen müsste man weiterhin Googles Vorgaben befolgen. Das macht die Entwicklung und eine mögliche dauerhafte Zweigleisigkeit sehr unattraktiv. Außerdem hat Google Einspruch gegen das Urteil eingelegt. Sollte es eine Entschärfung des Urteils geben, würde Google sofort auch die aktuellen Vorteile für die Hersteller wieder einkassieren.
Ob es also zu einem Angriff auf Googles Dominanz kommen wird, ist fraglich. Dennoch sollte ein solches Szenario nicht unter den Tisch fallen.
Aber selbst wenn die Zeit der Android-Dominanz zu Ende gehen sollte, hätte Google schon das nächste Ass im Ärmel. Im kommenden Jahr dürfte endlich der Schleier über Fuchsia fallen und Googles neues Betriebssystem auch offiziell das Licht der Welt erblicken. Ob es nun die Android-Nachfolge antreten oder doch eher als Android-Konkurrent platziert wird, ist aktuell noch völlig offen und dürfte wohl auch von den vielen zu erwartenden Testballons abhängen. Der erste könnte schon das Google Home Hub mit Fuchsia sein.
Vor wenigen Tagen gab es Bericht darüber, dass Google die Marke Android fallen lassen wird – und die Anzeichen dafür sind bereits sehr deutlich zu sehen. Ob ein neuer Name ins Spiel gebracht wird oder in Zukunft einfach nur noch von einem „Phone OS“ die Rede ist, bleibt abzuwarten. Da Google also schon längst ein Kapitel weiter gedacht hat, könnten selbst Bemühungen von Smartphone-Herstellern zur Übernahme der Macht bei Android langfristig ins Leere laufen.
Es stehen spannende Zeiten bevor und ich könnte mir gut vorstellen, dass wir im kommenden Jahr mit sehr vielen großen Änderungen rechnen müssen. Welche auch immer das sein mögen.
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