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Google Chrome: Viele umstrittene Änderungen – die Jubiläums-Version wird für Google zum Fiasko (Übersicht)

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Die aktuelle Chrome-Version 69 sollte eigentlich das große Jubiläum des Browsers zelebrieren und ihn Fit für die nächsten 10 Jahre machen – doch statt viel Jubel gab es für viele Änderungen genau das Gegenteil. Das hat sich Google wohl anders vorgestellt und musste in den vergangenen Tagen gleich mehrfach zurückrudern. Vielleicht sollte man daraus lernen, den Nutzern nicht ständig neue Ideen aufzuzwängen.


Der September war der große Jubiläums-Monat der wichtigsten Google-Produkte, die allesamt ihren runden Geburtstag feiern konnten: Die Google Websuche wurde 20, das erste Android-Smartphone wurde 10 und Googles Chrome-Browser ist nun ebenfalls 10 Jahre alt. Alle drei Produkte tragen enorm zur Festigung von Googles Macht bei und sollten daher nur mit Bedacht geändert werde – doch beim Browser wird man in letzter Zeit sehr schludrig.

Design
Nach einer langen Testphase hat der Chrome-Browser vor einigen Wochen ein neues Design bekommen, das die Oberfläche modernisieren und gleichzeitig auch für die Bedienung per Touch Fit machen soll. Das ist auf dem Papier gelungen, aber viele Nutzer können sich – wenn man sich in den Foren so umsieht – bis heute nicht damit anfreunden. Der größte Kritikpunkt sind vor allem die Tabs, die sich nicht mehr so deutlich wie bisher von den umliegenden Tabs abheben. Insbesondere die inaktiven Tabs wirken fast wie aus einem Guss.

Wem dieses Design nicht gefällt, der kann es übrigens noch immer recht einfach deaktivieren und somit die gewohnte Oberfläche wiederherstellen. Auf Dauer wird das allerdings nicht funktionieren.

URL-Beschneidung
Die zweite große Änderung war die Beschneidung der URL, die in der Omnibox erst ab der eigentlichen Domain begonnen hat. Das „http://“ ist ohnehin schon längst in allen Browsern ausgeblendet, aber nun hatte Google auch „www.“ und „m.“ ausgeblendet. Das sind zwar Standard-Subdomains, können aber einen erheblichen Unterschied machen. Es ist zwar die Ausnahme, aber manchmal zeigen „example.com“ und „www.example.com“ ganz andere Inhalte. „m.example.com“ enthält dann gleich noch die mobile Version und ist häufig etwas ganz anderes.

Google hat die Kritik nach kurzer Zeit verstanden und das Ganze wieder zurückgezogen. Zumindest das „www.“ wird aber schon mit der kommenden Version 70 schon wieder ausgeblendet.



Verknüpfung des Chrome- und Google-Logins
Die nächste Änderung, die mit Chrome 69 eingeführt wurde, wurde weder im Vorfeld angekündigt, noch wurde sie bei der Vorstellung beworben – wohl aus gutem Grund. Der Chrome- und Google-Login wurde verknüpft, sodass der Nutzer automatisch auch im Browser eingeloggt wird, sobald er sich auf einer Google-Webseite einloggt. Zwar wird die Synchronisierung dadurch nicht aktiviert, aber dennoch sind weder die Nutzer noch die Datenschützer von dieser Änderung begeistert. Gleichzeitig wird die Synchronisierung auch gestoppt, sobald man sich aus dem Google-Konto ausloggt.

Google hat die Kritik der Nutzer offenbar sehr ernst genommen, denn schon wenige Tage nach der Entdeckung hat man angekündigt, diese Verknüpfung in Chrome 70 optional zu gestalten – allerdings als Opt-out. Wer nicht bis zur nächsten Version im Oktober warten möchte, kann dies auch durch Umstellen eines Flag umgehen.

Google-Cookies lassen sich nicht löschen
Wenige Tage später wurde entdeckt, dass sich Google-Cookies nicht mehr löschen lassen, was eine Folge der Verknüpfung der beiden Konten ist. Google schafft sich damit selbst Super-Cookies, die als einzige nicht mehr entfernt werden können, so lange man im Browser eingeloggt ist. Auch das stieß wieder auf sehr viel Kritik, obwohl es vermutlich als Komfort-Funktion gedacht war, die aber eben von allen anderen Webseiten (glücklicherweise) nicht genutzt werden kann.

Doch auch bei diesem Punkt musste Google zurückrudern und hat verkündet, dass sich die Cookies trotz Verknüpfung ab Chrome-Version 70 wieder löschen lassen. Auch dies lässt sich, wer das nicht abwarten möchte, mit dem Flag umgehen.

…?
Drei dieser vier Änderungen wurden nicht angekündigt, sondern von den Nutzern „entdeckt“. Man muss also davon ausgehen, dass Google noch weitere Überraschungen versteckt bzw. integriert hat, die noch darauf warten, gefunden zu werden. Genau das sorgt aber nicht unbedingt für Vertrauen, denn auch wenn es das mit den „bösen Änderungen“ erst einmal gewesen ist, bleibt das ungute Gefühl im Hinterkopf. Das mag nicht für die Masse der Nutzer gelten – die schlussendlich für Google interessant ist – aber den allgemein sehr guten Ruf des Chrome-Browsers sollte man nicht durch solche Dinge aufs Spiel setzen.

Allerdings hat der Chrome-Browser mittlerweile so große Marktanteile wie der Internet Explorer vor 10 Jahren, was Google gewissermaßen ein bisschen Narrenfreiheit gewährt, die durch die vielen weitere verknüpften Produkte des Unternehmens gestützt wird.



Man muss sich fragen, was Googles Produktmanager geritten hat, dass sie diese Features durchgewunken und dann auch noch innerhalb der Ankündigungen unter Verschluss gehalten haben. Man hätte wissen müssen, dass dies den Nutzern früher oder später auffallen wird. Doch die schnellen Rollen-Rückwärts zeigen, dass man sehr wohl damit gerechnet hat und nun einfach Plan B aus der Schublade holt. Natürlich hätte es den Schalter zur Trennung der Profile von Anfang an geben können – am besten mit Opt-in.

Fraglich ist, warum Google jede kleine Änderung in den vielen Produkten mit einer kleinen Gruppe über einen langen Zeitraum testet, aber solche „dicken Brocken“ komplett verschweigt. Man darf nicht vergessen, dass ein Browser eine sehr zentrale Plattform ist, in der große Teile des Netzlebens verbracht werden. Es ist keine kleine App, bei der man mit großen Änderungen leben bzw. sie ignorieren kann. Der Nutzer muss sich auf dessen Funktion verlassen können.

Google genießt im allgemeinen das Vertrauen der Nutzer, sägt aber in den vergangenen Monaten zunehmend an dem Ast, auf dem man selbst sitzt – etwas, das auch Facebook bekanntlich sehr gut kann. Hoffen wir, dass die vielen Diskussionen der vergangenen Monate vom Browser über die Standorterfassung bis hin zur sehr unglücklich Inbox-Einstellung etwas bei den Strategen auslösen.


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